Gladbeck. Laut IHK ist die City gut besucht. Doch die Händler haben einen anderen Eindruck. „Gladbeck ist als Einkaufsstadt fürs Wochenende unattraktiv.“
Die Innenstadt in Gladbeck ist hochfrequentiert. Zumindest, wenn man der IHK-Passantenzählung glaubt, deren Ergebnisse alle zwei Jahre veröffentlicht werden. Doch Händler in der City haben einen ganz anderen Eindruck.
Laut der IHK (Industrie- und Handelskammer) ist Gladbeck der stärkste Standort im Kreis Recklinghausen „mit durchschnittlich 1880 Passanten“ auf der Hochstraße. „Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in Gladbeck eine hohe Frequenz haben. In Dorsten ist diese deutlich höher“, so Stephan Ignatzy, Inhaber des Bekleidungsgeschäftes Stil Vest, mit Standorten in Gladbeck und Dorsten. Auch der Pro-Kopf-Umsatz und die Kaufkraft seien in Dorsten höher, so der Geschäftsmann.
Modegeschäft-Betreiber: „Dorsten bietet mehr als Gladbeck“
Dennoch sei er mit seinem Standort in Gladbeck nicht unzufrieden. In diesem Jahr gebe es bei ihm eine deutlich zweistellige Steigerung des Umsatzes. Das führt Ignatzy unter anderem auch darauf zurück, dass zuletzt viel Konkurrenz in Gladbeck verschwunden ist, unter anderem mit der Schließung des Geschäfts von Andrea Kronenberg.
Zudem beobachte er, dass er unter der Woche stärkere Umsätze mache als am Wochenende. „Gladbeck ist als Einkaufsstadt fürs Wochenende nicht mehr so attraktiv“, lautet seine Erklärung. Das sei anders gewesen, als etwa noch Karstadt/ Hertie oder Gerry Weber in der Stadt waren. Jetzt würden viele Menschen am Wochenende eher nach Dorsten fahren, da es dort Geschäfte wie C&A, H&M und weitere gebe. Auch der Wochenmarkt mit seiner Aufenthaltsqualität ziehe dort an.
Stil Vest-Inhaber: Mehr Parkplätze für Kunden in der City nötig
Auch für Gladbeck würde sich Ignatzy wünschen, dass bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Stattdessen stehe das ehemalige C&A-Ladenlokal noch immer leer, von Seiten der städtischen Wirtschaftsförderung passiere dort nichts.
Stadtbaurat Volker Kreuzer gibt zu: „Das ehemalige C&A-Gebäude ist der markanteste Ort, für den es keine Lösung gibt.“ Aber: Viele Leerstände gehörten mittlerweile der Vergangenheit an. Dabei meint er unter anderem das ehemalige Hertie-Gebäude, an dessen Platz nun Hoch10 liegt, aber auch das Glückauf-Center und das einstige Möbelhaus Niessing am Marktplatz.
Stadtbaurat: „Horster Straße hat an Attraktivität verloren“
Kreuzer sieht in den Ergebnissen der IHK-Umfrage zudem den Beleg dafür, dass die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt stimme. „Schön, dass wir weiterhin der Spitzenreiter im Kreis sind“, so der Stadtbaurat und Erste Beigeordnete. Die Umfrage zeige aber ebenfalls, dass die Kaufkraft zu gering sei. „Und das merkt der Handel auch.“ Dennoch habe Gladbeck eine lebendige Innenstadt. Allerdings, räumt Kreuzer ein, habe die Horster Straße an Attraktivität verloren, der Fokus liege auf der Hochstraße.
Ein weiterer Kritikpunkt von Stephan Ignatzy: Es würde „dem Zeitgeist hinterhergelaufen“, Innenstädte für Radfahrer attraktiver zu machen. Stattdessen müssten mehr Parkplätze ausgewiesen werden. „Die Menschen wollen am liebsten bis ins Geschäft mit ihrem Auto fahren“, so seine Beobachtung. Bei Wind und Regen würde niemand mit dem Fahrrad fahren. „Wir sind hier nicht in Düsseldorf oder Münster, sondern im Ruhrgebiet. Und der Ruhrpottler fährt 200 Meter bis zur nächsten Trinkhalle mit dem Auto, um Zigaretten zu kaufen.“ Die Rücknahme des Fahrradstreifens und damit die Wiederherstellung der Parkplätze auf der Buerschen Straße sei hier schon ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen.
