Bonn. Zwischen FDP und Union ist eine Debatte über den Kündigungsschutz entbrannt. Doch die FDP-Pläne sind substanzlos, sagt Arbeitsmarktexperte Hilmar Schneider. Viele Neueinsteiger würden ohnehin nur befristet eingestellt. Dennoch sei ein schwacher Kündigungsschutz grundsätzlich gerechter.
Ein schwacher Kündigungsschutz führt zu mehr Neueinstellungen, sagt die FDP. Hat sie recht?
Hilmar Schneider: Grundsätzlich ja. Wenn der Kündigungsschutz gelockert wird, sinkt für die Unternehmen das Risiko einer Fehlentscheidung und damit steigt auch die Bereitschaft, dieses Risiko einzugehen. Doch das Ganze hat auch eine Kehrseite. Wenn der Kündigungsschutz lockerer ist, nehmen auch die Entlassungen zu. Und durch die Zahl der Entlassungen wird die Zahl der Neueinstellungen mehr oder weniger neutralisiert. Der Beschäftigungseffekt ist somit gleich Null. Das belegen die Erfahrungen in Ländern, die einen schwächeren Kündigungsschutz haben als Deutschland.
Kritiker behaupten jedoch auch, dass der Kündigungsschutz ungerecht sei. Er stärke diejenigen, die bereits einen Arbeitsplatz haben und benachteilige die Arbeitslosen.
Schneider: Ein lockerer Kündigungsschutz ist in der Tat gerechter. Denn er erhöht die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Arbeitslosigkeit kann einen dadurch leichter treffen. Aber die Last ist erträglich, weil man in der Regel nicht so lange arbeitslos bleibt. Wo der Kündigungsschutz dagegen höher ist, sind zwar weniger Menschen arbeitslos. Aber diejenigen, die es trifft, müssen eine relativ große Last tragen. Das bedeutet, dass ein schwacher Kündigungsschutz die Last der Arbeitslosigkeit gleichmäßiger verteilt.
Die FDP will den Kündigungsschutz nur für Neueinsteiger lockern. Wird der Kündigungsschutz in der heutigen Zeit da nicht ohnehin schon häufig durch befristete Arbeitsverträge aufgeweicht?
Schneider: Das stimmt. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag der FDP auch weitaus weniger radikal, als er klingt. Im Grunde ist er sogar substanzlos. Denn das Konzept sieht ja vor, dass der Kündigungsschutz bei Neueinstellungen erst nach zwei Jahren greifen soll. Und das auch nur bei Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern. Das ist im Grunde nur eine Ausweitung der Probezeit, die von sechs auf 24 Monate erhöht würde. Fakt ist jedoch, dass viele Unternehmen schon heute ihre Mitarbeiter erst einmal nur befristet einstellen und damit quasi die Probezeit deutlich verlängern.
Nichtsdestotrotz sind die Gewerkschaften schon jetzt in Alarmbereitschaft. Was würde passieren, wenn sich die FDP durchsetzt?
Schneider: Die Signalwirkung wäre zweifelsohne ungleich höher als die tatsächliche Wirkung. Die empörten Reaktionen, die die FDP-Pläne bereits jetzt ausgelöst haben, stehen in keinem Verhältnis zur Substanz. Die Fronten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften würden sich dennoch weiter verhärten.
Könnte das sogar zu sozialen Unruhen führen, die ohnehin schon prophezeit wurden?
Schneider: Diese Sprengkraft hat das Ganze nicht. Wenn es überhaupt zu sozialen Unruhen kommen sollte, dann eher aufgrund der Folgen der Agenda-2010-Reformen. Und da ist ja sogar die FDP bereit nachzugeben, indem sie ebenfalls für eine Erhöhung des Schonvermögens plädiert. Wenn die Wirtschaftskrise sich ausweitet und es zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen würde, wären möglicherweise relativ viele Menschen in kürzester Zeit auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn diese Menschen ihr Wohneigentum verkaufen oder Lebensversicherungen auflösen müssten, würde das keine Regierung lange durchstehen. Das würde direkt in das Herz der Mittelschicht stoßen. Und die versteht da keinen Spaß.
Welche Mittel wären denn wirksamer, um die Arbeitsmarktsituation in der Krise zu verbessern?
Schneider: Es ist eine Illusion zu glauben, dass man eine Krise diesen Ausmaßes mit politischen Mitteln vollkommen schadlos überstehen kann. Das ist wie eine Naturkatastrophe, da geht einiges zu Bruch. Und insofern muss man erst einmal die Nerven behalten. Denn das was am Arbeitsmarkt bislang durch die Agenda-2010-Reformen erreicht wurde, hat uns schon sehr robust gemacht. Es sind die richtigen Weichen gestellt worden, um die Krise einigermaßen unbeschadet überstehen zu können.