Bottrop-Kirchhellen. Mittags mal raus, Freunde treffen oder einfach nur an frischer Luft etwas trinken, eine Kleinigkeit essen: Was ein heimgekehrtes Ehepaar vermisst.
Sie waren viele Jahre zu Hause in Grafenwald, haben dort zuletzt eine Heißmangel betrieben. Dann zog es Anne und Franz Rademacher in die weitere Nachbarschaft, bis sie sich – zugegebenermaßen mit etwas Heimweh im Bauch – wieder im grünen Norden der Stadt niederließen. Aus Grafenwald wurde Kirchhellen-Mitte. Aber Heimat mache ja nicht an einer Bezirksgrenze halt, sagen die immer noch unternehmungslustigen Senioren.
Was sie, aber auch Freunde und Bekannte, vermissen, sind die Ausgeh- und Treffpunkte. „Gerade ab mittags und dann in der schönen Jahreszeit, die bald wieder beginnt, fehlt uns doch die Außengastronomie, eine Kneipe mit Garten, ein richtiger Dorfkrug, den wir ansteuern könnten“, sagt Anne Rademacher.
Nach kurzem Nachdenken fallen den Kirchhellenern viele gastliche Orte ein, die es einmal gab
„In Kirchhellen-Mitte gibt es fast gar nichts mehr, man kann ja nicht immer nur Eis essen oder italienisch speisen bei „Fratelli“, auch wenn die Küche da gut ist“, findet Franz Rademacher. Was er im Sinn hat, wird sofort klar. „Das Brauhaus mit Terrasse und Biergarten fehlt einfach.“ Und dann sprudelt es aus beiden förmlich heraus. Dickmann-Kessler, Schulte-Wieschen: „Da steht jetzt sogar eine Erinnerungstafel an die legendäre Gastwirtschaft mit Garten, da war immer was los, man traf das halbe Dorf, entweder zum Klönen oder bei Feiern.“
„In der Bräuke, Kämpe oder weiter unten in Grafenwald, da war Peters Einkehr, Haus Buschler, Wirtschaft Queling und dann natürlich der Schwarze und der Weiße Igel, der war an der Utschlagstraße. Als wir vor einiger Zeit zurückkamen, wussten wir natürlich, dass sich etwas geändert hat, aber gerade in der Gastwirtschafts- und Gartenlokalszene: Das hat uns umgehauen“, sagt Franz Rademacher.
Klar, die alten, guten Adressen wie Berger in Feldhausen mit dem wunderbaren Garten, aber auch Beisenbusch, Op de Schmudde, die gebe es ja immer noch. „Aber zum Beispiel bei Fockenbergs „Op de Schmudde“, da schmeckts, aber da gucken sie ja nur noch auf Häuser, die Dorfheide ist ja praktisch weg, über die konnte man blicken, mit dem Kirchturm als Orientierung“. Man spürt, dass Anne Rademacher mal Gruppen geführt hat, das Erzählen liegt ihr.
Das Brauhaus ohne Tagesgeschäft: Ein Verlust für Kirchhellens Gastronomie
Eine wahre Fundgrube für Orts- und Kneipenhistoriker hat Jan Marien für den Heimatverein erschlossen. Darin hat er 2020 über 70 Gasthäuser und Kneipen zusammengetragen, von denen nicht weniger als 50 gleichzeitig existiert haben. Offensichtlich gab es früher mehr Menschen vom Schlag der Rademachers, die einen Gasthof immer auch als sozialen Ort und Treffpunkt geschätzt haben. Dass es einen Bedarf gibt, das hat nicht zuletzt die „Kirchhellener Kneipentour“ beweisen, die mit vielen Interessenten im Sommer vor zwei Jahren Premiere hatte.
Den aus ihrer Sicht größten Verlust für Kirchhellen-Mitte bedeutet aber der Rückzug des Brauhauses am Ring aus dem Tagesgeschäft. Das sei doch eigentlich vor vielen Jahren als geselliger Ort für individuelle Gäste, aber natürlich auch für Feiern und Veranstaltungen ins Leben gerufen worden, erinnert sich Franz Rademacher. Die Eheleute haben nicht nur regelmäßig dort Feiern oder Auftritte besucht. Sie waren immer gern und regelmäßig zu Gast im Biergarten, auf der Terrasse und lassen bis heute nichts auf die Küche kommen. „Leider ist das Brauhaus inzwischen nur noch für Gruppen oder Veranstaltungen nach Voranmeldung geöffnet, ein echter Verlust“, betont Anne Rademacher.
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Das Ehepaar erinnert sich, dass gerade das Brauhaus mit viel Rückenwind aus der Kirchhellener Bürgerschaft als umgebauter Ersatz für die Bernd-Schnock-Halle und – unausgesprochen – auch für die nicht mehr vorhandenen Säle und den Biergarten von Schulte-Wieschen gedacht war.
„Und jetzt hat noch Forsthaus Specht zu, eine Wiedereröffnung dort im ähnlichen Stil wäre ein ganz tolle Nachricht, auch wenn das Forsthaus bekanntermaßen schon in Alt-Bottrop liegt, so gerade eben.“ Aber Rademachers geben die Hoffnung nicht auf, dass auch das von ihnen vermisste Segment im Gastrobereich in Kirchhellen und näherer Umgebung vielleicht doch noch Zuwachs bekommt. Schön wär‘s ja.