Mülheim. Die Miete für die Hauptfeuerwache in Mülheim ist zum Millionengrab geworden. Jetzt plant die Stadt den Notausstieg. Auch der wird wohl teuer.
Es ist ein Desaster geworden: Dass die Stadt Mülheim ihre zwingend verpflichtende Infrastruktur einer Hauptfeuerwache an der Duisburger Straße seinerzeit über private Partner hat schaffen lassen und nur Mieterin ist, hat Millionen Euro Steuergeld verschlungen. 60 Millionen Euro werden am Ende dieses Jahres in den Sand gesetzt sein, ohne dass Mülheim Eigentümerin wäre. In den kommenden 30 Jahren wären es nach einer Kalkulation von Stadtkämmerer Frank Mendack weitere fast 180 Millionen Euro, mit denen die überschuldete Stadt belastet wäre. So sucht Mendack jetzt den Notausstieg.
Das Mülheimer Millionengrab im Kurzporträt: Anfang des Jahrtausends war Mülheim aufgefordert, Ersatz zu schaffen für die marode Feuerwache an der Aktienstraße. Ohne mit der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung darüber in Verhandlung zu treten, ob sie für einen Neubau trotz ihrer Finanznöte selbst Kredite aufnehmen dürfte, schritt die Stadt zur Tat: Sie veräußerte 2007 ihr Areal des ehemaligen Bahn-Ausbesserungswerks in Broich an Privatinvestoren, um diese mit dem Bau einer neuen Hauptfeuerwache zu betrauen. Die Stadt wollte Mieterin werden. Bauherrin wurde die SMW, ein Zusammenschluss von Mülheimer Wohnungsbau, Sparkasse und dem örtlichen Immobilieninvestor Jochen Hoffmeister.
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Stadt Mülheim ließ sich auf Konditionen ein, die sie bis heute bluten lassen
Die Stadt ließ sich dabei auf Konditionen ein, die sie bis heute bluten lassen. SMW verkaufte die Wache zügig weiter an einen Fonds der Hannover Leasing - mit einem satten Gewinn von geschätzt 9,2 Millionen Euro. Das Fondsprojekt legte seinerzeit auch offen, dass die Stadt in den kommenden 20 Jahren eine Miete in Höhe von 87,6 Millionen Euro zahlen würde. In diesem Zeitraum hätte sie locker selbst eine Finanzierung des 43,7 Millionen Euro teuren Baus stemmen können.
Groß Kasse machten in Mülheim die Investoren, Hannover Leasing und Fondsanleger, denen exorbitante Ausschüttungen von bis zu sechs Prozent ihres eingesetzten Kapitals garantiert wurden. Die Gewinne der glücklichen Drei gingen fortan zulasten der Stadt.
Selbst hochrangige Verwaltungsbeamte aus Mülheims Rathaus investierten in den Fonds und brüsteten sich mit der lukrativen Renditeerwartung. Nach enthüllender Berichterstattung dieser Redaktion sahen sich die SMW-Gesellschafter immerhin genötigt, ihren Imageschaden in Grenzen zu halten. Sie sagten zu, eine Million Euro aus dem Erlös des Immobilienkaufs zu stiften oder zu spenden für gemeinnützige Zwecke in der Stadt. Nicht für jede Spende war später ein Gemeinwohl nachgewiesen; die Spende von Hoffmeister an die Mülheimer Seniorendienste wurde später gar Gegenstand von Ermittlungen im Korruptionsfall Rinas.
Mülheims Stadtkämmerer erreichte in Verhandlungen zunächst eine Mietsenkung
Stadtkämmerer Frank Mendack, der so manch ein Finanzdesaster seiner Vorgänger abzuräumen hatte, gelang in diesem Frühjahr ein erster Achtungserfolg: In Verhandlungen mit der Hannover Leasing konnte er die Miete drücken, musste sich dafür allerdings auf eine Verlängerung des Mietvertrags einlassen. Mendack rechnete vor, dass so trotzdem 20 Millionen Euro eingespart würden. Wie sich im Nachgang herausstellte, hatte Hannover Leasing mit dem neu ausgehandelten Vertrag sein Immobilienportfolio hübsch gemacht für einen Weiterverkauf.
