Wanne-Eickel. Das WAZ-Wirtschaftsforum beschäftigte sich mit den Lehren aus der Krise. Für die Gesprächsteilnehmer war zumindest ein Fakt nicht umstritten: Ein Weiter so darf es nicht geben. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers betonte, die Zeche dürften nicht die kleinen Leute bezahlen.

Der Mondpalast von Wanne-Eickel hat den Anspruch, das führende Volkstheater im Ruhrgebiet zu sein – ein Haus, in dem sich in liebevoller Form die Revier-Mentalität widerspiegelt. Jedes Stück, beteuert Hausherr Christian Stratmann gern, wird „unter dem unbestechlichen Licht” des legendären Mondes von Wanne-Eickel aufgeführt.

Am Dienstagabend stand im Mondpalast ein eher ernstes Stück auf dem Programm. Im 24. WAZ-Wirtschaftsforum ging es um die „Lehren aus der Krise”. Auch wenn sich die Einschätzungen der Diskussionsteilnehmer mitunter unterschieden, waren sich NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis, der Ökonom Michael Hüther und der emeritierte Weihbischof Franz Grave zumindest in einem Punkt einig: Ein bloßes "Weiter so" darf es nicht geben.

"Die Krise ist noch nicht vorbei", sagte Rüttgers. Beispielsweise rechne er im Winter noch mit "erheblichen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt". Die entscheidende Frage laute allerdings: "Wer zahlt die Zeche?" Es dürfe nicht dazu kommen, dass "die kleinen Leute" belastet würden, während die Verursacher der Krise "das Casino wieder eröffnen", sagte der Ministerpräsident.

Streitpunkt Börsenumsatzsteuer

Der neue Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, griff die Forderung auf und plädierte für eine Börsenumsatzsteuer, um die Krisenverursacher stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Koalitionsvertrag der neuen schwarz-gelben Bundesregierung habe ihn enttäuscht, sagte Vassiliadis.

Rüttgers zeigte Verständnis dafür, dass im Koalitionsvertrag keine Finanztransaktionssteuer festgeschrieben ist. "Man hätte sie international einführen müssen, damit es keine Verzerrungen gibt", sagte der CDU-Politiker. Auch die Banken seien noch nicht aus der Krise, gab Rüttgers zu bedenken. So erkläre sich auch die Zurückhaltung der Finanzinstitute bei der Kreditvergabe. "Die Banken sind vorsichtiger, als es uns eigentlich lieb ist", sagte der NRW-Regierungschef. "Wir müssen aufpassen, dass es keine Kreditklemme gibt."

Ehemaliger Weihbischof für mehr Ethik unter Managern

Der langjährige Weihbischof des Bistums Essen, Franz Grave, stellte christliche Werte in den Vordergrund der Diskussion. Der Mensch müsse im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen. "Die Krise ist auch eine moralische Krise", sagte Grave. "Die Gestaltung von Wirtschaft und Finanzen benötigt Ethik." Er regte an, dass ethische Fragestellungen auch bei der Ausbildung von Managern berücksichtigt werden sollten. Die Unternehmenslenker müssten mehr Zeit in Gespräche mit Mitarbeitern investieren. "Menschennähe ist das größte Kapital, das wir haben", betonte Grave.

Als ein Negativbeispiel für den Umgang von Spitzenmanagern mit den Beschäftigten führte der langjährige Weihbischof den Fall Opel an. Die Verunsicherung, die in den vergangenen Wochen und Monaten erzeugt worden sei, nannte er "eine Zumutung". Es würden zum Teil Ängste geschürt, die bis an die Existenz gingen.

Wirtschaftsforscher gegen Opel-Hilfen

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, plädierte für eine nüchterne Diskussion über die Folgen der Krise. Er warnte davor, den Fall Opel "zu überhöhen". Rettungsbemühungen wie für Banken seien hier nicht angebracht. "Es ist nicht richtig zu sagen, Opel ist mit Lehman vergleichbar", sagte Hüther mit Blick auf die Systemrelevanz der bankrotten Investmentbank.

Hüther machte sich dafür stark, das Haftungsprinzip in den Unternehmen zu stärken, um für mehr Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft zu sorgen. Wer in verantwortlicher Position in der Wirtschaft tätig sei, müsse auch individuell Verantwortung tragen, mahnte er. Wenn sich selbst ein Bankvorstand als Opfer der Umstände darstelle, könne das marktwirtschaftliche System nicht funktionieren. Der liberale Wirtschaftswissenschaftler sprach sich dafür aus, dass der Staat "starke Regeln setzen" müsse. Weitere Hilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel lehnte Hüther indes ab.