Gladbeck. Gladbecks Sozialdezernent Rainer Weichelt geht in den Ruhestand. Was er dann vorhat, und wie er auf seine Zeit im Rathaus zurückblickt.
Rainer Weichelt ist nicht nur Sozialdezernent, sondern auch Erster Beigeordneter. Noch. Denn der 67-Jährige geht Ende des Monats in den Ruhestand, nach zwei Wahlperioden und knapp 40 Jahren bei der Stadt Gladbeck. Mit der WAZ sprach er über seinen Abschied, die freie Zeit und die beiden Bürgermeister, unter denen er gearbeitet hat.
Sie sind Vollblut-Dezernent, kaum jemand wird die Stadt in den vergangenen Jahren so sehr geprägt haben wie Sie. Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie ab dem 1. August nicht mehr wie jeden Morgen ins Rathaus gehen werden?
Mittlerweile sehr gut. Ich habe jede Menge in meinem Ruhestand vor. Ich muss mich neu erfinden. Weiterhin werde ich aber jeden Morgen Butterbrote schmieren, denn meine Frau wird noch etwa weitere zehn Jahre arbeiten gehen. Und diesen festen Rhythmus möchte ich beibehalten.
Was haben Sie sich für den Ruhestand vorgenommen?
Privat habe ich noch jede Menge Papierkram zu erledigen. Zudem möchte ich noch das ein oder andere aufschreiben. Das wird aber nichts mit Gladbeck zu tun haben, sondern ist eine innere Klärung familiärer Art. Ansonsten werde ich meinen vielfältigen Interessen Musik, Kunst und Literatur nachgehen. Und mich natürlich im gerade gegründeten Bündnis Pro Demokratie engagieren. Vieles lasse ich aber auf mich zukommen. An meinem ersten freien Tag, am 1. August, werde ich ins Münsterland fahren, mich auf eine Wiese liegen und einfach drei, vier Stunden nur in den Himmel schauen. Ich werde ein Baguette und ein Stück Weichkäse mitnehmen.
Da klingt heraus, dass Sie die vergangenen Jahre hart gearbeitet haben und sich nach absoluter Freiheit und Entspannung sehnen.
Ich merke, dass die Lebenszeit an mir nagt. Das Pensum, das ich zu erledigen habe, konnte ich vor zehn Jahren noch besser ableisten. Ich habe besonders in den vergangenen 16 Jahren in meiner Zeit als Sozialdezernent sehr intensiv gearbeitet. Und werde das auch bis zum letzten Tag tun. Meine Amtszeit endet offiziell am 31. Juli, und das wird auch mein letzter Arbeitstag sein. Bürgermeisterin Bettina Weist ist Ende Juli nämlich im Urlaub und da werde ich sie vertreten. Volker Kreuzer übernimmt erst ab dem 1. August das Amt des Ersten Beigeordneten. Es entspricht mir aber auch, bis zum letzten Tag zu arbeiten.
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Sie haben fast Ihr gesamtes Berufsleben bei der Stadt Gladbeck gearbeitet. Worauf sind Sie besonders stolz?
Fast 40 Jahre habe ich für die Stadt Gladbeck gearbeitet. Es scheitert nur an zwei Monaten. Ich habe immer mit viel Spaß und hohem Einsatz gearbeitet, das darf ich wohl so sagen. Ich bin immer ehrgeizig und sehr leistungsorientiert gewesen. Das habe ich auch von meinen Kollegen erwartet. Ich hatte immer den Anspruch, für die Menschen hier Gutes zu hinterlassen.
Ist Ihnen das gelungen?
