Düsseldorf. Die Kandidaten für den SPD-Vorsitz präsentieren sich am Wochenende in Kamen. Die Fangemeinde von Norbert Walter-Borjans wird größer.

Erst stellte sich die SPD-Parteijugend um Kevin Kühnert hinter Norbert Walter-Borjans, dann nominierte ihn der mitgliederstärkste SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen für den Bundesvorsitz der Partei, und jetzt genießt er auch die Unterstützung von Stadtspitzen aus NRW wie Sören Link (Duisburg), Ullrich Sierau (Dortmund), Thomas Eiskirch (Bochum), Bernd Tischler (Bottrop) sowie den Landräten Cay Süberkrüb (Recklinghausen) und Olaf Schade (Ennepe-Ruhr-Kreis). Auch der Düsseldorfer OB Thomas Geisel gehört zur Fangemeinde von Walter-Borjans.

Walter-Borjans und seine Tandempartnerin Saskia Esken seien „Anwälte der Städte und Gemeinden“, loben 20 Bürgermeister, von denen die meisten aus NRW stammen, in einer gemeinsam formulierten Unterstützung. Zwei Tage vor der ersten Regionalkonferenz der SPD-Kandidaten in NRW läuft es also gut für den 67-Jährigen, der sich zunächst in Kamen, später in Troisdorf und Duisburg zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken als Gegenspieler von Bundesfinanzminister Olaf Scholz profilieren möchte.

Kein Schreihals, sondern eher der „nette Onkel“

Norbert Walter-Borjans, genannt „Nowabo“, einst selbst Finanzminister, ist ein Gegenentwurf zu Marktschreiern wie Boris Johnson und Provokateuren wie Christian Lindner: immer ruhig, immer höflich, ein Typ „netter Onkel“, dem man wohl auch ein Geheimnis oder ein Vermögen anvertrauen könnte.

Mehrere Minister im früheren Kabinett von Hannelore Kraft hatten 2010 stark angefangen und bis zum Ende der Regierung 2017 dramatisch abgebaut. So stolperte die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann über den Dauerstreit um das achtjährige Gymnasium; NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) wurde schon als möglicher Ministerpräsident gehandelt, bekam dann aber Image-Probleme nach Hooligan-Krawallen, Misshandlungs-Skandalen in Flüchtlingsheimen und der Kölner Silvesternacht.

Bei Walter-Borjans ging es in der Landesregierung anders herum. Der Start des früheren Kölner Kämmerers im Finanzressort war holprig. Gleich dreimal scheiterte seine Haushaltsplanung vor Gericht. Der von der Opposition als „Rekordschuldenminister“ Geschmähte hatte die Neuverschuldung weit über der Investitionssumme des Landes angesetzt. Das wäre aber nur in einer Notsituation erlaubt gewesen. Einmal konnte er vor der Presse nicht erklären, woher 1,3 Milliarden Euro Minderausgaben kamen, die er im Haushalt „gefunden“ hatte. Auch die Abwicklung der Landesbank WestLB gehörte zu den Aufgaben des zunächst eher unglücklich agierenden Ministers. Aber am Ende gehörte „Nowabo“ aber zu den guten Figuren in der damaligen Regierung. Das lag nicht nur daran, dass er schließlich doch noch einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnte.

Vom „Schuldenminister“ zum „Robin Hood der Steuerzahler“

Was war passiert? Walter-Borjans brachte das Kunststück fertig, sich vom Schuldenmacher in den „Robin Hood der Steuerzahler“ zu verwandeln. „Manchmal“, erzählt er heute, „klopfen mir im Supermarkt oder in der Bahn fremde Leute auf die Schulter und sagen: ,Gut gemacht.’“ Der Minister „Nowabo“ ließ in seiner Amtszeit elf Steuer-CDs ankaufen, die dem Fiskus mehrere Milliarden Euro einbrachten und zigtausende Steuerbetrüger zu Selbstanzeigen veranlassten. Auch der mächtige Bayern-Boss und Steuerhinterzieher Uli Hoeneß knickte vor diesem Druck ein. Mitten in NRW und in während einer diplomatischen „Eiszeit“ zwischen Deutschland und Griechenland ließ Walter-Borjans werbewirksam 50 griechische Steuerfahnder ausbilden.

Zuletzt zog er als Ruheständler mit seinem Steuerbuch („Der große Bluff“) durch die Republik und erzählte ursozialdemokratische Geschichten: Dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache und dass Reiche keine Steuerschlupflöcher verdienen. „Nowabo“ ist zwar weder jugendlich noch entschieden links, aber hinter dieser Gerechtigkeitshaltung könnte sich die ganze Partei versammeln.