Gladbeck. Bürgermeisterin Bettina Weist befürchtet nach Ostern mehr Corona-Fälle in Gladbeck. Die Entwicklung in der Innenstadt treibt sie besonders um.

Schon seit über einem Jahr wird das Leben in Gladbeck nun von der Corona-Pandemie geprägt. Bürgermeisterin Bettina Weist (SPD) spricht im Interview mit der WAZ über hohe Inzidenzwerte, die Folgen für die Innenstadt und ihre eigene Erkrankung.

Oft war Gladbeck besonders stark von der Pandemie betroffen, zu Beginn im vergangenen Jahr gab es viele Todesfälle, zeitweise war die Inzidenz sehr hoch. Woran liegt das?

Wenn wir hätten ausmachen können, was die Faktoren sind, wären wir ein gutes Stück weiter. Die Inzidenzwerte sind immer noch deutlich über 100, jeden Morgen geht mein erster Blick auf die aktuellen Zahlen. Zu Beginn der Pandemie hatten wir ein enormes Ausbruchsgeschehen in den Pflegeheimen und dort viele Todesfälle. Das hat die Zahlen zu Beginn enorm in die Höhe getrieben. Die Inzidenz über 400 nach Weihnachten hatte auch mit verspäteten Meldungen der Fälle zu tun. Im Bereich der über 80-Jährigen haben wir nun fast alle geimpft, daher sind Bewohner etwa von Altenheimen derzeit nicht mehr so stark betroffen. Die Infektionen verlagern sich nun in andere Altersgruppen. Zudem wird inzwischen deutlich mehr getestet, deswegen gibt es auch mehr entdeckte Fälle.

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Wo steht Gladbeck nach einem Jahr Corona?

In Gladbeck gab es immer wieder ein Auf und Ab. Seit einem Jahr sind wir nun auch als Verwaltung im Krisenmodus, der Krisenstab tagt zwei Mal in der Woche. Wir haben den Kommunalen Ordnungsdienst ausgeweitet, die Kontrollteams werden etwa von Kollegen aus der Stadthalle oder dem Museum verstärkt. Mit dem Corona-Infostand in der Fußgängerzone haben wir eine Anlaufstelle für Bürger errichtet. Es gibt einige neue Formate und Konzepte, die wir entwickelt haben. Den Beginn meiner Amtszeit habe ich mir natürlich anders vorgestellt. Am einschneidendsten ist, dass ich nicht so in Kontakt kommen kann mit den Bürgern, das war ja ein großes Vorhaben von mir. Meine Video- und Telefonsprechstunden werden aber gut angenommen. Die Menschen passen sich an und nutzen die neuen Formate.

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Ein Ort, an dem die Folgen der Pandemie bereits sichtbar geworden sind, ist die Innenstadt. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die zunehmenden Leerstände und die aktuelle Entwicklung?

Das Thema Innenstadt treibt mich sehr um. Daher starte ich einen Runden Tisch zur Zukunft der Innenstadt. Das erste Treffen ist am 19. April – je nach Infektionslage virtuell. Gemeinsam mit Händlern, Gastronomen und Vereinen möchte ich Ideen entwickeln, was der Innenstadt gut tun würde. Sie bleibt das Herzstück der Stadt und ist ein Ort der Begegnung. Um die City weiter zu beleben, kann ich mir etwa vorstellen, dass sich dort weitere Gastronomie ansiedelt, die Innenstadt braucht Eventcharakter. Auch Kunst und Kultur sollen eingebunden werden, etwa wollen wir der Kunstschmiede einen Ort im ehemaligen Ladenlokal von Ernsting’s Family anbieten.

