Mülheim. .
Gab es keinen anderen Weg für den Bau der neuen Hauptfeuerwache an der Duisburger Straße, als Mülheims Steuerzahler nachgerechnet 9,2 Mio Euro Gewinn für die Investorengruppe SMW (Mülheimer Wohnungsbau, Sparkasse, Hoffmeister-Gruppe) finanzieren zu lassen?
Die Frage muss offen bleiben. Jedenfalls vorläufig. Die Stadt aber legt sich fest: Es habe keine Alternative zu der gewählten Finanzierung gegeben, auch wenn der Kämmerer aus heutiger Sicht einräumt: Optimal gelaufen ist es nicht. Die Politik beklagt nun explodierte Kosten. CDU und möglicherweise auch die Grünen wollen Akteneinsicht nehmen.
Weiterverkauf hat Befindlichkeiten berührt
Hätte benannte Investorengruppe die Feuerwache samt Mietvertrag nicht kurz nach der Eröffnung im September 2010 an einen Immobilienfonds der Hannover Leasing verkauft, wäre wohl ein Haken hinter das Neubauprojekt gemacht worden. Der Weiterverkauf der wichtigen Spezialimmobilie hat aber Befindlichkeiten berührt. Nicht nur war der Ärger groß, dass die Feuerwache nicht in Mülheimer Händen geblieben ist. Mehr noch wuchs die Empörung, als klar wurde, dass die SMW auf Kosten der Stadtkasse einen üppigen Gewinn eingestrichen haben dürfte.
Laut Fondsprospekt der Hannover Leasing lassen sich 9,2 Mio Euro Gewinn für die SMW errechnen. Da klingt die schnell verlautbarte Entscheidung der Investoren, 1 Mio Euro aus dem Projekt für gemeinnützige Organisationen zu spenden, wie eine mickrige Entschuldigung dafür, der Stadt eine Millionensumme aus der ohnehin schon leeren Kasse genommen zu haben.
"Schuldige in Anführungszeichen"
„Ich wundere mich schon, wie da städtische Mittel so langsam in die freie Wirtschaft wechseln“, so gestern im Finanzausschuss Eckart Capitain (CDU). Da müssten sich Sparkasse und MWB, teils städtisch bzw. im Falle der MWB über die Geschäftsführung und den Aufsichtsratsvorsitz dereinst von führenden SPD-Kräften getragen, schon auch „als Schuldige in Anführungszeichen sehen“.
Doch ist der SMW tatsächlich etwas vorzuwerfen? Sie hat letztlich auch privatwirtschaftliche Maßstäbe anzusetzen, auch den der Gewinnmaximierung. Die SMW betont, dass sie auch das Risiko für das einst als schwer zu vermarktende Nachbargrundstück einzupreisen hatte – heute steht fest: Der Hochschulbau kommt dort hin, das Risiko ist ins Gegenteil umgekehrt.
Alternativ investieren
Wenn die Stadt die Feuerwache in Eigenregie gebaut hätte, hätte die Stadt laut Kämmerer auf andere Investitionen verzichten müssen: die Sanierung von Gustav-Heinemann-, Martin-von-Tours-, Hauptschule Dümpten, die Sanierung des Chemiebereichs am Berufskolleg Kluse und des Kunstmuseums, die Erweiterung der Rembergschule, den U3-Umbau in 21 Kitas, den Bau der Sporthalle im Schulzentrum Broich, die Modernisierung von drei Sportplätzen, die Sanierung des Wennmann-Bades und diverse Brandschutzprojekte.
Und doch: Mehr wirft der Umstand Fragen auf, dass die Stadt sich wohl bedeutend besser gestellt hätte, wenn sie die Hauptfeuerwache in Eigenregie finanziert hätte, statt bauen zu lassen und sich für die Dauer von 20 Jahren Mietzahlungen in Höhe von summiert rund 87,6 Mio Euro (laut Fondsprojekt) ans Bein zu binden. Angesichts der Mieten, deren Darstellung im Fondsprojekt von Hannover Leasing die Stadt auf WAZ-Anfrage mittlerweile bestätigt hat, wäre es möglich gewesen, bei kompletter Eigenfinanzierung über Kredite in kürzerer Zeit als 20 Jahren selbst Herrin im Haus zu sein.
5,4 Mio Euro plus x
Nun wird die Stadt auch nach dem Jahr 2029 kräftig Miete zahlen. Nach Berechnung von Hannover Leasing werden dann 5,4 Mio Euro plus x jährlich fällig sein, sollte die Stadt ihre vertraglich zugesicherte Option wahrnehmen – und was wird ihr schon anderes übrig bleiben – zu dem an die Preisentwicklung gekoppelten Mietzins weiter an der Duisburger Straße zu bleiben. Zweimal fünf Jahre lässt sich der Mietvertrag verlängern. Für eine dritte Verlängerung wäre die Miete mit Hannover Leasing neu auszuhandeln.
Im Finanzausschuss nahm Kämmerer Uwe Bonan schriftlich Stellung. Der Stadt sei es aufgrund einer Kreditdeckelung durch die Bezirksregierung nicht möglich gewesen, die Wache selbst zu finanzieren. Es sei denn, sie hätte zwischen 2008 und 2010 anderswo Investitionen gestrichen (siehe Info). Die Bezirksregierung will zu dieser Darstellung in Kürze Stellung nehmen.
Eckart Capitain fordert Akteneinsicht
CDU-Finanzpolitiker Capitain kündigte am Montag an, Akteneinsicht zu beantragen. Die Grünen wollen eventuell folgen. Die CDU-Fraktion stößt sich insbesondere daran, dass die Stadt sich einen politischen Beschluss zum Projekt auf Basis einer Mietkalkulation von jährlich 2,8 Mio Euro eingeholt habe, im ersten vollen Vertragsjahr 2012 aber 3,8 Mio Euro fällig seien.
Jene Art „Blanko-Beschluss“ sei „schon merkwürdig“, die Politik sei im weiteren Verlauf auch unzureichend informiert worden über die Kostenexplosion. Dies wies Kämmerer Bonan mit mehreren Verweisen auf zwischenzeitliche Informationslagen zurück. Zudem habe der damalige Projektbeschluss, darauf habe man ausdrücklich hingewiesen, nur ein Berechnungsschema für die Miete enthalten - „immer mit dem Hinweis versehen, dass sich die endgültige Miete erst am Projektende ergibt.“