Bottrop. Seit über 200 Jahren kocht (und backt) die Familie im Gasthof Berger. Chef Stefan Bertelwick stellt in der WAZ nun sein „Tetaeder“-Menü vor.

„Ich hab’ da mal was vorbereitet...“: In TV-Koch-Shows steht dann zum Beispiel das geputzte Gemüse vor entgrätetem Fisch oder vorgekochter Brühe auf der Arbeitsfläche. Stefan Bertelwick präsentiert dagegen direkt die komplette Vorspeise seines „Tetraeder“-Menüs, einschließlich der minutiös hingetupften Deko aus der berühmten Mandel-Aioli oder einem adretten Spierchen vom Olivenkraut das zwischen Riesengarnele und Doradenfilet hervorlugt.

Traditionelles auch mal anders denken und kochen

Das Ganze schwebt auf einem Türmchen von Honigfenchel, das wie eine kleine warme Insel aus einer kühlen aber keineswegs wässerig-dünnen Gazpacho herausragt. Voilà: der erste Gang. „Meine Interpretation der berühmten spanischen Sommersuppe, in der ich nun heiß auf kalt treffen lasse.“ Und das Olivenkraut macht seinem Namen Ehre und duftet wie eingelegte schwarze Oliven, obwohl es mit Oliven so wenig zu tun hat, wie Bohnenkraut mit Bohnen.

Hinter der münsterländischen Klinkerfassade von Berger wird nicht nur gut gespeist, es wartet im Sommer auch ein prächtiger Garten auf die Gäste.
Hinter der münsterländischen Klinkerfassade von Berger wird nicht nur gut gespeist, es wartet im Sommer auch ein prächtiger Garten auf die Gäste. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Eine von Bertelwicks Sommerkreationen, die auch für den Stil des Kochs steht: Traditionelles - egal ober aus Westfalen oder wie jetzt dem Mittelmeerraum - anders gedacht oder mit einem kleinen Hauch Luxus versehen. gäbe es die Freizeitparks nicht, wäre es sicherlich Gasthof Berger, der für das höchste Verkehrsaufkommen in Feldhausen sorgte. So müssen sich die Gäste allerdings häufig auf etwas gefasst machen, was für Anwohner noch schwerer zu ertragen ist: Stau, zum Teil bis zurück auch die A31 und zurück: kein Rauskommen aus Feldhausen-Mitte, wenn sich nach vielen Minuten Wartezeit nicht doch ein Verkehrsordner erbarmt und eine Ausfahrtlücke in die ohnehin stehende Autoschlange erzwingt.

Schmuckstück: der Garten für die Gäste

Bei Berger ist alles vergessen - zumal, wer im Sommer einen Platz im großen Garten ergattert. Selbst Corona scheint nicht mehr so böse drohend, obwohl das penibel ausgeklügelte Sicherheitskonzept (selten sieht man so viele Desinfektionsmöglichkeiten in einer Gastronomie) streng beachtet wird. „Alles andere wäre ja auch fatal“, sagt Volker Rütter, während er einen coronagerechten Sitzplan aufmalt. Er ist der Konditor des Hauses, das seit Jahrzehnten für seine Kuchen, Torten und auch Stuten über die Stadtgrenzen hinaus berühmt ist. Seit drei Jahren ist er neben Stefan Bertelwick Mitinhaber des Traditionshauses und neben geschäftlichen auch für Personalangelegenheiten zuständig.

Der alte Gasthof Berger in den 1920er Jahren.
Der alte Gasthof Berger in den 1920er Jahren. © WAZ FotoPool | Franz Meinert

Inzwischen ist auch der Kuchenverkauf an eine neue Stelle vorn an der Straße gerückt. Die Backstube hinter dem Wintergarten des Café-Restaurants, wie sich Berger immer noch sieht, wurde einfach zu eng für den Publikumsverkehr. Den Grundstein für den legendären Berger-Kuchen legte Stefan Bertelwicks Vater Theo.

