Witten. Das Jahr 2024 ist beinahe zu Ende - höchste Zeit für einen Rückblick: Diese Themen zum Lachen, Weinen und Nachdenken haben die Wittener bewegt.
Viel ist in Witten passiert im Jahr 2024 und das liegt nicht am Schaltjahr mit seinem Extratag. Das Jahr lieferte überraschende Nachrichten, wie den Schlangenfund am Kemnader See, lieferte exklusive Einblicke, wie das Gespräch mit Wittens Koranleser und regte auch zum Nachdenken an, wie die Meinung der Wittener Geschäfte zur Bezahlkarte für Flüchtlinge. Diese Themen haben unsere Leser besonders interessiert.
Schlangen-Alarm am Kemnader See
Schlangenalarm am Kemnader See hieß es noch im Juli. Dort stieß Lara Lieske-Reffgen mit ihrer kleinen Tochter auf das Reptil. Die Schlange lag mitten auf dem Gehweg. Nicht nur Lara zeigte sich von der über einen Meter langen Schlange beeindruckt, auch die Wittener Leser wollten wissen, was es mit dieser ungewöhnlichen Begegnung auf sich hatte. „Das ist eine Ringelnatter“, erklärte der Schlangenexperte Martin Maschka der Redaktion auf Anfrage.
Die ungiftige Schlange ist hier heimisch und laut Maschka keine Seltenheit. Er habe die Tiere schon am Kemnader See, im Trinkwassergebiet an der Ruhr oder an der Burgruine Hardenstein gesichtet, sagt er. Für den Menschen sind Ringelnattern nicht gefährlich, allerdings für „Grundeln“, eine invasive Fischart, die sich in der Ruhr extrem ausbreite.
Die Schlange ist in Deutschland vom Aussterben bedroht und steht unter Schutz. Experten wie Martin Maschka helfen dem Landesumweltamt und der Naturschutzgruppe NaWit bei der Kartierung von Schlangen. „Neunzig Prozent der Meldungen sind Ringelnattern, ganz selten kommt in Witten mal eine Schlingnatter vor“, so der Experte. Wer also eine Schlange bei sich entdeckt und sie aus dem Haus oder Garten haben will, kann die Nummer von Maschkas Schlangennotruf wählen. Zu erreichen ist der Notruf unter 01577 29 49 225.
Mit Turban und ohne Schuhe: Was treibt den Koranleser aus Witten an?
Amer Ghanem: Seinen Namen kennen die wenigsten, doch viele wissen, wie er aussieht. Mit seinem weißen Turban, einem Koran, den er wie einen Bauchladen vor sich herträgt und blanken Füßen gehört er mittlerweile zum Wittener Stadtbild dazu. Mal sitzt er auf einem Stuhl an der Ruhrstraße, mal genießt er die Sonne auf einer Parkbank oder steht mitten im Wasserspiel auf dem Berliner Platz.
Die wichtigste Frage vorweg: Kalt ist dem Endvierziger nicht, die Liebe zu Gott lasse ihn nicht frieren, sagt Ghanem. Der Asylbewerber aus Syrien flüchtete vor neun Jahren nach Deutschland, erst nach Siegen, später nach Witten. Inzwischen lebe er in der städtischen Obdachlosenunterkunft am Mühlengraben. Seine langen Draußen-Aufenthalte scheinen auch Flucht vor den Mitbewohnern zu sein. „Es ist viel zu laut, die Leute, die Musik. Manchmal sind welche besoffen“, sagt er.
Radfahrer gegen Fußgänger: Nahkampf an der Ruhr
Der Kleinkrieg zwischen Radfahrern und Fußgängern an der Ruhr hat viele Leser in Atem gehalten. Bei einem Ortsbesuch erfuhr WAZ-Redakteur Jürgen Augstein vom „Nahkampf“ zwischen den beiden Parteien. Während sich Fußgänger über rasende Radfahrer beschweren, die zu allem Überdruss ihre Klingel nicht benutzen, zeigen auch Radfahrer wenig Verständnis für dieses Verhalten.
„Es ist fatal, wie sich Radfahrer gegenüber Fußgängern benehmen. Sie betrachten das hier als ihre Übungsstrecke und geben Gas. Das ist lebensgefährlich, gerade für Familien mit kleinen Kindern“, sagt Mountainbiker Wolfgang. Allein wegen dieser Gefährdung befürwortet Wolfgang eine Trennung. „Ich würde als Fußgänger ein Horn kriegen, wenn jede Minute geklingelt wird, selbst wenn die freundlich sind.“
Ob es genug Platz für eine Trennung der Trasse gibt, ist fraglich. Das merkt auch Fußgängerin Sabine Flockenhaus an: „Aber wo ist denn Platz dafür?“, fragt sie.