Wonne-Inhaberin ist frustriert und beobachtet Zurückhaltung bei den Kunden
Auch Editha Nüsgen, Inhaberin des Geschäfts „Wonne“ am unteren Ende der Horster Straße in der Innenstadt, kann die Einschätzung der IHK nicht teilen. Zwischen der reinen Passantenfrequenz und dem, was beim Handel ankommt, scheint es also eine Diskrepanz zu geben. „Im Moment ist es eher frustrierend.“ Man merke deutlich, dass die Menschen kaum Geld ausgeben. Sie seien eher sparsam unterwegs. „Sie geben zwar Geld für Geschenke aus, gönnen sich aber selbst nichts.“
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Nüsgen betreibt ihren Laden seit 2022, sie wisse, dass die Selbstständigkeit gerade zu Beginn „ein teures Hobby“ sei. Ob sie noch weiter durchhalten werde, könne sie derzeit noch nicht absehen. Jetzt hoffe sie zunächst einmal auf das Weihnachtsgeschäft.
Online-Handel hält viele Kunden aus den Geschäften fern
Ihre Kunden kämen auch aus umliegenden Städten, so Nüsgen, und meint damit vor allem Gelsenkirchen und Bottrop. Das liege unter anderem daran, dass auch diese Innenstädte „tot“ seien. „Viele sagen, dass Gladbeck ja noch etwas zu bieten hat.“ Aber viele Menschen seien bequem geworden und würden überwiegend online einkaufen. Das hat auch die IHK in ihren Ergebnissen festgehalten: „Die Kundinnen und Kunden halten sich weiterhin beim Konsum zurück, und der Onlinehandel gewinnt an Bedeutung.“
„Die Menschen geben zwar Geld für Geschenke aus, gönnen sich aber selbst nichts“
Viele würden oft jammern, wie schlecht es um die Innenstädte bestellt sei, aber statt vor Ort zu unterstützen, werde dann doch wieder im Netz geshoppt. Sie habe zwar einige Stammkunden, aber das reiche nicht aus.
>>> Gladbecks Nachbarstadt Gelsenkirchen hat große Kundenmagnete verloren
Seit 2014 erhebt die IHK alle zwei Jahre die Passantenfrequenz, um langfristige Trends zur Anziehungskraft der Innenstädte zu ermitteln. 2020 und 2022 waren dabei Rückgänge zu verzeichnen, vor allem durch die Corona-Pandemie und steigende Inflation. Von diesen Verlusten erholen sich die Zentren unterschiedlich gut, so die IHK. Eine Folgerung, die Christoph Berger, Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses, daraus zieht: „Der Handel bleibt ein wichtiger Frequenzbringer, aber er ist nicht mehr der einzige.“ Hinzu kämen Gastronomie, Dienstleistung, Kultur und Freizeit. „Wir brauchen Atmosphäre, Aufenthaltsqualität und eine attraktive Nutzungsmischung.“
Ein Blick in die Nachbarstadt Gelsenkirchen zeigt, dass dort, trotz der Größe der Stadt, kaum mehr los ist als in Gladbeck. Dort wurden an den acht Donnerstagen an der Bahnhofstraße mehr als 2000 Besucher und an den Samstagen rund 1600 Passanten gezählt. Das sind laut IHK weniger als selbst im Krisenjahr 2022. Mit Saturn, Primark und Kaufhof haben allerdings auch gleich drei Kundenmagnete die City verlassen.
IHK: Tage unter der Woche werden immer beliebter
Mit der aktuellen Zählung hat die IHK einige Neuerungen eingeführt, um die Aussagekraft der Messergebnisse zu erhöhen. Während bis einschließlich 2022 jeweils in einer Stunde an einem Donnerstag und einem Samstag die Besucherinnen und Besucher gezählt wurden, fließen seit diesem Jahr erstmals die Daten von insgesamt 16 Terminen pro Standort ein. Dazu wurden nun GPS-Bewegungsdaten genutzt.
Neben den Ergebnissen der jeweils einstündigen Messungen, die wegen der besseren Vergleichbarkeit zu den Vorjahren für die Auswertung herangezogen wurden, hat die IHK nun auch den Tagesfrequenzverlauf ermittelt. „Damit bilden wir die oft deutlichen Verschiebungen innerhalb eines Tages ab, die eine Folge flexiblerer Arbeitszeiten und von Homeoffice sind“, erläutert IHK-Handelsreferent Christian Paasche. Trotz dieser gesellschaftlichen Entwicklungen bleibe der Samstag zwar wichtigster Einkaufstag. „Die Tage unter der Woche werden aber immer beliebter“, stellt Paasche fest.
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