Ja, das glaube ich schon. Mein großer Verdienst ist die gute Vernetzungsarbeit in Gladbeck, ich habe Netzwerken wie etwa dem Bündnis für Familie als Geschäftsführer und als zuständiger Dezernent eine wesentliche Struktur gegeben, die zu einem intensiven Miteinander geführt hat. Die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden, Migrantenselbstorganisationen und Vereinen und Initiativen waren mir immer sehr wichtig. Gladbeck hat schwierige sozioökonomische Rahmenbedingungen, was aber beispielsweise Sprachbildung und Bildungserfolge angeht, erzielen wir im Vergleich mit anderen Städten Ergebnisse, die sich sehen lassen können. Es ging mir immer darum, Familien so zu stärken, dass Kinder die besten Voraussetzungen für ein selbstständiges Leben haben. Es geht schließlich um die Fortschreibung und Zukunft unserer Gesellschaft. Wir haben keine Gasvorkommen oder Seltenen Erden bei uns, daher ist die Investition in Köpfe so wichtig. Meine Arbeit wollte ich immer auf sozialwissenschaftliche Grundlagen stellen, so haben wir etwa einen Schwerpunkt auf die Familienberichterstattung gelegt. Aus dem ersten Familienbericht entstand 2008 das Innenstadtkonzept, mit dem in den vergangenen Jahren etwa 25 Millionen Fördermittel zur Verbesserung der städtebaulichen und sozialen Situationen nach Gladbeck geflossen sind. Und ich finde, unsere Innenstadt kann sich trotz aller Umbrüche sehen lassen. Wichtig war mir, den Familienbericht alle fünf Jahre, also regelmäßig neu zu erstellen. Um zu sehen, wo wir anpacken müssen. Bei mir fußt alles auf Planung.
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Was hätten Sie im Nachhinein lieber anders gemacht?
Im Moment fehlt mir noch der nötige Abstand, um diese Frage beantworten zu können. Sicher habe ich auch Fehler gemacht, man weiß vorher nie, ob man den richtigen Schachzug macht. Grundsätzliches habe ich aber nicht falsch gemacht. Große Herausforderungen waren sicher die Zuzüge ab 2015, die
Corona-Zeit und auch natürlich der Krieg, den Putin gegen die Ukraine seit Anfang 2022 vom Zaun gebrochen hat. Das Thema Integration liegt mir sehr am Herzen. Es ist ein wichtiges Thema für die Zukunft Gladbecks, aber auch ein umstrittenes. Vielleicht hätte ich da mehr Wert drauf legen müssen.
Sie haben sowohl unter Bürgermeister Ulrich Roland als auch unter Bürgermeisterin Bettina Weist gearbeitet. Wer war Ihr liebster Chef?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten (lacht). Mit Bettina Weist habe ich 20 Jahre sehr eng und sehr gut zusammengearbeitet. Wir
waren zu Beginn beide noch in ganz anderen Funktionen als heute miteinander unterwegs. Mit der Gründung des Jugendrates der Stadt Gladbeck hat es begonnen. Sie hat schon jetzt, in ihrem vierten Amtsjahr als Bürgermeisterin eine klare Handschrift hinterlassen, die sich zum Beispiel in einer modernisierten Wirtschaftsförderung und der Modernisierung der Verwaltung spürbar niederschlägt. Mit Ulrich Roland habe ich 13 Jahre eng zusammengearbeitet und er hat damals mein Dezernat gebildet und mir die Möglichkeit geboten, mich auf die Stelle als Beigeordneter zu bewerben. Ihm habe ich viel zu verdanken. Fest steht, dass beide viel für die Stadt geleistet haben. Bürgermeister zu sein, ist ein sehr stressiger Beruf. Man muss aufpassen, dass man den Job nicht zu lange macht, denn er frisst einen auf. Man ist immer auch der Prügelknabe. Bettina Weist hat eine extreme Zugewandtheit zu den Menschen. Zudem arbeitet sie ohne feste Mehrheit im Rat, da muss man echt den Hut vor ziehen.
Frau Weist wird mit Ihnen einen großen Anker verlieren. Es wird kaum jemanden in der Verwaltung geben, der Gladbeck so gut kennt wie Sie.
Es wird anders, aber es kann auch besser werden. Mein Nachfolger ist eine sehr gute Wahl des Rates gewesen.
Können Sie sich vorstellen, da Sie ja bald nicht mehr in der Verwaltung tätig sind, sich in Ihrer Partei, der SPD zu engagieren?
Nein. Ich brauche für mich jetzt erst einmal Abstand. Ich muss Kopf und Seele freibekommen. Gladbeck ist aber über und durch die Arbeit meine Stadt geworden und ich werde hier auch wohnen bleiben. Meine Kinder sind hier aufgewachsen, ich habe der Stadt und den Menschen in dieser Stadt viel zu verdanken. Ich habe diese Stadt mitgestaltet und auch die Erinnerungskultur mitgestaltet, indem ich als Historiker eine Reihe von Büchern über die Stadt geschrieben habe. Jetzt werde ich diese Stadt genießen. Aus Gladbeck wegzugehen, würde mir weh tun. Ich brauche aber Abstand zu den Dingen des Rathauses. Ich kann und werde mich künftig heraushalten.
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