Berlin. Deutschland wird weiterhin von Angela Merkel regiert werden - allerdings in einer neuen Koalition: Künftig gibt es in Deutschland allen Hochrechnungen nach eine schwarz-gelbe Regierung. Möglich macht das die FDP mit deutlichen Stimmgewinnen. Schon am Montag beginnen die Koalitionsgespräche.
Union und FDP haben die Bundestagswahl für sich entschieden. Laut der dritten ZDF-Hochrechnung (19.32 Uhr) verfügen Union und FDP im neuen Bundestag über eine klare Mehrheit. Trotz Verlusten liegt die Union mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit 33,8 Prozent an der Spitze (2005: 35,2 Prozent). Die FDP kann zulegen und kommt auf 14,6 Prozent (2005: 9,8 Prozent). Damit hätte Schwarz-Gelb eine Mehrheit im 17. Deutschen Bundestag.
Die SPD mit Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier erreicht mit 23,1 Prozent das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik (2005: 34,2 Prozent). Die Linke legt zu und erzielt 12,4 Prozent (2005: 8,7 Prozent), auch die Grünen können sich steigern und kommen auf 10,1 Prozent (2005: 8,1 Prozent).
Merkel will schnelle Koalitionsgespräche
Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte nach dem Sieg für Schwarz-Gelb bei der Bundestagwahl rasche Koalitionsverhandlungen angekündigt. Sie habe schon mit FDP-Chef Guido Westerwelle telefoniert. Am Montag gebe es erste Gespräche, und «wir werden dann auch ganz schnell Nägel mit Köpfen machen», sagte die CDU-Chefin am Sonntagabend. In der ARD sprach die Bundeskanzlerin von «schnellen, sehr entschiedenen Koalitionsverhandlungen» an. Es gehe um Arbeitsplätze, «das wird mein oberstes Ziel sein», sagte sie.
Mit dem Sieg für Schwarz-Gelb sei das Wahlziel der Union erreicht. «Wir haben etwas Tolles geschafft «, rief Merkel am Sonntagabend in Berlin CDU-Anhängern zu. Es sei eine stabile Mehrheit von CDU, CSU und FDP erreicht worden. Im ZDF betonte Merkel, es sei auch deshalb wichtig, dass es eine stabile Mehrheit gebe, da das Land «vor vielen Problemen» stehe. Sie gratuliere auch der FDP zu einem «sehr, sehr guten Ergebnis», sagte die CDU-Chefin. Es sei in Koalitionen so, dass die großen Parteien «eher Federn lassen müssen», erklärte die Kanzlerin die Stimmenverluste.
«Sie sind glücklich, ich bin's heute auch»
Merkel zeigte sich glücklich über den Ausgang der Bundestagswahl: «Sie sind glücklich, ich bin's heute auch!, rief Merkel vor den begeisterten Anhängern in Berlin. Den Menschen im Lande möchte sie sagte: «Ich möchte Bundeskanzlerin aller Deutschen sein, damit es unserem Land bessergeht, und das gerade in einer solchen Krise.» Weiter sagte sie: «Ich glaube, dass wir heute Abend richtig ausgelassen feiern könne.» Dann warte aber schnell wieder Arbeit.
Die CDU halte an ihrem Anspruch einer Volkspartei fest: «Wir wollen Volkspartei bleiben auch im 21. Jahrhundert, daran werden wir weiter arbeiten, für Jüngere, für Ältere. Wir wollen die große Volkspartei der Mitte sein, für Ältere, Junge, Arbeitnehmer genauso wie für Unternehmer.»
Steinmeier räumt Niederlage ein
SPD-Kandidat Steinmeier räumte eine «bittere Niederlage» ein. Zugleich kündigte er an, für den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu kandidieren. Er wolle Verantwortung als Oppositionsführer übernehmen, sagte er in Berlin. Mit Blick auf das Ende der Regierungsbeteiligung der SPD, die seit 2005 in der großen Koalition mit der Union und zuvor in einem rot-grünen Bündnis war, sagte er: «Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass ein Rückmarsch in die 90er Jahre nicht stattfindet.» SPD-Chef Franz Müntefering versicherte: «Die deutsche Sozialdemokratie wird sich wieder nach vorne kämpfen, dafür treten wir miteinander ein.»
