Düsseldorf. Jürgen Rüttgers betrachtet sich als das soziale Gewissen der neuen Bundesregierung. Zusammen mit der CDU-Landesgruppe will er gegen neoliberale Politik - insbesondere von der FDP - ankämpfen. Kürzungen im Kündigungsschutz werde man verhindern. "Da kann sich die FDP auf den Kopf stellen."

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Wenn ab Montag Union und FDP ihren Koalitionsvertrag aushandeln, wird Jürgen Rüttgers ein gewichtiges Wort mitreden - nicht nur als CDU-Vize, sondern auch als Parteichef und Ministerpräsident von Nordrhein-Westalen. Denn am 9. Mai 2010 wird in Düsseldorf ein neuer Landtag gewählt, und eines kann Rüttgers im bevorstehenden Wahlkampf überhaupt nicht gebrauchen: Soziale Einschnitte, vereinbart von der künftigen schwarz-gelben Bundesregierung. So dürfte es der FDP schwer fallen, der Union in Berlin drastische Einschränkungen im Sozialbereich abzuringen - auch angesichts einer auf soziale Balance bedachten Kanzlerin und einer starken CDU-Landesgruppe aus NRW.

Neoliberale Politik im Bund kann NRW-CDU in Bedrängnis bringen

Der FDP als Juniorpartner in der künftigen Bundesregierung und wohl auch Teilen der eigenen Partei hatte Rüttgers schon vor der Bundestagswahl einen bemwerkenswerten Satz ins Stammbuch geschrieben: Er wolle im Fall eines schwarz-gelben Wahlsiegs in Berlin «persönlich darauf achten, dass das Soziale nicht zu kurz kommt», kündigte der NRW-Ministerpräsident an. In der Tat könnten Rüttgers und die Landes-CDU vor der Wahl im schwarz-gelb regierten Nordrhein-Westfalen in eine umkomfortable Lage geraten - wenn nämlich die rot-grüne Opposition in Düsseldorf in den Stand versetzt würde, Schwarz-Gelb im Land mit einer neoliberalen Politik von Schwarz-Gelb im Bund in Bedrängnis zu bringen.

Schließlich arbeitet Rüttgers seit seinem Wahlsieg 2005 daran, sich als sozialer, auf Ausgleich bedachter Landesvater zu präsentieren - ganz in der Nachfolge des früheren NRW-Regierungschefs Johannes Rau. Nicht zufällig verwies Rüttgers seinerzeit nach seinem Wahlerfolg darauf, dass die Arbeitnehmer im bevölkerungsreichsten Bundesland mehrheitlich CDU gewählt hätten. Seine Gegner nennen ihn seither gerne den «selbsternannten Arbeiterführer».

CDU-Landesgruppe aus NRW genauso stark wie CSU

Rüttgers damalige Äußerung geht gut zusammen mit einem Zitat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Bundestagswahl. «Wir sind von allen Bevölkerungsgruppen mit Ausnahme der Arbeitslosen am meisten gewählt worden», hob die Kanzlerin hervor. Kein Zufall auch Merkels indirekter Hinweis an die FDP zu den Kräfteverhältnissen in der neuen Koalition: «Wir werden stärker und mehr Union haben in der neuen Regierung als wir in der anderen hatten.» Mehr Gewicht dürfte im übrigen auch die CDU-Landesgruppe aus Nordrhein-Westfalen im neuen Bundestag auf die Waagschale bringen: Mit 45 Abgeordneten stellen die NRWler nicht nur die stärkste CDU-Landesgruppe, sie liegen nun auch gleichauf mit den Unionskollegen von der CSU.

Schnell hatte Merkel nach der Bundestagswahl klargestellt, welch hohen Stellenwert auch sie der Wahl im 18-Millionen-Einwohner-Land Nordrhein-Westfalen beimisst. In den Parteigremien am Tag nach der Bundestagswahl habe der bevorstehende Urnengang in NRW eine «riesige Rolle gespielt», unterstrich Merkel und fügte hinzu, sie habe Rüttgers «unsere volle Unterstützung» zugesagt.

«Da kann die FDP sich auf den Kopf stellen»

Nachdrücklichen Widerstand gegen Sozialeinschnitte kündigte vor den Berliner Koalitionsverhandlungen auch der Sozialflügel der Union an. CDA-Chef Karl-Josef Laumann (CDU), Arbeits- und Sozialminister im Düsseldorfer Kabinett von Rüttgers, teilte der FDP via «Berliner Zeitung» vom Mittwoch schon einmal mit, in welchen Punkten sie sich nicht durchsetzen werde. Beispielsweise mit der Forderung nach Aufweichungen beim Kündigungsschutz: «Da kann die FDP sich auf den Kopf stellen.» Änderungen bei der betrieblichen Mitbestimmung werde es ebenfalls nicht geben, und in der Gesundheitspolitik werde die Union «sehr darauf achten, dass wir ein gutes solidarisches Gesundheitssystem behalten».

Auch der eigenen Partei gab der CDA-Vorsitzende eine Botschaft für bevorstehende schwarz-gelben Zeiten mit auf den Weg. Der Union komme in der künftigen Bundesregierung die Rolle eines sozialen Korrektivs zu. «Die CDU wird sich stärker für die Arbeitnehmerinteressen engagieren müssen als in den letzten vier Jahren.» (afp)