Die Mülheimer Investorengruppe SMW – Gesellschafter sind die Sparkasse, der Mülheimer Wohnungsbau und Privatinvestor Jochen Hoffmeister – hat nun auf WAZ-Anfrage bestätigt, dass sie 1 Mio Euro aus dem Verkaufserlös für die von ihr gebaute Hauptfeuerwache an der Duisburger Straße noch in diesem Jahr an sechs nicht benannte Mülheimer Stiftungen und gemeinnützige Organisationen spenden wird. Steckt hinter dieser Großzügigkeit ein schlechtes Gewissen? Schließlich hat die SMW auch, wenn nicht gar ausschließlich, dank einer opulenten Miete, die die Stadt zahlt, mit dem Weiterverkauf der Vorzeige-Immobilie offensichtlich einen Gewinn von rund 9,2 Mio Euro erwirtschaften können.
Als sich Ende 2010 der Verkauf der gerade eingeweihten Feuerwache andeutete, war das Unbehagen in der Politik, auch bei der OB groß. Eine vertragliche Absicherung im Falle eines Weiterverkaufs hat es offenbar nicht gegeben. Die SPD brachte die Stiftungsidee ins Spiel. „Die Überweisungsträger sind geschrieben und gehen noch vor Weihnachten raus“, sagt SMW-Geschäftsführer Galonska zur Millionen-Spende.
43,7 Mio Euro investiert
Die Gewinnsumme von 9,2 Mio Euro wollte Lothar Galonska, für die Sparkasse eingesetzter Geschäftsführer bei der SMW, gestern nicht bestätigen. Er dementierte das Ergebnis der WAZ-Recherche aber auch nicht. Wie kommen die 9,2 Mio Euro Gewinn zustande? Einerseits liegt der WAZ ein Brief von Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld an einen Bürger vor, in dem sie die reinen Baukosten für die Hauptfeuerwache benennt. Inklusive Regiekosten, Kosten für die Zwischenfinanzierung durch die SMW und Kosten für die Alarmausfahrt zur Xantener Straße, so schrieb Mühlenfeld im Oktober, betrügen die der Mietberechnung zugrundeliegenden Kosten rund 43,7 Mio Euro. Die Hannover-Leasing, die die Hauptfeuerwache samt Mietvertrag von der SMW gekauft hat, gibt in ihrem Fondsprospekt einen Kaufpreis von 55,5 Mio Euro an.
87,6 Mio Euro Miete
Nach Gegenrechnung und Berücksichtigung des Grundstückswertes (2,665 Mio Euro) hat die SMW folglich 9,2 Mio Euro Gewinn mit dem Investitionsprojekt erzielt. 9,2 Mio Euro Gewinn für das Joint Venture aus Sparkasse, MWB und Privatinvestor Hoffmeister, von denen die Stadt außer Steuern und der Spende erst mal nichts sehen dürfte, sieht man davon ab, dass sie über ihre Beteiligung an Sparkasse und MWB Mitspracherechte an der Gewinnverwendung dieser Unternehmen hat. Dann müsste sie dort aber auch durchsetzen, dass mehr Geld ausgeschüttet denn in die Rücklage gesteckt wird.
Dass Dritte ein renditeträchtiges Geschäft auf Kosten der Stadt durchziehen konnten, ist das eine. Die andere Frage: Hätte es für die Stadt keine günstigere Lösung gegeben?
Neue Feuerwehr- und Rettungswache
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Im Fondsprospekt sind die an die Inflationsrate gekoppelten Jahresmieten benannt, die die Stadt in 20 Jahren Vertragsdauer voraussichtlich an den Immobilienfonds zu leisten hat. In diesem Jahr sind demnach gut 3,8 Mio Euro zu überweisen. Schritt für Schritt steigt die Miete. Im Jahr 2029, dem letzten vollen Jahr vor Auslaufen des Mietvertrages, muss die Stadt laut Prognose im Fondsprospekt fast 5,4 Mio Euro berappen. Über 20 Jahre gerechnet kommen Mietzahlungen in Höhe von 87,6 Mio Euro zusammen.
Dieses Geld hätte auch in Zins und Tilgung von Investitionskrediten fließen können, wäre die Stadt selbst als Bauträgerin in Erscheinung getreten und hätte sie nicht die SMW das Geschäft überlassen. Die Stadt hätte 43,7 Mio Euro fremdfinanzieren müssen. Angenommen, sie hätte die nun fällige Jahresmiete von 3,8 Mio Euro für Zins und Tilgung eines Investitionskredites genutzt: Rein rechnerisch wäre sie in der Lage gewesen, jedes Jahr eine Zins- und Tilgungsrate von 8,7 % zu bedienen. So hätte sie selbst bei angenommen hohem Zinssatz von rund 5,4 %, zu dem der Fonds den Kauf der Wache fremdfinanziert hat, innerhalb von nur 18 Jahren Besitzerin der Feuerwache sein können. Selbst wenn man die im Fondsprospekt angegebenen Rückstellungen für Instandhaltungen berücksichtigt, wäre die Stadt schneller als in 20 Jahren Herrin im Haus.
