Gladbeck. Eigentlich müssen Kita-Träger für den Betrieb ihrer Einrichtungen einen Eigenanteil zahlen. Doch das klappt schon seit Jahren nicht mehr.

Das Land zahlt Gelder aus dem Kinderbildungsgesetz (Kibiz), und auch die Eltern zahlen für die Betreuung der Kinder in der Kita. Doch das Gesetz sieht vor, dass die Träger, also etwa Kirchen, Awo, Elterninitiativen für den Betrieb einer Kita auch einen Eigenanteil aufbringen müssen. Die Höhe dieses Anteils unterscheidet sich je nach Träger. Kirchen etwa müssen laut Kinderbildungsgesetz (Kibiz) einen Eigenanteil von 10,3 Prozent erbringen, bei Trägern der freien Jugendhilfe liegt er bei 7,8 Prozent, Elterninitiativen etwa müssen einen Anteil von immerhin noch 3,4 Prozent aufbringen.

Nur: Schon seit vielen Jahren sind die Träger kaum noch in der Lage, diesen Anteil aufzubringen. Die Folge: Die Stadt springt mit einer Sonderförderung ein. So übernimmt sie teils anteilig, teils sogar komplett, die Summe, die die Träger sonst selbst aufbringen müssten.

Diese Summen erhalten die verschiedenen Träger in Gladbeck

Im jetzt anstehenden Kita-Jahr 2024/25 sind es immerhin rund 1,6 Millionen Euro, die die Stadt dafür zahlt. Zum Vergleich: Im Kita-Jahr 2017/18 lag die Sonderförderung noch bei 952.463 Euro. Zuletzt wurden die Zahlen im Jugendhilfeausschuss vorgelegt. Die evangelische Kirche erhält so etwa 612.940 Euro seitens der Stadt. In dieser Summe sei aber auch die Miete für die Kita Lukasstraße enthalten, heißt es von der Verwaltung. Die katholische Kirche, sprich der Kita-Zweckverband, erhält 475.129 Euro, die Awo 196.453 Euro, die Falken 144.937 Euro und Junikum 135.851 Euro. Anteilig erhält auch der SkF noch 21.468 Euro, doch der Verband gibt seine letzte Kita nun auf, Junikum übernimmt.

Doch warum macht die Stadt das, warum übernimmt sie Kosten, für die eigentlich die Träger aus ihrer Kasse aufkommen müssten? Ganz simpel ausgedrückt: Macht sie das nicht, wird es am Ende für sie noch teurer. Das hängt mit dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz zusammen. Um den erfüllen zu können, muss die Stadt entsprechende Einrichtungen vorhalten. Besteht sie nun darauf, dass die Träger ihren Eigenanteil komplett selbst tragen, dürfte es so kommen, dass sie die Trägerschaft über die Kita abgeben, wie es in der Vergangenheit auch schon vorgekommen ist.

Findet sich kein Träger muss die Stadt die Kita selbst betreiben

Dann gibt der katholische Zweckverband etwa eine Kita auf. Die wird aber gebraucht, und findet sich kein anderer Träger, so muss am Ende die Stadt selbst als Träger oder Betreiber dieser Kita einspringen. „Und das ist die teuerste aller Lösungen“, sagt Sozialdezernent Rainer Weichelt. Denn auch für Städte sieht das Gesetz einen Eigenanteil vor. Und der liege bei 12,5 Prozent. Heißt im Umkehrschluss: Selbst wenn die Stadt für alle Träger den Eigenanteil komplett als Sonderförderung übernehme, würde sie damit günstiger fahren.

„Die Zahlung einer Sonderförderung an die Träger ist für die Kommune die bessere, kostengünstigere Option zur sonst drohenden Aufgabe der Trägerschaft der Träger.“
Aus der Verwaltungvorlage

Zur Wahrheit gehört: Bei einigen Trägern macht sie das auch. Die Awo etwa gilt als armer Träger, der Eigenanteil wird hier komplett von der Stadt übernommen. Gleiches gilt für die Falken und Junikum, auch hier zahlt die Stadt Gladbeck den kompletten Eigenanteil. Denn so heißt es auch ausdrücklich seitens der Verwaltung in der entsprechenden Ausschussvorlage: „Die Zahlung einer Sonderförderung an die Träger ist für die Kommune die bessere, kostengünstigere Option zu sonst drohenden Aufgabe der Trägerschaft der Träger.“ Das sei im Land auch gängige Praxis.

