Bottrop. In dieser Serie stellen bekanntere und unbekanntere Menschen aus Bottrop ihren Lieblingsort vor. Heute: Musiker und Bandleader Many Miketta.
Als Many Miketta (Jahrgang 1957) im Süden der Stadt aufwächst, ist Bottrop noch pulsierendes Zechenland. Aber Batenbrock, genauer gesagt die weite Umgebung des heutigen Volksparks zwischen Horster Straße, Ostring und Beckstraße, ist damals auch Bauernland. An die Halde an der Beckstraße, geschweige denn an den Tetraeder, ist in den 60er und 70er Jahren noch längst nicht zu denken.
Manys langjähriger Lieblingsort wächst gewissermaßen mit ihm. Als er längst erwachsen ist, Musik studiert, Auftritte absolviert, wächst die Halde immer noch. „Irgendwann, ich glaube so in den 80ern, ist auch die fertig. Das heißt ungefähr 70 Meter hoch, fürs flache Bottrop schon ein echter Quantensprung.“ Und dann hat er die Aussicht entdeckt. Vor allem in der Dämmerung. Rote Sonne hinter Bottrop, also eher noch: hinter Oberhausen. Weitblick muss sein. „Der war in den 80ern und 90er sogar noch besser, sogar beim Aufstieg über die Serpentinen, heute wachsen die Halden ja immer mehr zu“, sagt der Musiker.
Heimatgefühl und Kindheitserinnerungen an das alte Batenbrock gehören zusammen
Lieblingsorte haben ja oft etwas mit Liebe zur Heimat zu tun. Erinnerungen an eine tatsächlich oder vermeintlich unbeschwerte Kindheit. So wie hier, zwischen den Zechen Arenberg Fortsetzung, Prosper II bis IV, Kokereien, offenen Abwasserkanälen, aber auch intakten Bauernhöfen, Kuh- und Schafherden, Schrebergärten: „Als Junge hab ich bei einem Bauern Kartoffeln ausgemacht, das war fast um die Ecke von meinem Elternhaus an der Hasenhegge, zum Milchholen ging es abends zum nächsten Hof, etwas weiter Richtung Beckstraße“, erinnert sich der bekannte Bassist und Bandleader.
„Zu Anfang wohnten wir noch in einem Knusperhäuschen auf einer Wiese, dann, Ende der 50er Jahre, konnten meine Eltern über die Zeche eins der neuen Häuser an der Hasenhegge bekommen, mein Vater war ja beim Bergbau, der hat alle Prosperzechen durchgemacht, bis auf Prosper I.“ Und dann wird in der Nachbarschaft alles noch spannender. „Mit dem Bau der neuen Siedlung am Timpenkotten hatten wir noch mehr Spielmöglichkeiten, in den Baugruben, auf den Baggern, ich rieche bis heute die Mischung aus Erde und Maschinenöl. Wir waren im Grunde nach der Schule bis abends draußen.“ Heute fast unvorstellbar.
Bisher erschienene Lieblingsorte:
Tibor Meingast: Die Halde Haniel
Nito Torres: Der Volkspark Batenbrock
Antje Herbst: Die Lebendige Bibliothek
Alex und Piet vom Bottcast: Die Gladbecker Straße
Stefan Bertelwick:Schimmels Ruh’
Heike Biskup:Die Herzogsbuche
Lange bevor Many Miketta für viele Jahre unverzichtbarer Bestandteil der legendären „Missfits“-Auftritte wird, dem Ebertbad musikalisch auf die Sprünge hilft oder mit der Late-Night-Band „Pottboys“ u.a. Benjamin Eisenbergs Shows unverwechselbaren Sound verleiht, macht er mit seinen Kumpels die Gegend unsicher. Mit Mädchen spielen die Jungs damals noch nicht, zumindest nicht auf der Zechenbahn oder den Baumaschinen der späteren Zechensiedlung Timpenkotten. Damals erlebt Many Miketta aber auch, wie sich Batenbrock Stück für Stück verändert.
Statt der Bauernhöfe gibt es dort nun den Volkspark und noch mehr Wohnsiedlungen. Mit den Zechen verschwinden auch die Zechenbahnen, die früher streng gesicherten Gelände öffnen sich („Aber als Jungs wussten wir, wie man da trotzdem rein kommen konnte.“). Nur die alten Wasserläufe bleiben noch lange riech- und sichtbar schmutzig. Das ändert sich erst mit der Renaturierung der Emscher und deren Nebenflüssen.
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Inzwischen sind die Abraumhalden offiziell Naherholungsorte, Nischen für Pflanzen und Tiere, einige sogar Kulturorte. Als Musikschuldozent, unter anderem auch für Ensemble-Leitung, bringt Many Miketta sogar mitten im Winter einmal eine Band auf die Tetraeder-Halde. „Das war schon irre, fast surreal.“
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Zu der Zeit ist der neue Berg an der Beckstraße bereits Lieblingsort. „Früher bin ich meist raufgejoggt, heute gehts eher gemütlicher hoch, dafür aber manchmal auch mit Nito Torres, dessen Hund – die wohnen ja in meinem Elternhaus – und ‘nem Sixpack.“ Es gibt aber auch Fotos von ihm und Ehefrau Ruth unterm Tetraeder im Gegenlicht oder vor romantischem Sonnenuntergang.
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Aber: „Es ist eindeutig mein Lieblingsort. Meine Frau hat – mindestens – einen anderen, obwohl sie auch die Halde mag“, plaudert der Bassist. „Aber den muss sie irgendwann vielleicht selbst verraten.“ Höhe oder Weite sind für Lieblingsorte bei Many Miketta ein Muss, die Halde bietet da beides. Auch im jetzigen Familiendomizil in Vonderort ist das gegeben. Nur: „Da schau ich von der Anhöhe nach Süden, auf die Skyline von Essen, na, auch ganz schön“, gibt der Ur-Bottroper doch noch zu.
Die Serie – Die Teilnehmenden
In der Serie „Mein Lieblingsort“ stellt die WAZ in lockerer Folge Orte vor, zu denen bekanntere und unbekanntere Ur- und Wahl-Bottroperinnen und Bottroper eine besondere Beziehung haben oder die sie einfach schön, spannend oder für sich wichtig und besonders empfinden.
Many Miketta wurde 1957 in Bottrop geboren und wuchs in Batenbrock auf. Ab 1984 arbeite er als freiberuflicher Musiker, studierte zunächst Architektur, später Musik im niederländischen Arnheim und lehrt seit 1990 an der Bottroper Musikschule.
Viele Jahre war er musikalischer Leiter des Kabarett-Duos „Missfits“, verantwortet zahlreiche Musikproduktionen im Oberhausener Ebertbad, arbeitete für und mit Herbert Knebel und tourte sogar mit Schlagerstar Roberto Blanco. Hier ist er bekannt u.a. durch die „Pottboys“, die Jazz-Formation um Roland Miosga oder Auftritte mit dem Kabarettisten Nito Torres.