- Aus dem Archiv: 500 Millionen plus X: Kämmerer benennt hausgemachte Schulden
Jetzt sah Mendack engültig die Stunde geschlagen, dem Millionen-Desaster ein Ende zu setzen. Er stieg mit Rückendeckung von Politik und Finanzaufsicht bei der Bezirksregierung in den Ring ein, um mit anderen Investoren um den Erwerb der Hauptfeuerwache zu feilschen. Dabei hat Mendack zumindest einen Trumpf in der Hand: Die Stadt verfügt über ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht für die Spezialimmobilie.
Stadt Mülheim will die Feuerwache für mehr als 70 Millionen Euro kaufen
Seit einigen Monaten läuft das Bieterverfahren; neben anderen interessierten Investoren prüfte auch die Stadtverwaltung die von Hannover Leasing in einem geschützten Datenraum bereitgestellten Unterlagen zur Immobilie. Zwischenzeitlich gab die Stadt ein Angebot in Höhe von 70,5 Millionen Euro für den Kauf der Wache ab. Die Immobilie sei in einem guten Zustand, lediglich das Dach lasse mittelfristig einen auf 2,5 Millionen Euro taxierten Sanierungsbedarf erkennen, heißt es in einer aktuellen Beschlussvorlage für die Ratssitzung am Donnerstag nächster Woche.
Dann soll der Stadtrat beschließen, die Hauptfeuerwache zu erwerben. Und das zu einem Preis, den ein anderer Kaufinteressent in einem Entwurf für einen Kaufvertrag hat verankern lassen: 72,85 Millionen Euro (Hannover Leasing übernimmt dabei die Kosten der Dachsanierung). Die Stadt hätte die Option, in jenen Kaufvertrag, wenn er absehbar Mitte Oktober notariell beurkundet würde, eins zu eins einzusteigen. Variante B wird aber von Mendack favorisiert: Die Stadt entscheidet sich unabhängig davon zum Kauf. In diesem Weg sieht Mendack den Vorteil, Bestandteile des Notarvertrags selbst setzen zu können.
Wenn die Stadt Mülheim nicht kauft, drohen 180 Millionen Euro Mietkosten bis zum Jahr 2055
Basis für die Entscheidung, die Hauptfeuerwache endlich doch in städtischen Besitz zu nehmen, ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, in die diese Redaktion auf Anfrage beim Kämmerer Einsicht nehmen konnte. In dieser rechnet die Kämmerei mit Kosten in Höhe von knapp 180 Millionen Euro, sollte die Stadt die nächsten 30 Jahre weiter Indexmiete für die Wache zahlen. Gegenübergestellt sind konservativ gerechnete Kosten eines Kaufs mit Zins, Tilgung, Instandhaltungs- und Verwaltungsaufwand. Alles in allem rechnet Mendack hier mit einem geldwerten Vorteil des Immobilienkaufs bis zum Jahr 2055 in Höhe von (mindestens) fast 16 Millionen Euro. Dabei besteht natürlich die Hoffnung, dass die Immobilie auch nach 2055 noch für einen Weiterbetrieb in Schuss ist.
Sollte die Politik den Weg freimachen und der Deal über die Bühne gehen, würde es der Kämmerer begrüßen. „Es wäre eine gute Entscheidung“, sagte er. Zinswetten, Wetten auf Schweizer Franken, Missmanagement im Schuldenportfolio und Co.: Hat er dann alle Finanzgräber früherer Zeiten abgeräumt? Mendack sieht da noch eine Baustelle, die später, im Jahr 2035, noch Thema sein müsse: sich von den finanziellen Lasten der in öffentlich-privater Partnerschaft sanierten Schulen (Luisenschule, Karl-Ziegler-Gymnasium, Willy-Brandt-Gesamtschule) zu befreien.
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