Duisburg. Martin Murrack stand 2021 im Fokus. Der Sauerländer (SPD) hat schon für Steinbrück und Laschet gearbeitet und für Duisburg auf Gehalt verzichtet.

Martin Murrack ist als Stadtdirektor der Vertreter des Verwaltungschefs, des Oberbürgermeisters also. 2021 war Murrack (44), Leiter des Corona-Krisenstabs, öffentlich ähnlich präsent wie Sören Link (45). Grund dafür ist einerseits Murracks Ämterhäufung. Andererseits lässt OB Link seinen Stellvertreter und Genossen für die Stadtspitze auch in der ersten Reihe sprechen. Anlässe dazu hatte der Erste Beigeordnete im abgelaufenen Jahr fast so viele wie Kilometer in den Beinen.

Exakt 3348 waren es kurz vor Weihnachten, sagt Murrack. Er versuche, „zweimal die Woche mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, sonst komme ich nicht zum Sport“. Von Essen-Kettwig bis zum Duisburger Rathaus sind es 18 Kilometer. An „guten Tagen“ brauche er an der Ruhr entlang und durch die Stadtwälder in Mülheim und Duisburg „42 Minuten“. Entspannung sucht der Vater dreier Söhne (7/12/14 Jahre) eher beim Segeln mit der Familie, im Wattenmeer. Als Jungspund war er mal drei Monate Matrose auf einem Plattbodenschiff.

Martin Murrack jobbte für Coca Cola und Peer Steinbrück

Auch beruflich war Murrack viel in Bewegung, ehe er Anfang 2018 mit 40 Jahren in Duisburg ankam, zunächst als Dezernent für Personal, Organisation, Digitalisierung und bezirkliche Angelegenheiten. Aufgewachsen in Schalksmühle, hatte der Sauerländer nach dem Abitur in Lüdenscheid in Essen Kommunikationswissenschaft und praktische Sozialwissenschaft studiert. Als Stipendiat der Stiftung der Deutschen Wirtschaft baute er ein Netzwerk auf, arbeitete während seines Studiums zum Beispiel als Messebauer oder in einem Projekt für Coca Cola.

Ein Praktikum führte ihn 2002 in die nordrhein-westfälische Staatskanzlei, „anfangs bei Ministerpräsident Clement, später bei Steinbrück“. Murrack hatte bereits als Klassen- und Schülersprecher mit der SPD sympathisiert, mit 23 Jahren trat er ein.

In Düsseldorf lernte er auch Norbert Walter-Borjans kennen, von 2019 bis 2021 neben Saskia Esken Vorsitzender der Bundespartei. Ihn nennt Murrack einen „alten Freund“ und „Ziehvater“. 2007 folgte er „Nowabos“ Ruf ins Wirtschaftsdezernat der Stadt Köln und gab dafür seinen Job als Junior-Berater der renommierten Boston Consulting Group auf. Für die habe er unter anderem an der Digitalisierung des Bertelsmann-Konzerns gearbeitet. Von der BCG in eine Stadtverwaltung ... „Es war nicht das einzige Mal, dass ich mich trotz eines geringeren Gehaltes beruflich verändert habe, weil die Aufgabe spannend war.“

Mit Nowabo Steuersünder gejagt und von Laschet beurlaubt

Als die neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft 2010 Walter-Borjans zum Finanzminister ernannte, wurde Murrack dessen Büroleiter. Er schwärmt von „aufregenden und prägenden Jahren“, in denen das Ministerium zum Beispiel elf Steuer-CDs kaufte und an Namen von Steuersündern mit geheimen Konten in der Schweiz gelangte.

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Ab Juli 2016 koordinierte Murrack dann als Abteilungsleiter in der Staatskanzlei die Ressorts für Ministerpräsidentin Kraft – und nach deren Wahlniederlage 2017 sogar noch übergangsweise ein paar Monate für Armin Laschet (CDU) und dessen Vertrauten Nathanael Liminski. Eine dauerhafte Zusammenarbeit war, so ist das in der behördlichen Schaltzentrale eines neu gewählten Ministerpräsidenten, keine Option. Die Neuen beurlaubten den Beamten zur NRW-Bank hin. „Das war mein einziger Job bislang, bei dem ich zu viel Zeit für zu wenig zu tun hatte.“