Nach Mordversuch in Witten: SEK fasst Tatverdächtigen
Für großes Aufsehen sorgte 2024 ein Mordversuch im Wittener Lutherpark. Ein Streit war zwischen dem 36-jährigen Opfer und zwei Männern (29 und 37 Jahre) ausgebrochen und eskaliert. Dabei wurde der 36-Jährige mit einem Messer schwer verletzt. Warum es zu dem Streit gekommen ist, ist nicht klar, doch Polizeisprecher Marco Bischhoff sprach damals von einer „Vorbeziehung“ zwischen den Männern.
Die Polizei hat den 29-jährigen Tatverdächtigen zeitnah in der Nähe des Tatorts festgenommen. Den 37-Jährigen nahmen die Beamten einen Tag später fest.
Wochenmarkt auf dem Schnee
Die Nahversorgung bleibt Auf dem Schnee ein Dauerthema - auch in diesem Jahr. Besonders viele Leser verfolgten den Niedergang des dortigen Wochenmarktes. Während Ende Mai noch ein einziger Stand - ein Gemüsehändler - die Stellung hielt, wurde der Standort von der Marktgilde im September gänzlich aufgegeben. Grund dafür waren die stetig sinkenden Händlerzahlen vor Ort.
„Hier war es früher voll“, sagt Gemüsehändler Samet Gündogdu mit Blick auf den leeren Parkplatz hinter dem ehemaligen Edeka. Vor drei Jahren haben der 24-Jährige und sein älterer Bruder Muhammet den Obst- und Gemüsestand von Theo Vechtel übernommen, der seit den Anfangszeiten auf dem Markt seine zu 80 Prozent selbst erzeugten Produkte verkauft hatte.
Gündogdu zählt auf, wen er schon alles hat gehen sehen. Bäcker, Metzger, Käserei und Suppenküche haben den Markt nach und nach verlassen. Fischhändlerin Özlem Tastan hat noch bis Dezember hier ihre Ware verkauft. Offiziell kam auch ein Blumenhändler regelmäßig mittwochs auf den Schnee.
Seit September ist damit also Schluss. Einen Wermutstropfen gibt es für die Anwohner: Seit September kommt die Pott-Bakery, ein Bäckerei-Unternehmen aus Hattingen, mittwochs mit einem Wagen vorbei und bietet Brote, Brötchen und mehr.
Das sagen Wittener Geschäfte zur Bezahlkarte
Die heiße Debatte um Bezahlkarten für Geflüchtete hat auch die Wittener nicht kaltgelassen. Statt Sozialhilfe in bar, sollten Geflüchtete nach dem neuen Modell eine Scheckkarte bekommen, auf der ein Guthaben für Dinge des täglichen Bedarfs gespeichert ist. Damit sind vor allem Lebensmittel gemeint. Außerdem soll ein kleiner Betrag der Sozialhilfesumme in bar ausgezahlt werden - als eine Art Taschengeld. Befürworter dieser Lösung gehen davon aus, dass sich so Sozialmissbrauch verhindern lasse, etwa durch Geldtransfers ins Ausland.
Julia Rode von Rewe Kesper begrüßt eine Kartenregeldung, dabei geht es ihr hauptsächlich um die zeitnahe Erstattung. Laut Rode kommen viele Flüchtlinge von der naheliegenden Unterkunft an der Brauckstraße in den Markt. Ihren Einkauf bezahlen sie meist nicht bar, sondern mit Scheinen vom Sozialamt. „Wir schicken dann den Bon zur Stadt“, sagt Rode, „warten aber manchmal ewig auf das Geld, da die Ämter nicht hinterherkommen. Aktuell geht es, weil nicht so viele Leute kommen. Aber es sind noch Rechnungen offen“.
Die Flüchtlinge, die zu ihnen kämen, besorgten sich oft Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Mehl oder Öl. „Sie backen auch viel selbst, so wie man früher richtig gekocht hat. Sie kaufen keine Fertiggerichte“, sagt die Geschäftsfrau.
Und so ist auch dieses Jahr in Witten wieder einiges passiert. Sowohl Nachrichten als auch emotionale und persönliche Schicksale: Auch im kommenden Jahr können wir uns sicher wieder auf einiges gefasst machen.
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