Wurzeln liegen in der Backstube

„Er war Konditor, der mit meiner Mutter, einer geborenen Berger, eigentlich in Dorsten aus einem Tante-Emma-Laden eine Backstube machen wollte“, erzählt der Sohn. Er sei öfter bei Onkel Paul Berger in Feldhausen gewesen, um zu helfen. „Und irgendwann blieb er ganz da.“ Bis heute. Denn Vater Theo lässt sich immer noch regelmäßig blicken und schaut, ob es den Gästen - nicht nur dem Stammpublikum - gefällt.

Mittlerweile legendär: Bergers „Beipackzettel“ mit dem täglich wechselnden Angebot.
Mittlerweile legendär: Bergers „Beipackzettel“ mit dem täglich wechselnden Angebot. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

In der Backstube liegen auch die Wurzeln für die Karriere des amtierenden Küchenchefs. Als Schüler half er dort schon aus. Und irgendwann war klar: „Ich mache eine Ausbildung zum Koch“, erzählt der heute 45-Jährige zweifache Vater. Im alten „Steigenberger“ in Duisburg.

Frühstück für „Schimmi“ in Duisburg

Heute gibt es Traditionshotel in der Form und mit diesem Namen nicht mehr. Stefan Bertelwick begegnet da Film- oder Show-Größen der 80er, 90er Jahre. Ich machte Frühstück für Götz George, als die Schimmi-Krimis weiter gedreht wurden, Thomas Gottschalk war Gast. „David Hasselhoff joggte einmal durch die Küche, weil vorne zuviel Groupies waren. Unser Dialog: „Hi Guy - Hi David - und dann war er erstmal raus“, erinnert sich Bertelwick. Schloss Hugenporth in Essen („Das hatten die Spice-Girls einmal fast komplett belegt“) oder Landhaus Eggert in Münster waren weitere Stationen.

Aber Berger ist seine persönlich Geschichte. Und die ist sicher noch lange nicht zu Ende erzählt. Als Frische- und Qualitätsfanatiker bezeichnen wir ihn. Für ihn heißt das: Achten auf das, was gerade auf dem Markt ist, sich mit den vielen Qualitäts-, Tierwohl und Ökozertifikaten auskennen. In den späten 90er Jahren lernt er die spanische und katalanische Küche bei längeren Aufenthalten dort kennen. Einflüsse, die Bertelwicks Speisekarte bis heute prägen - auch den „Beipackzettel“, die ständig wechselnde Tageskarte.

Ein Dankeschön an alle Gäste

Längst muss er nicht mehr „alles“ machen. „Wir arbeiten als ein Team von sechs Köchen“, sagt der offizielle Chef. Vielleicht ist man entspannter, wenn man auf eine über 200-jährige Gastro-Tradition zurückschauen kann. „Ich bin die 6. Generation der Berger-Familie, die dieses Gasthaus hier betreibt.“ Sicher hat das Haus Kriege und die unterschiedlichsten Staatsformen erlebt, aber so etwas wie Corona und monatelanger Schließung wohl noch nie.

Der „Kulinarische Tetraeder“ soll daher auch so etwas wie ein Dankeschön an alle Gäste sein. „Vor allem aber auch an die, die immer treu sind und in den letzten Monaten sogar besorgt anriefen oder Post schickten“, sagt der Chef vom Gasthof Berger. Für ihn ist die Aktion aber eine eigene Bottroper Antwort auf die „Menü-Karussells“ der Region - an denen er aber auch Jahr für Jahr erfolgreicher teilnahm.

Das „Tetraeder“-Menü von Stefan Bertelwick

Entree - „Parpika, Fenchel & Meer“: Gazpacho mit geschmortem Honigfenchel, Doradenfilet & Riesengarnele; Olivenbrot-Chip & Berger’s Mandel-Aioli

Hauptgang - „Pilze, Wald & Weide“: Saltimbocca von Kalbsfilet auf gebratener Pfifferlings-Polenta mit Pfirsich-Relish, Spitzkohl & Trüffelreduktion

Dessert - „Bunter Beerenkorb“: Black Hugo, Himbeere & weiße Schokolade

Einzelpreis: 38 Euro. Oder im „Dreierpack“ mit dem Menü von zwei der anderen der fünf „Tetraeder“-Lokale nach Wahl: 99 Euro. Der Vorverkauf beginnt am 3. August in allen teilnehmenden Restaurants (Ruhetage beachten). Info: gasthof-berger.de