Bottrop. 1973 wird Bottrops Süden verkehrstechnisch umgekrempelt. Mit Südring, Essener Straße und Umgebung entstehen große Autoschneisen und neue Brücken.
Das große Verkehrs- und Infrastrukturprojekt im Süden der Stadt war vor 50 Jahren der Ausbau von Südring, Essener- und Friedrich-Ebert-Straße. Damals entsteht das, was heute als autogerechte Stadt zumeist kritisch betrachtet wird. Im Grunde geht es bei dem Ausbau auch nicht nur um die genannten Verkehrsadern.
Vielmehr haben die Planer damals die Umgebung großflächig im Blick: von Ebel über die Emscher, unter der neuen Autobahn 42 und der alten Bahnlinie her, Anbindung an die neu entstehenden Gewerbegebiete und nicht zuletzt die Tangente Südring/ Westring, die sich bis heute vierspurig, mit Parkstreifen sechsspurig, durch ehemaliges Bauernland und Wohnsiedlungen zieht.
Für Anwohner bedeuten die Arbeiten einen jahrelangen Albtraum
Für die Anwohner ein jahrelanger Albtraum: Verstopfte Straßen, ständiger Baulärm, Grundstücke werden verschoben, sogar komplette Straßenabschnitte verlegt, wie zum Beispiel die Einmündung Lehmkuhler Straße um 50 Meter. Den alten Südring, der heute noch offiziell so heißt, kennt kaum noch jemand. Der ist ja ab 1973 auch „dicht“, wie die WAZ damals schrieb. Die neue Strecke ist da zwar noch nicht ganz fertig, wird aber bereits genutzt.
So entsteht dort auch ein eigentümlicher Mix aus alt und neu, bis hin zum alten Hauptbahnhof, dem „Knusperhäuschen“mit seinen Fachwerkelementen, das an vieles denken lässt, nur nicht an den Hauptbahnhof einer Großstadt. Auch die Armeler Straße hat noch lange bis zur Essener Straße eine eher ländliche Anmutung. Mit dem späteren Bau des Südring-Centers, dem unter anderem auch das Vorkriegshaus der alten Bäckerei Grote weichen muss, entsteht dort eine weitere große Kreuzungsanlage.
Einen Abschluss fand die Neuentwicklung des gesamten Gebietes mit eben diesem Einkaufszentrum, dem Bau eines neuen Hauptbahnhofs, dessen Verlegung in die eigentliche Innenstadt seither Wunschdenken bleiben sollte. Dafür weicht das frühere Nadelöhr, die alte Eisenbahnunterführung, die vor allem Richtung Essen stets Staus verursachte, der heutigen Brückenanlage. Die Essener Straße bekommt 1973 nicht nur einen neuen Belag, der das historische Kopfsteinpflaster ablöst, sondern auch je eine Fahrspur mehr.
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Am Südring tut sich aber weitaus mehr, als nur der damals vollkommen normale und fast unwidersprochene hingenommene Bau einer neuen Autotrasse. Zwischen 1973 und 1992 sichert der Gründer des heutigen Museums für Ur- und Ortsgeschichte, Arno Heinrich, in Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Museum für Archäologie mit den legendären Ausgrabungen am Südring weit über 300 Knochen- und Urnengräber. Die stammten aus einer Epoche, als es Bottrop noch gar nicht gab: der Stein- und Bronzezeit. Heute liegen die Resultate der Grabungen im Depot des Museums für Ur- und Ortsgeschichte.
Die Bauarbeiten am Südring haben die ersten Urnen-Funde des späten 19. Jahrhunderts beim Anlegen des Westfriedhofs und von 1936 in der Sandgrube Birkenfeld wieder in Erinnerung gerufen. Und Arno Heinrichs Engagement – er konnte manche durchaus „nerven“ – war es zu verdanken, dass auf dem Areal wieder gegraben und gesichert wurde. An die ländlich-katholisch geprägte Vergangenheit zwischen Westring, Südring und Essener Straße erinnern bis heute einige Wegekreuze, die auch jetzt noch immer wieder erneuert werden. Nur die Barbarakirche als Landmarke ist mittlerweile abgerissen.
Die großen Verkehrsprojekte der 60er und 70er Jahre
Der Umbau des Bottroper Südens zur autogerechten Stadt zwischen Ebel und Stadtmitte war sicher eines der großen Infrastrukturprojekte der 60er und 70er Jahre und lag damals ganz im Trend der Zeit.
Die historische Bausubstanz hatte man eher weniger im Blick. Die Reste der Knippenburg wurden 1962, die letzten Gebäude des uralten Armeler Hofes 1974 abgerissen.
Fertig wurde das gesamte Südring-Projekt erst mit dem Neubau des Hauptbahnhofs und der Eröffnung des Südring-Centers 2005.
Weitere große Straßenerweiterungen der Zeit waren weiter nördlich der Ausbau der Friedrich-Ebert-, Hans-Sachs- und der Kirchhellener Straße. Ebenfalls eine Riesenbaustelle war der Ausbau der B 224 zwischen Essen und Gladbeck – der Braukstraße auf Bottroper Stadtgebiet.