Witten. Der Kitaplatz von Luca wurde gekündigt. Der Vierjährige ist ein Inklusionskind. Seine Mutter ist sauer. So erklärt der Träger die Entscheidung.

Eines steht fest: Der kleine Luca (4) geht derzeit nicht mehr in den Kindergarten. Denn seine ehemalige Kita, der ev. Markuskindergarten in Witten-Stockum, hat seinen Betreuungsplatz zum 31. Januar gekündigt. Dabei ist der Junge ein Inklusionskind, im kommenden Jahr soll er eingeschult werden. Seine Mutter Sarah Bresinski ist sauer auf den Träger, fühlt sich schikaniert. Der hat eine ganz andere Erklärung.

Aus Sicht der Mutter klingt die Geschichte so: Während Luca die Einrichtung besuchte, habe die Inklusionsfachkraft dreimal gewechselt. Zwischenzeitlich musste Luca sehr oft zuhause betreut werden, wenn diese krank war oder die Stelle zwischenzeitlich nicht besetzt war. Am laufenden Band habe es zudem Notbetreuung oder eingeschränkte Öffnungszeiten gegeben. Oftmals habe Luca die Kita dann nicht besuchen dürfen, weil seine Mutter nicht berufstätig ist. „Dabei hatte ich ja einen Vertrag über 35 Stunden“, so die 31-Jährige.

Von Mai bis August von der Kita suspendiert

Von Mai 2023 bis August 2023 sei Luca zudem von der Kita suspendiert worden, nachdem er ein anderes Kind mit einem Stock im Gesicht verletzt hatte. Ihr Sohn habe einen extrem hohen Bewegungsdrang, brauche körperliche Reize, erzählt Bresinski. Auch könne er sich schlecht konzentrieren.

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Gleichzeitig habe ihm durch ständig wechselnde Erzieherinnen eine klare Bezugsperson gefehlt, beklagt die Alleinerziehende. „Das macht was mit den Kindern.“ Immer wieder habe sie das Gespräch mit Kita-Leitung und Träger gesucht, damit ihr Sohn häufiger und länger in der Kita betreut werden könne, sagt Bresinksi. Ende Oktober kam dann die Kündigung des Platzes. Im September hatte die dritte Integrationskraft die Einrichtung verlassen. Für Mutter Bresinski ist die Kündigung nicht nachvollziehbar und „unsozial“ – gerade von einem kirchlichen Träger.

Langer Beratungsprozess ist der Kündigung vorausgegangen

Der Evangelische Kindergartenverbund Hattingen-Witten kann sich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu Einzelheiten des Falls äußern. Wohl aber zu den äußeren Rahmenbedingungen. „Die Kündigung war nicht willkürlich“, sagt dessen Geschäftsführerin Angelika Arend. Sondern unter anderem mit dem Jugendamt und dem Landesjugendamt abgesprochen. Vorausgegangen sei ein Beratungsprozess, der sich über ein Jahr gezogen habe.

Dorothee Büchle (l.) und Angelika Arend leiten als Geschäftsführerinnen den Evangelischen Kita-Verbund im Kirchenkreis Witten-Hattingen.
Dorothee Büchle (l.) und Angelika Arend leiten als Geschäftsführerinnen den Evangelischen Kita-Verbund im Kirchenkreis Witten-Hattingen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Inklusion ist uns extrem wichtig. Aber wir müssen auch das große Ganze, die anderen Kinder, mit berücksichtigen“, so die 55-Jährige. Man habe lange versucht, eine Lösung zu finden, um Luca weiterbetreuen zu können. Letzendlich habe man aber einsehen müssen, dass es im Markus-Kindergarten nicht mehr möglich gewesen sei, eine angemessene Betreuung für den Vierjährigen und die restlichen Kinder gewährleisten zu können.

Extremer Personalmangel schränkt Handlungsmöglichkeiten der Kita ein

Stark zu Buche schlägt dabei fehlendes Personal. „Wir hatten und haben in der Einrichtung einen erheblichen Personalmangel“, sagt Dorothee Büchle, pädagogische Geschäftsführerin des Kita-Verbundes. Deshalb mussten und müssen die Öffnungszeiten immer wieder eingeschränkt werden, teils deutlich. Aber das habe nicht nur Familie Bresinski getroffen, sondern alle. „Sobald eine Mitarbeiterin erkrankt, bricht alles zusammen, gerade in einer kleinen Einrichtung“, so Büchle. Bei einer zweigruppigen Kita wie dem Markuskindergarten könne man einen Ausfall einfach noch schlechter ausgleichen. Dort werde aktuell der Mindestpersonalschlüssel um 30 Stunden unterschritten.

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„Unsere Personaldecke ist so eng. Die Lage ist dramatisch wie nie“, schlägt Angelika Arend Alarm. Seit dem Herbst 2023 habe sich die Situation noch zugespitzt. Es seien derzeit fast keine Nachbesetzungen möglich, gerade Inklusionsfachkräfte seien nicht mehr zu bekommen.

In zwölf der 20 Wittener Kindergärten des Verbundes werden aktuell 43 Inklusionskinder von zwölf Inklusionsfachkräften betreut. Dem gegenüber stehen sechs offene Stellen im Bereich Inklusion, für die es einfach keine Bewerberinnen und Bewerber gibt. „Es ist fast aussichtlos“, sagt Arend.

Anteil der Kinder mit Unterstützungsbedarf nimmt zu

Es sei das allererste Mal gewesen, dass man einem Kind aufgrund von Personalmangel kündigen musste, so die kaufmännische Geschäftsführerin. Die Politik müsse endlich „aufgerüttelt“ werden. Mit Sorge blickt das Führungsduo des Ev. Kindergartenverbundes auch in die Zukunft. „Der Anteil der Kinder, die Unterstützung benötigen, ist in den letzten Jahren stark angewachsen“, sagt Büchle. Gleichzeitig fehle es an Bewerbern. Und die Anforderungen im Kita-Alltag seien mittlerweile so hoch, dass viele Fachkräfte den Bereich „Kita“ auch schon wieder verlassen würden.

Zumindest für Luca gibt es ein Happy End: Mittlerweile hat seine Mutter die Zusage für einen neuen Betreuungsplatz in Stockum ab August 2024. So kann der Junge im letzten Jahr vor der Einschulung doch noch die Kita besuchen.

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