Gladbeck. Für die Mittelschicht wird es immer teurer. Eine Gladbecker Familie prangert die steigenden Kita-Gebühren an. „Lohnt es sich noch zu arbeiten?“

Heiko und Rebecca Molkentin sind beide berufstätig. Heiko Molkentin ist Feuerwehr-Beamter, seine Frau arbeitet in Teilzeit als Rechtsanwalts- und Notargehilfin. Zur Familie gehören zwei Kinder, eine Tochter (7) und ein Sohn (3). Dass die Eltern arbeiten gehen, um sich einen guten Lebensstandard leisten zu können, ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Doch inzwischen sei das kaum noch möglich. Dass nun in Gladbeck wieder die Kita-Gebühren erhöht wurden, ist für sie ein weiterer Beweis dafür: Alle, die arbeiten gehen, werden immer wieder verstärkt zur Kasse gebeten.

„Wir müssen jetzt jeden Monat 60 Euro mehr zahlen“, klagt Heiko Molkentin. Hinzu kämen 70 Euro Essensgeld und noch mal rund 60 Euro für das Essen in der Schul-Betreuung. Für die Familie stellt sich die Frage: Lohnt es sich überhaupt noch, dass Rebecca Molkentin arbeiten geht? Denn für die Höhe der Kita-Beiträge spielt auch das Einkommen eine Rolle.

Die Mutter möchte ihren Kindern vorleben, dass es wichtig ist, arbeiten zu gehen

Doch dass Rebecca Molkentin ein Jahr nach der Geburt ihrer Kinder wieder arbeiten gegangen ist, sei für sie sehr wichtig gewesen. „Ich möchte gefordert sein und nicht nur zu Hause sitzen.“ Auch für ihre Kinder möchte sie ein gutes Vorbild sein, ihnen vorleben, dass man arbeiten gehen muss, um sich bestimmte Dinge leisten zu können. Sie sagt aber auch: „Ich hatte Angst, sonst den Anschluss auf der Arbeit zu verlieren“, sagt die 38-Jährige.

Sich bestimmt Dinge leisten zu können, ist für das Ehepaar wichtig, dazu zählt auch der Familienurlaub. Der aber musste in diesem Jahr bereits anders aussehen als gewohnt. „Unseren Urlaub in diesem Jahr haben wir bereits um einige Tage verkürzt. Zudem waren wir in der Türkei, Mallorca konnten wir uns nicht mehr leisten“, berichtet der Familienvater. „Dabei würden wir uns zum oberen Mittelstand zählen.“

Die Familie kann inzwischen keine finanziellen Rücklagen mehr bilden

Ihr Haus in Schultendorf mit dem großen Garten und dem Pool: Um sich all das leisten zu können, hätten sie über viele Jahre hart gearbeitet. „Das, was wir uns erschaffen haben, haben wir uns über Jahre erarbeitet“, so Heiko Molkentin.

Und obwohl beide Elternteile arbeiten gehen, können sie aufgrund der steigenden Energie- und Lebensmittelkosten sowie Erhöhungen für Kita-Beiträge oder den Sportverein inzwischen keine finanziellen Rücklagen mehr bilden. Und was sie noch ärgert: Obwohl sie so hohe Beiträge für Kita und Schulbetreuung zahlen, sei schon lange der Turnraum in der Kita nicht nutzbar. „Im Winter haben die Kinder daher keine Bewegungsmöglichkeit.“ Und auch in der OGS laufe nicht alles rund. „Beispielsweise sind die Bälle platt, dann müssen Eltern mit selbst mitgebrachten Luftpumpen dafür sorgen, dass sie wieder aufgepumpt werden.“

Ehepaar will deutlich machen, wie viele Kosten anfallen

Dass sich ihre Kritik in einigen Ohren wie Jammern auf hohem Niveau anhören könnte, wissen Heiko und Rebecca Molkentin. Aber ihnen gehe es um den grundsätzlichen Fehler im System. „Es kann nicht sein, dass nur ein Teil der Gesellschaft einzahlt, das funktioniert nicht“, so der 39-Jährige. Er und seine Frau wollen bewusst machen, welche Kosten alles für eine „normal bürgerliche Familie“ wie ihre anfielen. „Wir können auch irgendwann nicht mehr“, so Rebecca Molkentin. Auch die Rate für ein Jobrad könne sie nicht zahlen. Dabei sei die Nutzung im Sinne einer Mobilitätswende doch wichtig.

„Das, was wir uns erschaffen haben, haben wir uns über Jahre erarbeitet“

Heiko Molkentin
Familienvater

Besonders ärgert sie, dass sie als Bürger, die nicht schlecht verdienen, hohe Kita-Gebühren zahlen müssen, viele andere Familien hingegen nicht. „Die, die normal ins System einzahlen, sind die Leidtragenden.“ Natürlich hätten sie Verständnis für diejenigen, die keinen Job finden, oder für eine alleinerziehende Mutter. Dennoch: „In anderen Kommunen wie Haltern oder Marl muss niemand Kita-Gebühren zahlen, berichten meine Arbeitskollegen“, so Heiko Molkentin. Er wisse, dass Gladbeck eine arme Kommune mit hohen Sozialausgaben sei, aber: „Warum müssen wir denn das Haushaltsloch stopfen?“

Bürgermeisterin Bettina Weist: Gladbeck tut viel für Familien

Ihre Kritik: Bürgermeisterin Bettina Weist habe immer für ein kinderfreundliches Gladbeck geworben, so Heiko Molkentin. Doch diesen Aspekt vermisse er im Moment. Seine Kritik hat er auch jüngst beim Stadtteilgespräch mit der Bürgermeisterin in Mitte angesprochen. Frau Weist entgegnete, dass sich Gladbeck bei dem, was die Stadt für Familien tue, nicht verstecken müsse. Dass das Land das Versprechen, ein drittes Kita-Jahr gebührenfrei zu gestalten, nicht einhalte, sei eine „wirkliche Katastrophe“. Die Stadt könne aber nicht einspringen. „Das kriegen wir nicht gestemmt.“

Sie bekomme den Haushalt nicht genehmigt, wenn sie nicht auch die Einnahmenseite im Blick habe. Schon jetzt mache die Stadt es möglich, dass die Kita-Beiträge für Geschwisterkinder entfallen würden. Zu Wort meldete sich auch der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Volker Musiol (SPD). Eigentlich sollten die Städte 16 Prozent der Kosten für Kitas durch Eigenbeiträge der Eltern decken. Das gelinge der Stadt und den freien Trägern jetzt schon nicht. Für den Fehlbetrag der freien Träger komme die Stadt auf. „Wir hängen am Tropf des Landes.“ Dass nicht alle Eltern Kita-Gebühren entrichten, sieht er als einen „Akt der Solidarität“. 

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