Berlin. Während beim gescheiterten Versuch 2005 Union und FDP die Gesellschaft in Teilen verändern wollten, dürfte es diesmal sehr viel bescheidener zugehen. Die neoliberale Wende wird nicht kommen.

Schwarz-Gelb 2009: Das ist eine Koalition. Aber kein „Projekt“. Wie anders 1982. Der Wechsel hatte sogar einen Namen: „Die Wende“, lautete die Überschrift. Und selbstredend war dies ein gesellschaftspolitisches Projekt, aus Unionssicht formuliert: die „geistig-moralische Wende“. Und 16 Jahre später folgte das rot-grüne „Projekt“.

Wenig Aufbruchhaftes

Verglichen mit 1982 und 1998 haftet dem Bündniswechsel 2009 nur wenig Aufbruchhaftes an. Schuld daran ist die Lage und ihr Ernst: Deutschlands Überschuldung, die noch nicht bewältigte Wirtschaftskrise, ein Winter des Missvergnügens, der sich nicht nur in den Außentemperaturen bereits ankündigt, sondern auch in der Angst vor der Entwicklung am Arbeitsmarkt. Schuld daran ist aber auch das Spitzenpersonal: Angela Merkel, nicht nur Präsidialkanzlerin, sondern auch die personifizierte Normalität.

Schwarz-Gelb 2009 – das hat etwas von: Spät dran. Schwarz-Gelb 2005: Das wäre wirklich ein „Projekt“ gewesen. Eines, mit dem alle gerechnet hatten, vor allem die Journalisten. Verkörpert durch einen schwarz-gelben Bundespräsidenten mit neoliberaler Biographie: Horst Köhler. Und mit einer Angela Merkel als Kanzlerin, die sich selbst und ihre CDU wirtschaftsliberal aufgestellt hatte. Eine Union, die auf ihrem Leipziger Parteitag die Agenda-Politik des Kanzlers Gerhard Schröder nicht nur fortgeschrieben, sondern im Nachhinein ideologisch fundiert und für die Konservativen vereinnahmt hatte.

Union hat sich sozialdemokratisiert

Aus, vorbei, vergessen: Innerhalb der vergangenen vier Jahre hat die Union die Wende vollzogen: Hin zum Rheinischen Kapitalismus. Jener Wirtschaftsverfassung, die für die Beschaulichkeit und Übersichtlichkeit vor Einsetzen der Turbo-Globalisierung stand. Und für einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Sozialstaatlichkeit. Guido Westerwelle hat Recht: Die Union hat sich in den vergangenen vier Jahren sozialdemokratisiert.

Dass sie sich 2009 quasi re-liberalisiert, damit ist nicht zu rechnen. Der Einfluss, den die SPD in den vergangenen Jahren auf die Union hatte, war mit hoher Wahrscheinlichkeit größer als jener, den die Liberalen in den nächsten vier Jahren auf die Union haben werden. Das liegt nicht nur am Personal, nicht nur am christsozialen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und dem Sozialchristen Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen. Diese beiden verkörpern ein starkes Stück Geschichte der CDU. Rüttgers Vor-Vor-Vorgänger, Karl Arnold, wollte schon Ende der vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Nordrhein-Westfalen zum sozialen Gewissen der Republik machen.

Und dort, wo in den Bundesländern Schwarze und Gelbe regieren, ist auch nicht gerade der Manchester-Liberalismus ausgebrochen. Nicht in Hessen, nicht in Niedersachsen, nicht in Bayern, und schon gar nicht in Nordrhein-Westfalen. Dort wird nicht liberal „durchregiert“. Und es ist auch nicht zu erwarten, dass die Merkel-Westerwelle-Koalition jetzt die neoliberale Wende ausruft.

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