Gladbeck. Nach dem verkündeten Aus für die C&A Filiale verliert Gladbecks City weiter an Angebotsvielfalt. Andrea Kronenberg schließt ihr Modegeschäft.
Eine weiterer Schlag für die Angebotsvielfalt und Einkaufs-Attraktivität der Gladbecker Fußgängerzone: Andrea Kronenberg schließt ihren Laden für Damen- und Herrenmode an der Hochstraße. Damit verliert die Innenstadt das bekannteste Fachgeschäft für hochwertige Konfektionsware auch bekannter Designer wie Joop oder Ana Alcazar. Nur noch wenige Monate ist geöffnet.
Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt die Unternehmerin. Sie liebe ja ihr Metier und die Beratung der Kundschaft. Die Belastung im Job sei aber nicht weniger geworden, mit Sechs-Tage-Woche und dem Sonntag fast immer auch als Arbeitstag für Bürokram und Bestellungen. Nach 40 Jahren kontinuierlicher Berufstätigkeit habe sie sich so Zeit genommen, um über ihre Zukunft nachzudenken.
Wunsch: Mehr Zeit für die Familien und für sich selbst zu haben
Ihre betagten Eltern zu unterstützen, das sei ihr sehr wichtig, auch generell mehr Zeit für die Familie und auch sich selbst zu haben, so die attraktive Einzelhändlerin, der man kaum glauben mag, dass sie ihr 60. Lebensjahr im Vormonat vollendete. Gradlinig und konsequent, wie sie es immer getan hat, wenn sie eine Entscheidung fällte, wird es Andrea Kronenberg jetzt auch halten. Die ins Geschäft kommenden Stammkunden werden so nach und nach über ihren Plan informiert.
Am 31. August ist Schluss, dann läuft auch der Mietvertrag an der Hochstraße 38 aus. Sicherlich habe sie sich „Gedanken über eine Nachfolge gemacht“, sagt Andrea Kronenberg. „Bislang hat sich aber niemand gefunden, auch nicht über die Kontakte der Lieferanten, der hier weitermachen möchte.“ Ebenso nicht die langjährige Mitarbeiterin Susanne Gevers, eine von fünf Angestellten in Gladbeck, die ihre Arbeitgeberin verlieren. Eine Geschäftsübernahme mit aller unternehmerischer Verantwortung, „das ist mir einfach zu viel“, sagt die Fachverkäuferin. Und auch wenn sie wie ihre Kolleginnen guten Kontakt zur Kundschaft habe, könnten sie Andrea Kronenberg als Seele und Motor des Unternehmens nicht ersetzen.
Für die Stammkundschaft ist die Nachricht ein Schock
Für die Stammkundschaft, die rund 80 Prozent der Besucher des Modegeschäftes ausmachen, ist die Nachricht sichtlich ein Schock. Darunter Viktor Glauer (88), Kunde erster Stunde, als Andrea Kronenberg vor 26 Jahren, am 13. September 1997, den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, mit der Eröffnung ihres Herrenmode-Fachgeschäft an der Hochstraße 36. Das direkt benachbarte Ladenlokal des heutigen Geschäfts, das sie mit Liebe zum Detail aufwendig renovierte und dabei den historischen Originalzustand des Eingangsbereichs wieder herstellte. Für dieses Engagement wurden sie im Jahr 2003 mit dem viel beachteten Stadtbildpreis geehrt. Der Geschäftserfolg an der Hochstraße und die Nachfrage vieler Damen, die ihre Männer beim Einkauf begleiteten, warum es denn nicht auch ein Modenangebot in ähnlicher Qualität für sie gebe, führten zur Eröffnung von Linea B - Damenmode am Goetheplatz. Bis schließlich beide Geschäfte im heutigen Ladenlokal Hochstraße 38 zusammengeführt wurden.
