Gladbeck. Wohnen in Gladbeck wird teurer: Der Grundsteuer-Hebesatz steigt massiv an. Die letzte Erhöhung liegt noch nicht lang zurück. Was dahinter steckt.
Zum 1. Januar 2023 erhöht die Stadt Gladbeck zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten den Hebesatz der Grundsteuer B um deutliche 100 Punkte auf dann 950 Punkte – und hat damit dann einen der höchsten Grundsteuerhebesätze in NRW und im Bund. Erst zum 1. Januar 2022 war der Hebesatz von 750 auf 850 Prozent gestiegen.
Die neuerliche Erhöhung geht auf einen zuvor ausgiebig diskutierten Doppelbeschluss des Rates aus dem Jahr 2021 zurück – damals hatte der Rat auf dringende Empfehlung von Bürgermeisterin Bettina Weist und Kämmerer Thorsten Bunte gleich zwei Erhöhungen für die Jahre 2022 und 2023 beschlossen – übrigens gegen die Stimmen von CDU und AfD. Die Erhöhungen seien „unverzichtbar, um die Stadt zu gestalten und lebenswert zu erhalten“, hatte seinerzeit Bürgermeisterin Bettina Weist angesichts der instabilen finanziellen Lage der Stadt argumentiert.
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Bürgermeisterin: Steuererhöhung unverzichtbar für die Zukunft der Stadt Gladbeck
Die Erhöhungen der vergangenen Jahre seien angesichts der gestiegenen Aufgaben, die auf die Stadt zugekommen seien, „überholt“, so die Bürgermeisterin. Tatsächlich ist die Erhöhung auf 950 Punkte der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Grundsteueranpassungen in den vergangenen zwölf Jahren. Noch 2011 hatte der Hebesatz bei 440 Punkten gelegen – 2012 erfolgte die erste Anhebung auf 530, ein Jahr später eine zweite auf 690 Punkte. 2021 kam es schließlich zu der noch unter dem Weist-Vorgänger Ulrich Roland beschlossenen Anpassung auf 750 Punkte.
Mit den Erhöhungen des Doppelbeschlusses zum 1. Januar 2022 und nun um 1. Januar 2023 verbessert die Stadt ihre Einnahmen aus dieser Steuer noch einmal um 1,9 und 2 Millionen Euro jährlich. Für 2022 war Kämmerer Thorsten Bunte von einem Grundsteuer-B-Aufkommen von 16 Millionen Euro ausgegangen (nach 14,1 Millionen in 2020). Für 2023 rechnet er mit einem Aufkommen von 18 Millionen aus dieser Steuer. Die Summe trage zu etwa sechs Prozent zur Finanzierung der städtischen Leistungen bei.
Kämmerer: Pro-Kopf-Aufkommen wichtiger als der Hebesatz
Für Bunte, so betont er im WAZ-Gespräch, sei ohnehin nicht der Hebesatz, sondern das Pro-Kopf-Aufkommen das entscheidende Maß – also das Gesamtaufkommen aus der Grundsteuer B geteilt durch die Einwohnerzahl der Stadt. „Sie zahlen ja auch keinen Hebesatz, sondern Euro“, so Gladbecks Kämmerer. Er verweist darauf, dass trotz der erneuten „Anpassung“ des Hebesatzes zum 1. Januar das Pro-Kopf-Aufkommen im Vergleich zu den anderen neun Städten im Kreis Recklinghausen immer noch knapp unter dem Durchschnitt liege. „Die Erhöhung ist vertretbar und haushaltsstabilisierend.“
Gladbeck habe, so Bunte, noch 2021 mit einem Pro-Kopf-Aufkommen von 187 Euro im Jahr auf dem untersten Kreis-Rang gelegen. Haltern am See habe als Spitzenreiter einen Wert von 290, Dorsten als Zweiter einen von 261 Euro gehabt. Sogar der Platz vor Gladbeck habe mit Herten ein Pro-Kopf-Aufkommen von mehr als 200 Euro, genau von 201 Euro, gehabt. Der Durchschnittswert im Kreis lag 2021 bei 236 Euro. Mit der Erhöhung zum 1. Januar steige das Pro-Kopf-Aufkommen in Gladbeck auf 228 Euro.
In Gladbeck steigt die Grundsteuer um 1 bis 7 Euro im Monat - je nach Wohnform
Die Gladbecker müssen im nächsten Jahr gegenüber 2022 unterm Strich – je nach Wohnform – mit Mehrbelastungen zwischen 1 und 7 Euro monatlich rechnen. Für ein Einfamilienhaus (Neubau) zahlt der Eigentümer künftig bei einem Grundsteuer-Hebesatz von 950 Punkten im Monat 61 Euro (plus 7), in einem Einfamilienhaus-Altbau monatlich 10 Euro (plus 1), im Zweifamilienhaus je Einheit im Monat 38 Euro (plus 4). Bei Mietwohnungen steigen die Belastungen auf 35 Euro (plus 3) pro Wohnung in Häusern mit bis zu sechs Einheiten und 27 Euro (plus 3) für Wohnungen in Häusern mit mehr als sechs Einheiten. Im Vergleich zu 2021 liegen die Erhöhungen zwischen 6 und 13 Euro pro Wohnung.
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Für Kämmerer Bunte haben die jüngsten Erhöhungen auch eine Art Nachholeffekt: In den Jahren bis 2012, in denen es keine oder nur moderate Anpassungen gab, habe es angesichts einer fortlaufenden Inflation eine Entwertung des Steueraufkommens gegeben, „die ursächlich mit für die städtische Verschuldung ist“. Während die Inflation jährlich im Schnitt um 2,8 Prozent stieg, erhöhte sich die Grundsteuer pro Jahr nur um 1,2 Prozent.
In den vergangenen Jahren gab es eine Abkoppelung vom Kreis Recklinghausen
Außerdem habe es, so Bunte, nach den Erhöhungen 2012 und 2013 durch eine jahrelange Abstinenz bei der Steueranpassung bis 2021 eine „Abkoppelung“ von der Kreisentwicklung gegeben. Andere Städte hätten ihre Haushalte krisenfester gemacht und Schulden abgebaut, während Gladbeck jährliche Mindererträge von rund 5,1 Millionen Euro hinnahm. Bunte: „Eine Schonung in diesem Ausmaß ist künftig nicht mehr darstellbar, wir können es uns nicht mehr erlauben, nicht zu erhöhen.“
Im Schnitt 563 Punkte
Die Grundsteuer B ist die Steuer auf das Eigentum an Grundstücken. Sie wird für bebaute oder unbebaute Grundstücke erhoben – nicht für Grund in Land- und Forstwirtschaft (dafür gibt es die Grundsteuer A).
Zuletzt hatte in NRW den höchsten Hebesatz die Stadt Bönen (Kreis Unna) mit 940 Prozent – die einzige Stadt mit mehr als 900 Punkten. Die Stadt Verl im Kreis Gütersloh kalkulierte bislang mit dem niedrigsten Satz (190 Punkte). Zwölf Städte haben einen Hebesatz von mehr als 800 Punkten, in elf Städten liegt er unter 400 Punkten.
In NRW liegt der fiktive Hebesatz aktuell für kreisfreie Städte bei 511, für kreisangehörige Städte bei 479. Im Durchschnitt beträgt der Hebesatz nach Angaben des Bundes der Steuerzahler 563 Prozent.