SPD sucht Gründe fürs Scheitern
Für die Sozialdemokraten ist es das bislang schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokraten bei einer Bundestagswahl. Laut ZDF sind die mehr als zehn Punkte Verlust für die SPD zugleich auch das größte Minus, das jemals eine Partei bei einer Bundestagswahl binnen einer Legislaturperiode erlitten hat.
Für das schlechte Wahlergebnis der SPD ist nach Ansicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die gesamte Partei verantwortlich. «Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, das kann man nicht auf den einen oder anderen abwälzen», sagte Wowereit im ZDF. Die Partei müsse sich fragen, was sie inhaltlich falsch gemacht habe.
Linke und Grüne erstmals zweistellig
Die Linken erzielten den Hochrechnungen zufolge zwischen 12,5 und 12,9 Prozent. Sie erreichten damit ebenso wie die Grünen, die zwischen 10,2 und 10,6 Prozent erzielten, erstmals zweistellige Ergebnisse. Beide schnitten damit so gut wie nie zuvor bei einer Bundestagswahl ab.
Die Wahlbeteiligung fiel dem ZDF zufolge auf ein Rekordtief von rund 72 Prozent. Vor vier Jahren hatten 77,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das war die bis dahin niedrigste Wahlbeteiligung. Insgesamt waren am Sonntag in Deutschland rund 62,2 Millionen Wahlberechtigte zur Wahl aufgerufen.
Die beiden Spitzenkandidaten der großen Koalition, Merkel und Steinmeier, hatten am Mittag und am Morgen ihre Stimme abgegeben. Steinmeier ging am Sonntagvormittag gegen zehn Uhr in Berlin-Zehlendorf wählen, Merkel erschien gegen 13.00 Uhr im Wahllokal in der Berliner Humboldt-Universität.
CDU in NRW stärkste Partei
In NRW wurde die CDU trotz Verlusten stärkste politische Kraft bei der Bundestagswahl. Nach einer WDR-Prognose kamen die Christdemokraten am Sonntag auf 33,0 Prozent der Stimmen im Vergleich zu 34,4 Prozent vor vier Jahren. Die SPD verlor an Zustimmung und liegt nur noch bei 27,5 Prozent (2005: 40,0). Die FDP kann von 10,0 Prozent auf 15,0 Prozent zulegen und wird erneut drittstärkste Kraft. Die Grünen erreichen 11,0 Prozent (2005: 7,6 Prozent). Die Linken verbuchen 9,0 Prozent gegenüber 5,2 Prozent im Jahr 2005.
Fraktionschef Volker Kauder sagte in der ARD, Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) habe die Wahl gewonnen und könne Regierungschefin bleiben. Die Union habe heraus gewollt aus der großen Koalition und hinein in eine Koalition der bürgerlichen Mitte. Das sei ein «gutes Ergebnis für unser Land».
Huber sieht "Desaster" bei der CSU
FDP-Vizechef Rainer Brüderle äußerte sich hochzufrieden über das «beste Ergebnis in der Geschichte" seiner Partei. Nun sei es das Ziel, möglichst viel von dem umzusetzen, was die Wähler von der FDP wollten. Der scheidende SPD-Fraktionschef Peter Struck bewertete den Ausgang der Bundestagswahl als «bittere Niederlage» für seine Partei. Dies sei eine «schwere Stunde». Struck fügte hinzu, es habe nicht am Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier gelegen, der einen «hervorragenden Wahlkampf» gemacht habe.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte in München, zwar sei es gelungen, die große Koalition durch ein schwarz-gelbes Bündnis abzulösen. Die CSU könne aber mit dem Wahlausgang nicht zufrieden sein. Der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber bezeichnete das Ergebnis seiner Partei als «Desaster». (ap/afp/ddp)