In Gladbeck gibt es bereits erste Leerstände. Für die Ladenlokale in der Innenstadt sollen nun Lösungen gesucht werden. Bürgermeisterin Bettina Weist initiiert einen Runden Tisch zur Zukunft der Innenstadt.
In Gladbeck gibt es bereits erste Leerstände. Für die Ladenlokale in der Innenstadt sollen nun Lösungen gesucht werden. Bürgermeisterin Bettina Weist initiiert einen Runden Tisch zur Zukunft der Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Vielen Entscheidungen in der Pandemie werden nicht vor Ort, sondern etwa in Düsseldorf getroffen, vieles wird über den Kreis Recklinghausen geregelt. Wünschen Sie sich manchmal mehr Handlungsmöglichkeiten? Hätten Sie etwa auch eine Ausnahme der Notbremse befürwortet und den Handel mit Testmöglichkeit weiter offen gelassen?

Wir Bürgermeister im Kreis sind gemeinsam mit Landrat Bodo Klimpel immer in enger Abstimmung. In den anderen Städten gibt es schließlich ähnliche Probleme. Als bei uns die Inzidenz über 400 lag, hätte ich jedoch gerne Kompetenzen gehabt, schneller reagieren zu können. Zwischen Gladbeck und Haltern etwa lagen Welten. Die Entscheidung, weiterhin „Click and Meet“ anbieten zu können, und dafür einen Negativtest vorzulegen, war richtig. Es war wichtig, ein Zeichen für den Einzelhandel zu setzen. Die Infektionszahlen müssen wir natürlich im Blick behalten.

Sie hatten sich Ende des Jahres selbst mit dem Virus infiziert. Wie haben Sie Ihre eigene Corona-Erkrankung erlebt? Hat sie Ihren Blick auf die Krankheit verändert?

Sie hat meinen Blick sehr verändert. Zunächst kannte ich in meinem Umfeld keine Infizierten, erst ein paar Wochen vorher gab es die ersten Fälle in meinem Freundeskreis. Auch ich hatte eher einen mittelschweren als einen leichten Verlauf. Die Ungewissheit des Verlaufs, und dass es keine Medikamente wie etwa bei einer Grippe-Erkrankung gab, waren schon beängstigend. Mein Respekt vor der Krankheit ist auf jeden Fall gewachsen. Aber auch der Respekt vor dem medizinischen Personal, das sich nicht ins Homeoffice zurückziehen kann, sondern jeden Tag ein Risiko eingeht, um den Erkrankten zu helfen. Ich hoffe, dass wir im St.-Barbara-Hospital immer genügend Kapazitäten haben werden, um den Menschen mit schweren Verläufen helfen zu können.

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Ein Markenzeichen Gladbecks ist der Zusammenhalt der Menschen. Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf das Gemeinschaftsgefühl?

Es wird lange dauern, bis alles wieder normal ist. Sorgen mache ich mir um die Psyche von Kindern, Folgen in bestimmten Entwicklungsphasen werden erst wesentlich später erkennbar sein. Auch die älteren Menschen dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren. Gerade diejenigen, die alleine leben, sind ein Stück mehr vereinsamt. Um die Gemeinschaft mache ich mir hingegen keine Gedanken, sie wird unser Markenzeichen bleiben. In den einzelnen Vereinen etwa liegt nichts brach, dort findet viel über Videokonferenzen statt, es gab auch nur wenige Austritte. Ich bin froh und dankbar, dass wir einen Weg zum Zusammenhalt gefunden haben.

Wie blicken Sie auf die bevorstehenden Ostertage? Befürchten Sie, dass die Inzidenzwerte danach weiter steigen werden – so wie es auch nach den Weihnachtsfeiertagen der Fall war?

Ich habe große Sorgen, dass die Zahlen weiter steigen werden. Daher auch mein Appell an alle Gladbecker, Kontakte zu reduzieren und sich an die Regeln zu halten. Wir müssen noch diszipliniert sein.

Wie feiern Sie das Osterfest?

Wie Weihnachten, in ganz kleinem Kreis mit meinem Mann und meinen beiden Jungs. Wir machen nichts, auch in einen Gottesdienst zu gehen, fänd ich jetzt unangebracht. Viele Menschen haben da Vorbehalte, die Anmeldungen liefen nur schleppend – ich kann das verstehen. Man ist jetzt darauf geeicht, an Großveranstaltungen nicht teilzunehmen.