Bottrop. In dieser Serie stellen bekanntere und unbekanntere Menschen aus Bottrop ihren Lieblingsort vor. Heute: Stadtarchivarin Heike Biskup.

Im Wald voller Buchen fällt doch die eine auf: die Herzogsbuche. Eigentlich sind es zwei Bäume, deren Stämme vor vielen Jahrzehnten zusammengewachsen sind und lange auch eine gemeinsame Krone bildeten. Was könnte ein sprechenderer, symbolträchtigerer Ort für romantische Treffen im Wald sein? Daher heißt der Baum im Volksmund zuweilen auch Liebesbuche.

Heike Biskup kennt diesen Ort seit ihrer Kindheit. Noch bevor sie an zweisame Verabredungen überhaupt dachte, ist dieser Ort der Archivarin der Stadt Bottrop vertraut. Ein Lieblingsort? „Auf jeden Fall! Als Kind war ich unzählige Male mit meinem Opa hier, der liebte den Wald, nicht nur den Köllnischen Wald. Das lag vielleicht daran, dass er als Schießmeister auf den Prosper Zechen möglichst viel seiner Freizeit in frischer Luft verbringen wollte.“

Schon der Weg durch diesen kühlen Wald ist das Ziel

Heute radelt die Bottroperin am liebsten dorthin. Es klingt vielleicht banal: „Aber ja, auch der Weg ist das Ziel, denn der führt unter hohen Wipfeln der uralten Bäume, wie eine grüne Halle, zur Doppelbuche. Selbst bei Sommerhitze ist es hier immer noch ein paar Grad kühler, spätestens, wenn man den Mauskirchweg verlassen hat, der neben dem Seniorenheim St. Teresa entlang führt“, weiß die passionierte Radlerin.

Bisher erschienene Lieblingsorte:

Tibor Meingast: Die Halde Haniel

Nito Torres: Der Volkspark Batenbrock

Antje Herbst: Die Lebendige Bibliothek

Alex und Piet vom Bottcast: Die Gladbecker Straße

Stefan Bertelwick:Schimmels Ruh’

Mauskirchweg? Wer, wenn nicht die Stadtarchivarin kann den eigentümlichen Namen des Waldwegs erklären, der sogar in Straßenkarten verzeichnet ist. „Als am Bischofssondern noch ein Forsthaus stand und der große Wald noch dem Herzog von Arenberg gehörte, gab es eine Försterfamilie Maus. Die muss auf diesem Weg, der ja in die Plaggenbahn übergeht und bis in die Stadt hineinführt, zur Cyriakuskirche gegangen sein, irgendwann wurde diese wohl zunächst umgangssprachliche Bezeichnung dann offiziell eingeführt“, weiß Heike Biskup.

Die Fahrt mit dem Rad zum Lieblingsort, der historischen Herzogsbuche, im Köllnischen Wald ist schon erholsam. Selbst bei großer Sommerhitze ist es in dem uralten, naturnah erhaltenen Wald noch angenehm kühl.
Die Fahrt mit dem Rad zum Lieblingsort, der historischen Herzogsbuche, im Köllnischen Wald ist schon erholsam. Selbst bei großer Sommerhitze ist es in dem uralten, naturnah erhaltenen Wald noch angenehm kühl. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Mit ihrem Rad schlägt sie aber die entgegengesetzte Richtung ein. Nach einigen Hundert Metern ist das Grundrauschen der A2 nicht mehr zu überhören. Trotzdem präsentiert sich der Wald als Idyll. Seit 1927 ist er für alle öffentlich zugänglich. Damals habe die Stadt den großen Grünzug dem Herzog abgekauft. Der Köllnische Wald ist übrigens einer der alten Buchenwälder der Region mit historischem Baumbestand, der kaum wirtschaftlich genutzt wurde. Das rund 200 Hektar große Areal steht seit 1988 unter Naturschutz.

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Also auch die Herzogsbuche. Leider wurde vor über zehn Jahre die Krone gekappt. Der Baum sei krank gewesen und wurde danach sich selbst überlassen. Der große Hauptstamm ragt sichtbar nur noch als Torso zwischen seither neugebildeten Ästen und Blattwerk in die Luft. Unten sind beide Stämme übersät mit offensichtlich alten Markierungen. Zumeist Initialen, Jahreszahlen und nicht zuletzt Herzen. In etwa drei Metern Höhe zeigt Heike Biskup auf ein Herz mit den Buchstaben G. B. „Damit könnte tatsächlich meine Oma gemeint sein, Gerda Biskup“, lacht die Archivarin. „Sie stammte von der nahen Steinbrinkstraße und ist bestimmt schon mit meinem Opa hier gewesen. Und früher hat man ja noch unbekümmert in Bäume geritzt, vielleicht auch mein Großvater, wer weiß...“.

Das erste bekannte Foto der alten Herzogsbuche stammt vom Bottroper Fotografen Georg Lücker (1929). Schon damals nannte man den Baum Herzogsbuche, wie das Schild hinter der Umzäunung erkennen lässt.
Das erste bekannte Foto der alten Herzogsbuche stammt vom Bottroper Fotografen Georg Lücker (1929). Schon damals nannte man den Baum Herzogsbuche, wie das Schild hinter der Umzäunung erkennen lässt. © Stadtarchiv | Georg Lücker

Die Bank unter der Doppelbuche lädt auf jeden Fall zum Träumen ein – wenn es nicht gerade zu voll ist im Wald. „Manchmal stellt man sich auch einfach solche Geschichten vor, die Menschen hier früher erlebt haben könnten, die sich hier trafen oder einfach ihre Ruhe haben wollten.“ Bekannt sei der Ort immer schon gewesen. 1929 fotografierte Georg Lücker die Buche. Das Bild fand sogar Eingang in den bekannten Bottroper Bildband. Damals war die Buche noch umzäunt und mit einem Hinweisschild versehen. Ein weiteres, stimmungsvolleres Bild stammt vom Bottroper Chronisten und Zeitungsfotografen E.-G. Schweizer. Auf dem Foto von 1960 lehnt ein junger Mann mit Sakko am Baum, den Blick verträumt nach oben.

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Heike Biskup kennt diese Bilder natürlich. Aber auch die alten Karten von Bottrop. „Schon 1930 ist die Herzogsbuche im Stadtplan verzeichnet, es muss also ein wichtiger Ort oder damals schon ein Naturdenkmal gewesen sein.“ Das alles wusste sie als Kind natürlich nicht. Geblieben sind aber die Erinnerungen an die Kindheit und Ausflüge in diesen bis heute romantischen Wald – ein echter Lieblingsort eben.

Die Serie – die Teilnehmenden

In der Serie „Mein Lieblingsort“ stellt die WAZ in lockerer Folge Orte vor, zu denen bekanntere und unbekanntere Ur- und Wahl-Bottroperinnen und Bottroper eine besondere Beziehung haben oder die sie einfach schön, spannend oder für sich wichtig und besonders empfinden.

Heike Biskup wurde 1963 in Bottrop geboren. Nach Abitur und Studium arbeitet sie schon früh im Stadtarchiv, dessen Leitung sie später von ihrem Vorgänger Dr. Manfred Lück übernimmt.

Die Bottroperin, die sich ebenfalls in der Deutsch-Französischen Gesellschaft und im Förderverein der Kulturkirche Heilig Kreuz im Vorstand engagiert, kennt die Stadtgeschichte wie die sprichwörtliche Westentasche. Regelmäßig organisiert sie Ausstellungen zur Stadthistorie im Kulturzentrum.