Es dürfe eigentlich nicht sein, dass Andrea Kronenberg schließe, sagt Viktor Glauer. Denn immer wenn er in der Stadt sei, schaue er bei ihr vorbei, wenn er nichts kaufe, „um zumindest einen Espresso zu trinken“ und ein Schwätzchen zu halten. Längst hat sich eine Freundschaft mit der sympathischen Einzelhändlerin entwickelt, für den Senior ist sie so etwas wie eine Ersatztochter geworden. Und selbstverständlich hat er auch ihren modischen Rat gesucht, als er seinen 80. Geburtstag feierte.
Unternehmerin fühlt sich den Menschen in ihrer Heimatstadt sehr verbunden
Ebenso ergeht es Ralph Hombücher (42). Als 16-Jähriger sei er von seinem Opa in die Kronenbergsche Modewelt eingeführt worden. Seitdem Stammkunde, so dass freilich auch sein erster Anzug hier gekauft wurde. Auch jetzt füllt sich seine Einkaufstüte mit feiner Herrenmode. Für ihn sei Andrea Kronenberg zudem eine Vertraute, mit der man private Freude aber auch Schicksalsschläge teilen könne, wie den Tod des Vaters. „Hier wird zusammen geweint und gelacht“, sagt er.
Lesen Sie auch:
- Preissenkung. Heizkosten: Ele kündigt deutliche Preissenkung bei Gas an
- Autobahnausbau. A52 in Gladbeck: Berliner Ampelkoalition drängt auf Ausbau
- Zerstörung.Vandalismus: Stadtverwaltung Gladbeck sucht nach Lösungen
- Vandalismus. Zerstörungswut und Ekel-Klos kosten Gladbeck viel Geld
Andrea Kronenberg fühlt sich den Menschen ihrer Heimatstadt verbunden. Und es habe für sie „keinen anderen Ort der Welt gegeben“, wo sie sich selbstständig machen wollte, auch wenn es sie beruflich zunächst in andere Städte verschlug. Im Jahr 1983 machte sie das Abitur am Riesener-Gymnasium, dann folgte die Ausbildung zur Industriekauffrau in der Gelsenkirchener Firma Marcona-Kleidung und später der Wechsel zu Marbert-Kosmetik in Düsseldorf, wo sie im Finanz- und Rechnungswesen bis zur Geschäftseröffnung in Gladbeck arbeitete.
Vater und Ehemann waren auch in der Modebranche tätig
Auch interessant
Die Liebe zu hochwertiger Bekleidung und der Modebranche wurden bereits in jungen Jahren geweckt. Kein Wunder, schließlich arbeitete ihr Vater, Bernhard Terhechte, viele Jahrzehnte als Betriebsleiter im Gladbecker Textilunternehmen Buschfort. Ihren späteren Ehemann, Joachim Kronenberg, lernte sie als Auszubildende bei Marcona kennen und dann auch lieben. Als Vertriebsleiter hochwertiger Oberbekleidung international tätiger Unternehmen unterstützte er sie als Einzelhändlerin und entlastete auch bei der Buchführung – bis zu seinem zu frühen Tode vor sieben Jahren. Ein weiterer Schicksalsschlag war auch der kürzliche Tod ihrer Schwester Regina, beliebte Wirtin der Afrika Lounge, mit der sie eng verbunden war.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Andrea Kronenberg will jetzt ein bisschen mehr auf sich selbst achten, aus dem Hamsterrad der beruflichen Anstrengung aussteigen. So wird sie künftig mehr Zeit für Urlaube in Grömitz an der Ostsee oder im geliebten Griechenland haben. Und um zu lesen, so dass sie nicht nur die schweren Bücher in den Urlaub mitschleppen muss wie bisher, weil sie im Berufsalltag nie zum geliebten Schmökern kam. Ganz der Modewelt beruflich den Rücken kehren, das möchte Andrea Kronenberg aber auch nicht. Sie könne sich gut vorstellen, „in Teilzeit als angestellte Fachkraft in der Branche zu arbeiten“, sagt sie. Man darf ihr also alles Gute wünschen - und gespannt sein.