Bisher hat sich die Sonderförderung in Gladbeck an den Taufzahlen orientiert. Heißt: Kirchliche Träger haben den Eigenanteil für getaufte Kinder komplett oder zumindest anteilig getragen. Für nicht-getaufte Kinder in konfessionellen Kitas ist die Stadt eingetreten. Das ändert sich jetzt, die Taufzahlen werden, zumindest für eine Probezeit von drei Jahren, keine Rolle mehr spielen. Stattdessen hat die Verwaltung nun Durchschnittswerte der verbliebenen Trägeranteile der vergangenen zwei Jahre gebildet und die als Grundlage für die Förderung genommen.

„Das Kibiz stellt eine chronische Unterfinanzierung dar“
Rainer Weichelt - Sozialdezernent Gladbeck

Heißt im Ergebnis: Die kirchlichen Träger zahlen auch weiterhin zumindest anteilig ihren Eigenanteil. Für die evangelische Kirche liegt er dann bei 1,85 Prozent, bei der katholischen Kirche kommen noch 2,51 Prozent aus eigenen Mitteln. Für die Stadt sei das unter den gegebenen Umständen die günstigste Lösung, sagt Rainer Weichelt. Gleichzeitig werde so aber auch deutlich, dass das gesamte System unterfinanziert sei. „Das Kibiz stellt eine chronische Unterfinanzierung dar“, so der Sozialdezernent. Eine Kritik, die die Kommunen gegenüber dem Land auch regelmäßig erheben.

Darauf weist auch Tanja Krakau, Geschäftsführerin der evangelischen Kirche in Gladbeck, hin. Sie sagt: „In der Regel sind die Träger der Kindertageseinrichtungen in Gladbeck gemeinnützig und nicht, oder nur in geringem Maße, in der Lage, diesen Eigenanteil zu übernehmen.“ Vor diesem Hintergrund sei die Stadt Gladbeck schon seit vielen Jahren bereit, die Träger mit Sonderförderungen zu stützen. Sie macht auch deutlich, was passieren würde, würde die Stadt das nicht tun. „Dann wären die Träger realistisch nicht mehr in der Lage, die Einrichtungen zu betreiben.“

„In der aktuell geführten Diskussion um die Zukunft von Kindertageseinrichtungen wird übrigens nahezu immer eine Vollfinanzierung gefordert.“
Tanja Krakau - Geschaftsführerin ev. Kirche in Gladbeck

Bisher setzt sich die Finanzierung der Kita-Plätze aus verschiedenen Bausteinen zusammen. Anhand der Anzahl und dem Alter der Kinder errechnet sich die Kindspauschale nach dem Kibiz. Dazu kämen weitere Pauschalen für individuell auf die Einrichtung bezogene Gegebenheiten, wie etwa für erweiterte Öffnungszeiten, Mietzuschüsse, wenn sich die Einrichtung nicht im Eigentum befindet, Sprachförderangebote oder Angebote zur Inklusion, erläutert Tanja Krakau. Von dieser Kindspauschale erhalte der Träger einen Landeszuschuss, bei kirchlichen Trägern liege er bei 40,3 Prozent. Dazu kämme der Jugendamtszuschuss, bei kirchlichen Trägern 49,4 Prozent, in den auch die Elternbeiträge eingeflossen seien, so Krakau weiter.

Was dann fehlt, müsse eben durch den Eigenanteil oder aber die kommunalen Sonderförderungen abgedeckt werden. Tanja Krakau hofft, dass sich das irgendwann ändert, denn: „In der aktuell geführten Diskussion um die Zukunft von Kindertageseinrichtungen wird übrigens nahezu immer eine Vollfinanzierung gefordert.“

Subsidiaritätsprinzip

Neben der finanziellen Frage spielt für die Stadt aber auch das Subsidiaritätsprinzip eine Rolle. Das sieht vor, dass eine höhere staatliche Einheit, in dem Fall die Kommune, erst dann als Träger übernimmt, wenn untergeordnete Einheiten nicht ausreichen.

Auf diese Weise wird vor Ort auch eine Trägervielfalt sichergestellt. So haben Familien die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern, die womöglich unterschiedliche Schwerpunkte setzen.