Doch die Stadt hat die SMW bauen und den Gewinn gewährt. Nach Rücksprache mit Kämmerer Uwe Bonan sagte Stadtsprecher Volker Wiebels, die Stadt habe seinerzeit zwar nicht im Nothaushalt gesteckt, die Bezirksregierung habe aber doch den Kreditrahmen gedeckelt. Man habe nicht selbst investieren dürfen.
Der immense wirtschaftliche Schaden bleibt
SMW-Geschäftsführer Lothar Galonska verwehrt sich gegen Vorwürfe, die Stadt bei den Bau- und Mietverhandlungen zur Hauptfeuerwache für den eigenen Reibach über den Tisch gezogen zu haben.
Neue Feuerwache in Mülheim
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Aus der SMW-Aktivität an der Duisburger Straße, so Galonska zur WAZ, „darf man nicht nur die Rosinen rauspicken“. Zu berücksichtigen sei auch das Risiko, das die SMW seinerzeit mit dem Erwerb des ehemaligen Bahngeländes eingegangen sei. Schließlich habe man der Stadt als zwischenzeitlicher Eigentümerin ein Areal abgekauft, für das die Wirtschaftsförderung zuvor keine ansiedlungswilligen Interessenten gefunden habe. Dieses Risiko habe man bei der Hauptfeuerwache eingepreist, schließlich sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht ansatzweise erkennbar gewesen, dass auf dem Nachbargrund mal eine Hochschule entstehen würde. Dadurch freilich, räumt Galonska ein, habe die SMW gut verdient.
Die SMW spende nun nicht 1 Mio Euro an Stiftungen und gemeinnützige Organisationen, weil das schlechte Gewissen plage. Man habe eine „marktübliche Miete vereinbart. Das ist Unternehmertum, das ist freie Marktwirtschaft. Wir haben nichts Unrechtes getan.“ Vielmehr gebe man der Stadt mit der Spende nun einen Teil vom unternehmerischen Gewinn zurück.
Postkarten aus Mülheim
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Bleibt das Unbehagen, dass wohl erst die üppige Mietvereinbarung, auf die sich die Stadt eingelassen hat, den Weiterverkauf an den Immobilienfonds der Hannover-Leasing möglich gemacht hat. Die Hannover-Leasing als Tochter der Hessisch-Thüringischen Landesbank verdient selbst noch mal kräftig daran, dass die Anteile an der Hauptfeuerwache – quasi: an den Mietzahlungen der Stadt – an Anleger veräußert. Alle sollen verdienen – und die Stadt zahlt kräftig (Miete), ohne nach Ende der Vertragslaufzeit eine Immobilie im Besitz zu haben. 2030 wird sie erneut in Mietverhandlungen eintreten müssen – dann mit dem Fonds.
Verkauf der Feuerwache und Verzicht auf Aufsichtsratvorsitz könnten zusammenhängen?
Böse Stimmen unken schon, dass Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld im August 2010 nicht von ungefähr ihren Verzicht auf den Vorsitz im Aufsichtsrat des Mülheimer Wohnungsbaus (einem der SMW-Gesellschafter) erklärte, sie gab die Fülle an Aufgaben als Grund für ihren Rückzug an. Nur wenige Wochen später war die Feuerwache Verkaufsmasse.
Im Dezember 2010 verkündete überraschend auch MWB-Geschäftsführer Frank Esser seinen Rücktritt vom SPD-Parteivorsitz. Was Jahre ging, nämlich das Ausüben zweier zweifelsfrei aufwendiger Tätigkeiten, sollte nun nicht mehr zu stemmen sein.
Wer hat seinerzeit für die Stadt die üppige Miete ausgehandelt? Stadtsprecher Volker Wiebels nennt den Immobilienservice unter dessen damaligen, mittlerweile pensionierten Leiter Friedel Liesner als federführende Verwaltungskompetenz. Immer wieder seien auch das Rechtsdezernat und die Kämmerei in die Verhandlungen eingebunden gewesen. Wer schlussendlich die Unterschrift unter den Mietvertrag gesetzt habe, war gestern nicht zu erfahren und, so Wiebels, auch „unerheblich. Der Rat hat die Eckpunkte festgelegt, die Mietverträge abgesegnet.“ Ausgehandelt freilich haben ihn die ehrenamtlichen Politiker nicht .
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