Krisenstabsleiter Martin Murrack (vorne) und seine Führungskräfte bei einer Ad-hoc-Pressekonferenz vor dem Rathaus im November (von links): Feuerwehrchef Oliver Tittmann, Murrack, Gesundheitsamtsleiter Ludwig Hoeren, Ordnungsamtschef Andreas Rudolph und Hendrik Magnusson, Ärztlicher Leiter der KoCI.
Krisenstabsleiter Martin Murrack (vorne) und seine Führungskräfte bei einer Ad-hoc-Pressekonferenz vor dem Rathaus im November (von links): Feuerwehrchef Oliver Tittmann, Murrack, Gesundheitsamtsleiter Ludwig Hoeren, Ordnungsamtschef Andreas Rudolph und Hendrik Magnusson, Ärztlicher Leiter der KoCI. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Erneut verzichtete Murrack auf Gehalt, als ein Headhunter ihn für den Dezernentenposten in Duisburg kontaktierte. Nach nicht mal einem Jahr als Personal- und Digitalisierungsdezernent beförderte Link ihn Anfang 2019 zum Stadtdirektor und Kämmerer. 2021 übernahm Murrack vom scheidenden Dezernenten Ralf Krumpholz noch das Feuerwehrdezernat, den Corona-Krisenstab leitet seither nur er.

Attacken auf Laumann und Laschet, Druck auf Staake und Wüst

Unbestritten waren Stadt und Feuerwehr Duisburg in der Pandemie häufiger schneller, entschlossener und ideenreicher als andere Kommunen und die Düsseldorfer Ministerien. Bei der Beschaffung von Desinfektionsmitteln und Schutzmaterial beispielsweise, bei den Schnelltests für Seniorenheim-Besucher, den aufsuchenden Hotspot-Impfungen. Murrack lobt seine „Spitzenteams“, allen voran Feuerwehrchef Oliver Tittmann und Gesundheitsamtsleiter Ludwig Hoeren.

Zu den zahlreichen kritischen Pressemitteilungen und öffentlichen Statements, die Link und Murrack in der Pandemie zum Krisenmanagement der schwarz-gelben Landesregierung abgaben, versichert Sozialdemokrat Murrack: „Es ging uns immer um die Sache, nicht um Parteipolitik. Ich würde auch eine rot-grüne Regierung öffentlich kritisieren, wenn wir auf der Arbeitsebene nicht weiterkommen.“ Laschet und Laumann aber hätten „zu oft an der Realität in den Kommunen vorbei entschieden“.

Für die Attacken war Murrack 2021 dem Vernehmen nach auch in einer anderen Funktion tätig, die er von Link übernommen hatte: Als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der Hafen AG soll im Gremium und im Verkehrsministerium (des heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst) vor allem er Druck bei der Aufklärung der Impfaffäre und der anderen Vorwürfe gegen Ex-Hafenchef Erich Staake gemacht haben.

Einer, der sich öffentlich entschuldigen kann

An sendungsbewussten Führungskräften mangelt es im Stadtkonzern nicht, aber Murrack kann auch anders. Nach dem Briefwahlchaos bei der Kommunalwahl 2020 entschuldigte sich der Wahlleiter öffentlich für Fehler der Stadtverwaltung, ohne Mitarbeiter anzuprangern. Und versprach, an Verbesserungen zu arbeiten. Es folgten Workshops und Testläufe, auch mit der Post, weitere Digitalisierungsschritte – und eine anscheinend komplikationslose Bundestagswahl mit Rekord-Briefwahlbeteiligung im September.

„Etwas viel war es, als Corona, die Bundestagswahl und die Haushaltsaufstellung zusammenkamen“, blickt Multifunktionär Murrack zurück. Ende 2022 soll für das arme Duisburg die Überschuldung beendet sein, „wir werden erstmals seit 1992 die bilanzielle Überschuldung hinter uns gelassen haben“, kündigte der Kämmerer kurz vor der Bundestagswahl an. Auch zur Verbreitung dieser Erfolgsstory durch die Medien legte er sich ins Zeug – sie passt ja auch zu gut in die bei den Stadtoberen so populäre Erzählung vom bevorstehenden Wandel der Stadt, die besonders viele Entwicklungsflächen und Potenziale hat. „Ich bin ein Freund davon, Positives offensiv zu kommunizieren“, bekennt Murrack, „und andererseits Negatives nicht zu verstecken.“

>> KÄMMERER MURRACK VERSPRICHT NOCH KEINE STEUERSENKUNGEN

■ Steuersenkungen in Duisburg will der Kämmerer noch nicht versprechen. Bei den Hebesätzen für Grundsteuer und Gewerbesteuer liegt Duisburg bekanntlich ganz weit vorn.

■ „Vielleicht können wir für den nächsten Doppelhaushalt 24/25 zumindest darüber nachdenken. Unser Ziel ist es, attraktiver für Firmen, aber auch für junge Familien zu sein. Aber wir wollen auch die Haushaltskonsolidierung fortsetzen.“