Mülheim. Beim Deal für den Bau von Mülheims Hauptfeuerwache gab es viele Gewinner, nur eine Verliererin: die Stadt. Jetzt kann sie ihren Schaden mindern.

Alle durften sie in den Jahren seit 2010 und bis heute satte Renditen einstreichen: die Bauherren, eine Fondsgesellschaft und Anleger. Nur eine blutete kräftig: die Stadt Mülheim. Der in der ersten Dekade dieses Jahrtausends völlig fehlgeschlagene Deal zum Bau einer neuen, ob ihrer Ausmaße und Ausstattung europaweit staunend beäugten Hauptfeuerwache an der Duisburger Straße hat der Stadt unnötige Millionenlöcher in den Haushalt gerissen. Jetzt ist es Stadtkämmerer Mendack zumindest gelungen, den fortlaufenden Schaden zu begrenzen.

Rückschau: Anfang des Jahrtausends war Mülheims Not groß, für die uralte Wache an der Aktienstraße Ersatz zu schaffen. Ausgeguckt als Grundstück für einen Neubau, von dem aus alle möglichen Einsatzorte im Stadtgebiet nach gesetzlichen Vorgaben schnell zu erreichen sein würden, war das Areal des ehemaligen Ausbesserungswerkes der Bahn in Broich. 2004 hatte es die Stadt gekauft, um dort neben der Wache auch eine gewerbliche Entwicklung möglich zu machen. 2007 verkaufte sie die Fläche an private Projektpartner weiter, weil der Entschluss gefasst war, die Wache wegen finanzieller Engpässe nicht selbst zu bauen und später anzumieten. Bauherrin wurde so die SMW, ein Zusammenschluss der Genossenschaft Mülheimer Wohnungsbau, der Sparkasse und der örtlichen Immobiliengröße Jochen Hoffmeister, die später auch gemeinsam das Lindgens-Areal an der Ruhr erwarben.

+++ Aus dem Archiv: Mülheims Rathaus-Sanierung im Schwarzbuch vom Bund der Steuerzahler +++

Private Partner der Stadt machten 2011 Kasse mit dem Weiterverkauf der Mülheimer Feuerwache

Von einer öffentlich-privaten Partnerschaft auf Augenhöhe konnte aber nicht die Rede sein. Wie sich im Nachgang herausstellte, hatte die Stadt sich auf Vertragskonditionen eingelassen, die sie bis heute teuer bezahlen muss. An die Öffentlichkeit gelangte dies nicht, weil die Stadt die Kosten jemals transparent im Haushalt ausgewiesen hätte, sondern zu jenem Zeitpunkt, als durchsickerte, dass SMW die Spezialimmobilie mit sattem Gewinn von geschätzt 9,2 Millionen Euro weiterverkaufen würde.

Über jenen Weiterverkauf verhandelten MWB, Sparkasse und Hoffmeister schon, als die Wache nicht einmal eingeweiht war. Im Juni 2011 war dann die Hannover Leasing neue Vermieterin der Stadt. Die neue Eigentümerin legte einen Immobilienfonds auf, in den Anleger für eine Mindestsumme von 10.000 Euro einsteigen konnten. Ihnen waren satte Ausschüttungen von 5,25 bis 6 Prozent versprochen. Selbst hochrangige Verwaltungsbeamte aus Mülheims Rathaus schämten sich in der Vergangenheit nicht, sich damit zu brüsten, wegen der lukrativen Renditeerwartungen Fondsanteile erworben zu haben. Auf Druck der Öffentlichkeit sagten die SMW-Gesellschafter zu, eine Million Euro aus dem Verkaufserlös zu stiften oder zu spenden für Zwecke, die dem Gemeinwohl in der Stadt dienen sollten.

Klamme Stadt Mülheim hatte Projekt an Finanzaufsicht vorbei organisiert

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Ein Millionengewinn für die Mülheimer Investoren, Rendite für Hannover Leasing und Anleger – all dies möglich gemacht durch ein Geschäft, zu dem die Düsseldorfer Bezirksregierung mit drei Jahren Verzug 2014 feststellte, dass die Stadt es komplett an der Finanzaufsicht vorbei durchgezogen habe. Mit der Konsequenz, dass die Behörde weder mögliche Bedenken gegen die kostspielige Umwegfinanzierung habe geltend machen noch Wege aufzeigen können, wie eine alternative Finanzierung hätte möglich sein können.

Eine alternative Finanzierung wäre für die Stadt jedenfalls erheblich günstiger gewesen. Das Fondsprospekt verschlug manchem in der Stadt 2011 die Sprache. Hannover Leasing benannte hier die an die Inflationsrate gekoppelten Jahresmieten, die die Stadt in 20 Jahren Vertragsdauer voraussichtlich an den Immobilienfonds zu leisten haben würde. Zu Beginn waren demnach gut 3,8 Millionen Euro Jahresmiete fällig, für das Jahr 2029 waren 5,4 Millionen prognostiziert.

