Gladbeck. Imad Al Aliwi und Alaa Alasaad sind aus Syrien geflohen und leben heute mit ihrer Familie in Gladbeck. Das denken sie über eine Rückkehr.

Seine Eltern hat Imad Al Aliwi seit elf Jahren nicht mehr gesehen. Sein größter Wunsch ist es, sie noch einmal in die Arme zu schließen. „Das würde mir neue Kraft geben. 90 Prozent meines Stresses wären dann weg“, sagt der 43-Jährige. Dass dieser Traum wahr werden könnte, ist die große Hoffnung des Familienvaters, der aus Syrien stammt und vor vielen Jahren mit seiner Frau und Kindern vor Krieg und Gewalt floh. Eine Hoffnung, die er seit dem Sturz des Assad-Regimes vor einigen Tagen hat.

Denn für Flüchtlinge aus Syrien sei es verboten, in ihr Heimatland zu reisen. „Unter Assad war es zumindest so, vielleicht kann sich das jetzt ändern.“ Eine dauerhafte Rückkehr in seine Heimat schließt er für sich und seine Familie aber aus. „Unsere Kinder sprechen zu 100 Prozent deutsch, sie sind hier gut integriert.“ Die Kinder, ein Mädchen und drei Jungs im Alter zwischen fünf und 15 Jahren, seien in ihrer neuen Heimat sehr zufrieden. „Und Syrien ist zu 95 Prozent zerstört.“

Ihren Kindern möchten die Eltern die Bilder aus Syrien ersparen

Die schrecklichen Bilder aus Syrien möchten die Eltern ihren Kindern ersparen. „Wir wollen ihnen nur schöne Fotos aus Syrien zeigen“, so der Vater. „Es macht die Kinder traurig, wenn sie sehen, wie es dort aussieht, sie sind so gefühlvoll.“ Er wisse aber auch, dass seine Tochter und seine Söhne allein über die Schule auch die Bilder und Videos zu sehen bekommen. „Das bleibt in ihren Köpfen.“

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Ob die Familie allerdings tatsächlich in Deutschland bleiben darf, da gibt es bei Imad Al Aliwi und seiner Frau Alaa Alasaad große Zweifel. „Wir wissen nicht, was die deutsche Regierung jetzt entscheiden wird. Vielleicht sollen alle Syrer wieder zurückkehren, da das Land bald als sicher gilt.“ Bei ihnen mache sich gerade eine große Unsicherheit breit.

21 Tage war die Familie aus Syrien auf der Flucht

Ende 2014 flüchtete die Familie mit damals noch zwei Kindern aus Damaskus. Über den Libanon, Ägypten, Algerien, Tunesien und Lybien ging es schließlich mit einem Boot nach Italien. „Fünf Tage waren wir mit unseren beiden kleinen Kindern auf dem Meer“, berichtet Alaa Alasaad. Um nicht mit ganz so vielen Flüchtlingen wie üblich auf einem Boot zu sitzen, zahlten sie 1500 Euro pro Person für die Überfahrt statt den sonst so üblichen 600 Euro, berichtet der inzwischen vierfache Familienvater. „Insgesamt hat uns die Flucht über 10.000 Dollar gekostet“, so Imad Al Aliwi. 21 Tage waren sie unterwegs, ehe sie in Deutschland ankamen.

Imad Al Aliwi und Alaa Alasaad stellen in ihrer Manufaktur in Gladbeck Seifen her. Auch Gewürze aus ihrem Heimatland kommen dabei zum Einsatz.
Imad Al Aliwi und Alaa Alasaad stellen in ihrer Manufaktur in Gladbeck Seifen her. Auch Gewürze aus ihrem Heimatland kommen dabei zum Einsatz. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Die ersten acht Jahre in Deutschland lebten sie in einem kleinen Dorf in der Schwäbischen Alb, 2021 kamen sie nach Gladbeck. Heute sind sie hier selbstständig, betreiben seit Mai dieses Jahres die Seifenmanufaktur Seifenbrise mit Sitz an der Postallee. „Wir wollten gerne ins Ruhrgebiet. Hier hatten wir Bekannte.“ Und sie vermuteten hier eine bessere Infrastruktur und nicht allzu weite Wege zu einem Krankenhaus, ein Sohn der Familie ist aufgrund einer Muskelerkrankung zu 100 Prozent behindert.

Gladbecker befürchten, dass Religionsgruppen sich verstärkt bekämpfen könnten

Wie sie die Lage in ihrem Heimatland nach dem Sturz des Assad-Regimes einschätzen, da ist das Ehepaar, wie wohl so viele Syrer, zwiegespalten. „Assad ist weg, aber die wichtige Frage jetzt ist, wer kommt“, so Imad Al Aliwi. Eine Befürchtung von ihnen ist, dass sich der Kampf unter den vielen verschiedenen Religionen in Syrien nun noch verschärfen könnte, so die Sunniten.

Die aktuell in Syrien vorherrschende Islamisten-Gruppe HTS verbiete den Konsum von Alkohol, den Besuch von Diskos und auch in Schule und Universität würden die Geschlechter voneinander getrennt. „Es gibt nun mehr Einschränkungen für die Menschen dort. Syrien ist kein offenes Land mehr.“ Unter Assad habe es immerhin mehr Möglichkeit gegeben. Andererseits, die schrecklichen Bilder aus Gefängnissen, auch mit Müttern und Kindern oder Schwangeren als Gefangenen, die können auch sie nicht vergessen.

Syrer sehen einige Verbesserungen in ihrer Heimat

Seit dem Sturz des Machthabers Assad habe sich aber auch einiges in dem Land verbessert. Seine Eltern hätten nun morgens, mittags und abends jeweils eine Stunde Strom statt wie bisher nur eine Stunde am Tag. Mehr Gelegenheiten also auch für Imad Al Aliwi, mit Vater und Mutter, zu telefonieren. Auch die Lebensmittel seien günstiger geworden. „Die neue Gruppe hat zwei Gesichter. Sie sind sehr islamistisch eingestellt, wollen den Menschen aber helfen.“

Und darauf komme es jetzt an. Denn eins steht für Imad Al Aliwi und seine Ehefrau Alaa Alasaad fest: „Egal, wer nun an die Macht kommt, die Hauptsache ist, dass die Menschen dort in Ruhe leben können. Sie haben alle genug von Waffen und Krieg.“

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