Essen. Bürger im Ruhrgebiet zahlen die höchsten Grundsteuersätze. Der Steuerzahlerbund NRW nennt die Entwicklung jetzt “besorgniserregenden“.

Mit großer Sorge blickt der Bund der Steuerzahler NRW (BdSt) auf den Anstieg der Grundsteuer im Ruhrgebiet. Die Kommunalabgabe, die gleichermaßen Mieter, Haus- und Wohnungseigentümer, aber auch Gewerbebetriebe trifft, habe sich für viele Revierbürger in den vergangenen Jahren von einer Steuer „mit niedriger Belastungswirkung zu einer mit bedeutendem Belastungsfaktor“ entwickelt, warnen die Verbraucherschützer in einem internen Bericht.

Zentrale Geldquelle der Kommunen

Der Steuerzahlerbund spricht von einer „besorgniserregenden“ Entwicklung. Sie trage mit dazu bei, dass die Lebensverhältnisse der Bürger im Land immer weiter auseinandergingen. Das Ruhrgebiet drohe dabei in eine „Abwärtsspirale“ zu geraten, so der Befund. Denn gleichzeitig sei die Grundsteuer zu einer zentralen Einnahmequelle der Kommunen geworden – mit entsprechender Abhängigkeit. „Angesichts einer hohen Verschuldung und einer Perspektivlosigkeit bei den Altschulden werden viele Städte und Gemeinden voraussichtlich nicht von allein ihre Grundsteuerhebesätze deutlich senken wollen, höchstens auf weitere Steigerungen verzichten“, heißt es in dem BdSt-Papier, das dieser Zeitung vorliegt.

Fast alle NRW-Städte haben die Steuer erhöht

Grundlage der Einschätzung ist eine Analyse des Steuerzahlerbundes über die Entwicklung der Grundsteuer in NRW seit 2010. Sie fällt aus Sicht der Verbraucherorganisation alarmierenden aus. Denn fast alle der 396 Städte und Gemeinden in NRW haben im vergangenen Jahrzehnt mehr oder weniger deutlich an der Steuerschraube gedreht. Nur vier Kommunen haben die Grundsteuerhebesätze gesenkt: Monheim am Rhein, Verl, Reken und Langenfeld. Bei weiteren sieben blieb der Satz gleich, darunter Attendorn, Düren, Düsseldorf und Gütersloh.

Steigerungsrate im Revier weit über Landesschnitt

Im Ruhrgebiet dagegen ist die Grundsteuerbelastung der Bürger besonders drastisch gestiegen. Die Steigerungsrate liegt weit über dem Landesschnitt. Die BdSt-Experten haben zudem errechnet, dass sich die Grundsteuerentwicklung im Revier komplett von der allgemeinen Preissteigerung abgekoppelt hat. Während die Hebesätze der Grundsteuer im Ruhrgebiet in den zehn Jahren seit 2010 um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen sind, lag der Anstieg des Verbraucherpreisindex im selben Zeitraum nur bei knapp 15 Prozent.

Höchster Anstieg in Witten, Mülheim und Moers

Besonders extrem klaffen Hebesatz-Anstieg und Verbraucherpreis-Entwicklung in einzelnen Städten auseinander: In Witten etwa überholte der Anstieg der Hebesätze die Inflation um mehr als das Sechsfache, in Moers und Mülheim betrug der Faktor mehr als das Fünffache. Für einen vom Steuerzahlerbund zu Grunde gelegten Musterhaushalt in Witten hat sich die jährliche Grundsteuer zwischen 2010 und 2020 demnach von 381 Euro auf 847 Euro mehr als verdoppelt.

In Duisburg und Mülheim stiegen die Sätze im selben Zeitraum von jeweils 465 auf 795 beziehungsweise 828 Euro. Auch in Hagen, Herne und Unna verteuerte sich die Grundsteuer um Beträge deutlich über 200 Euro. Verhältnismäßig gering war der Anstieg nur in Essen. Dort stieg die durchschnittliche Belastung für den Musterhaushalt lediglich um 74 Euro auf 623 Euro. Allerdings startete Essen 2010 mit dem damals höchsten Grundsteuersatz im Ruhrgebiet in den Vergleich.

BdSt fordert Stopp der Entwicklung

Der BdSt fordert nun einen Stopp dieser Entwicklung. Andernfalls, so der Verband, drohten nicht nur ökonomische, sondern auch politische Schäden. Dies aber werde von den verantwortlichen Kommunalpolitiker häufig verkannt. Die Folge aus Sicht des BdSt: sinkende Akzeptanz kommunaler Steuer. „Bürger nehmen Steuererhöhungen nicht mehr klaglos hin. Uns erreichen immer öfter Anfragen nach rechtlichen Möglichkeiten, um weitere Grundsteuererhöhungen zu verhindern“, sagte BdSt-Landeschef Rik Steinheuer dieser Zeitung.

Reform sorgt zusätzlich für Unsicherheit

Für zusätzliche Unruhe sorgt auch die bevorstehende Reform der Grundsteuer ab 2025. Das von der NRW-Landesregierung übernommene Bundesmodell ist nach Einschätzung des Steuerzahlerbundes nicht nur mit einer enormen Bürokratie verbunden. Wegen seiner wertabhängigen Bemessungsfaktoren und der alle sieben Jahre erfolgenden Neubewertung aller Grundstücke drohe zudem einen Erhöhungsautomatismus. Steinheuer: „Bürger im Ruhrgebiet müssen sich nach den enormen Grundsteuererhöhungen der vergangenen Jahre künftig auf eine noch höhere Grundsteuerbelastung einstellen.“