Über 20 Jahre sollten so Mietzahlungen in Höhe von 87,6 Millionen Euro fließen. In diesem Zeitraum hätte die Stadt locker selbst eine Finanzierung des 43,7 Millionen Euro teuren Baus stemmen können - und wäre am Ende Eigentümerin jener Immobilie gewesen, auf die sie zwingend angewiesen und die auch nicht mal eben zu ersetzen ist.

Stadt Mülheim hat schon 56 Millionen Euro in die Feuerwache gepumpt

Indexmiete und Nebenkosten lagen zuletzt bei 423.960 Euro - pro Monat. Die Inflationsentwicklung zuletzt hätte die Monatsmiete (inklusive technischer Ausstattungen) noch in diesem Jahr auf rund 445.000 Euro steigen lassen - pro Quadratmeter entspricht das gut 23,40 Euro. Bis Ende 2023 hat die Stadt bereits 56 Millionen Euro in die Hauptfeuerwache gepumpt - ohne jemals die Aussicht zu haben, dass der immense Geldabfluss endet oder sie die Infrastruktur in ihren Besitz nimmt.

Das von der damaligen Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) und dem ehemaligen Kämmerer Uwe Bonan, auch von der Politik zu verantwortende Mietgeschäft entpuppte sich schnell als finanzielles Langzeitrisiko. Nicht nur wegen der Indexmiete, sondern auch wegen der Perspektive, die Wache nach einer ersten Laufzeit von 20 Jahren womöglich nur für noch mehr Geld anmieten zu können.

Das Luftbild zeigt Mülheims Hauptfeuerwache (Bildmitte). In Nachbarschaft das Hochschul-Parkhaus (links unten) und das Ruhrbahn-Betriebsgelände (oben).
Das Luftbild zeigt Mülheims Hauptfeuerwache (Bildmitte). In Nachbarschaft das Hochschul-Parkhaus (links unten) und das Ruhrbahn-Betriebsgelände (oben). © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Mülheims Stadtkämmerer sieht 20 Millionen Euro bis 2040 eingespart

Mülheims aktueller Stadtkämmerer Frank Mendack, der schon einige Hochrisiko-Baustellen seiner Vorgänger abgeräumt hat (Zins- und Währungswetten,Franken-Kredite,Kredit-Portfolio), kann nun zumindest Linderung in Aussicht stellen. In langwieriger Vorbereitung und in eineinhalb Jahre währenden Gesprächen mit der Fondsgesellschaft hat er eine Reduzierung von Miete und Indexierung aushandeln können. Mendack sieht „einen erheblichen Nachlass“ erreicht. Bis Ende 2027 spare die Stadt dabei rund vier Millionen Euro ein, bis zum Ende der zuletzt gültigen Vertragslaufzeit (31. August 2030) summierten sich die Einsparungen auf rund sieben Millionen Euro, rechnet er vor.

Um das zu erreichen, bot Mendack im Gegenzug eine Vertragsverlängerung um zehn Jahre an. Bis zu jenem Jahr 2040, so kalkuliert er, werde der neue Vertrag der Stadt 20 Millionen Euro Ausgaben ersparen. Das neue Vertragswerk ließ sich Mendack dieser Tage zunächst per Dringlichkeitsbeschluss durch Ratsfraktionschefs absegnen, der Stadtrat soll nun noch abnicken. „Ich freue mich sehr, dass das jetzt geklappt hat, aber die Summen bleiben natürlich trotzdem enorm“, so Mendack.

Mit Genugtuung kommentierte die Ratskoalition aus CDU und Grünen den Deal. Unter den gegebenen schwierigen Rahmenbedingungen sei ein optimales Ergebnis herausgesprungen, so der finanzpolitische Sprecher der CDU, Siegfried Rauhut. Er hatte den Feuerwachen-Deal schon seinerzeit, damals ohne politische Funktion, scharf kritisiert. Stadt und Politik könnten die Fehler, die damals gemacht worden seien, zwar nicht mehr korrigieren. Nun aber eine Millionen-Entlastung stehen zu haben, sei Ergebnis rechtzeitigen und beharrlichen Handelns.

Ich freue mich sehr, dass das jetzt geklappt hat, aber die Summen bleiben natürlich trotzdem enorm.
Frank Mendack

Die Feuerwache bleibt ein finanziell großer Klotz am Bein der Stadt. Mehr als Linderung war aber wohl für den Kämmerer nicht drin. In seiner Beschlussvorlage für den Stadtrat gibt er zwar an, dass er der Vermieterin auch gedroht habe, 2030 womöglich auszusteigen aus dem Mietvertrag. Doch braucht es viel Fantasie, sich vorzustellen, wo und wie die Stadt in dieser Zeit eine neue Hauptfeuerwache hätte bauen sollen. Geeignete städtische Grundstücke, die eine schnelle Erreichbarkeit aller Einsatzorte in der Stadt ermöglichen, sind mindestens rar. Und die Baupreisexplosion würde auch einen Neubau in Eigenregie deutlich teurer machen: Herne etwa baut gerade eine neue Wache in etwa der Größenordnung wie jene in Mülheim. Geschätzte Kosten: 140 Millionen Euro.

Mülheims neue Hauptfeuerwache - eine Chronologie

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