Emmerich. Die NRZ veröffentlicht die nicht gehaltenen Reden zum Haushalt 2022 in Gänze. Es hagelt Kritik an der Entwicklung der Finanzen in Emmerich.

Der Rat hat am Dienstag den Haushalt 2022 verabschiedet. Inklusiver kurzfristig eingereichter Sparmaßnahmen der CDU. Das Defizit beträgt 11,7 Millionen Euro, das Gesamtvolumen 88,8 Millionen Euro, die Gesamtinvestitionen 32,1 Millionen Euro. Die Haushaltsreden wurden coronabedingt nicht gehalten. Es wurde auch in verkleinerter Runde getagt. Die NRZ veröffentlicht die Reden.

>> Dr. Matthias Reintjes, CDU-Fraktionsvorsitzender:

Dr. Matthias Reintjes ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat Emmerich.
Dr. Matthias Reintjes ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat Emmerich. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Es ist sicherlich ungewöhnlich und bis vor kurzem auch sicherlich undenkbar gewesen, dass der Haushalt der Stadt Emmerich am Rhein ohne die Reden der Fraktionen und ohne Haushaltsdebatte abgestimmt wird. Zum Ende des zweiten Jahres der Corona-Pandemie ist aber immer noch vieles anders, sodass die Haushaltsreden erneut zu Protokoll gegeben werden und der Rat in verkleinerter Form über ein dramatisches und historisches Haushaltsdefizit von 12,5 Millionen Euro berät. Entsprechend kurz werde ich mich fassen.

Die Corona-Pandemie hat in den letzten zwei Jahren Prioritäten verschoben und finanzielle Auswirkungen auch für den städtischen Haushalt hinterlassen. Wegfallende Einnahmen, coronabedingte Mehrausgaben und massive Preissteigerungen im Baubereich prägen das Bild – nicht nur in Emmerich, sondern auch in anderen Kommunen und Kreisen im Land. Das Jahr 2022, soviel kann bereits heute trotz steigender Impfquote gesagt werden, wird an diese traurige Entwicklung anknüpfen. Der Haushaltsentwurf 2022 knüpft leider nicht an gute Zeiten an und stellt in dreierlei Hinsicht eine Zäsur da.

CDU sieht Bürgermeister als verantwortlich für den Greensill-Millionen-Verlust

Zum einen hat die Stadt zwischenzeitlich in einem beispiellosen Finanzskandal sechs Millionen Euro liquide Mittel an die Pleitebank Greensill verloren – sehr viel Steuergeld, das wir, so zeigt sich heute, gut hätten gebrauchen könnten. Die CDU-Fraktion hat hier gegen den Willen des Bürgermeisters Transparenz und Aufklärung gefordert. Auch wenn der Begleitausschuss zum Finanzskandal seine Arbeit noch nicht beendet hat, ist für die CDU-Fraktion klar, dass Sie, Herr Bürgermeister, die politische Verantwortung für den Millionenverlust tragen.

Zum anderen kommen wir auf Antrag der CDU-Fraktion nun zur längst überfälligen Umstrukturierung der Verwaltung. Mit einem neuen Dezernat für die Bereiche Schule, Jugend, Sport sowie Arbeit, Soziales und Integration, der Schaffung der Stelle eines zweiten Beigeordneten sowie der Neuaufstellung der IT für die Verwaltungsdigitalisierung schiebt die CDU die längst überfällige Modernisierung der veralteten Strukturen der Verwaltung an.

Die Verwaltung in Emmerich soll noch weiter umstrukturiert werden

Die geplanten Veränderungen sind dabei – und das betone ich ausdrücklich - aus Sicht der CDU-Fraktion auch nur der erste Schritt, die Verwaltungsstruktur den modernen Gegebenheiten anzupassen. Die CDU-Fraktion sieht vor dem Hintergrund der steigenden Anforderungen dringenden Handlungsbedarf zur organisatorischen und personellen Weiterentwicklung der Aufgabenbereiche IT und Digitalisierung. Aufgrund deren Bedeutung für die zukünftige Funktionsweise und Effektivität der Gesamtverwaltung nach innen sowie des digitalen Bürgerservices nach außen, ist dieser Schritt, trotz der aktuellen Haushaltslage unverzichtbar.

Wir verbinden mit der Maßnahme den klaren Anspruch, dass es für die finanzintensiven Bereiche Jugend, Schule und Sport – hier insbesondere für den Bereich Schulneubauten – ein ordentliches Controlling und Projektmanagement (was wir seit Jahren fordern) geben wird, und dass die Politik in Zukunft frühzeitiger und umfassender informiert und eingebunden wird.

CDU kritisiert oftmals späte Information des Bürgermeisters

Mit Verlaub, Herr Bürgermeister, es ist in den letzten Jahren zur Unsitte geworden, dass gerade aus Ihrem Dezernat die politischen Gremien nur rudimentär und immer viel zu spät informiert werden. Ein Beispiel von unzähligen ist das Millionenprojekt Gesamtschule – hier bekommt man Informationen zum Baufortschritt und Verfahren als Entscheidungsgrundlage für Ausgaben in Millionenhöhe erst kurz vor knapp „vor die Füße geschmissen“, soll dann aber ad hoc und so schnell es geht entscheiden. Beim besten Willen – so geht man nicht mit den gewählten Volksvertretern um.

Nun zum historischen Defizit von 12,5 Millionen Euro. Wir als CDU sehen die finanzielle Entwicklung unserer Stadt mit sehr großer Sorge – es droht bereits in drei Jahren die Haushaltssicherung. Das Defizit ist in dieser Höhe so einmalig, dass wir im Rahmen eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgangs mit unseren Stadtfinanzen bereits heute konkrete Konsolidierungsmaßnahmen vorschlagen müssen und diese zur Bedingung einer Zustimmung zum Haushalt machen. Diese lauten:

1. Nach § 75 Abs. 2 GO NRW wird ein globaler Minderaufwand von ein Prozent der Aufwendungen im Ergebnisplan für das Jahr 2022 (ca. 800.000 Euro) vorgesehen.

2. Der Stellenplan wird für die Jahre 2023 und 2024 auf dem von der Verwaltung vorgeschlagenem Niveau für das Jahr 2022 (inklusive. aller Änderungen) gedeckelt.

3. Die Arbeitsgruppe Haushalt wird beauftragt, im Bereich der jährlichen Auszahlungen an die Beteiligungen ein Konsolidierungspotenzial von min. 500.000 Euro zu identifizieren.

4. Für folgende Projekte werden Sperrvermerke festgelegt: de Wette Telder und zweite Jugendeinrichtung.

5. Im Jahr 2022 werden alle unterjährigen Eingaben und Anträge, die haushaltswirksam sind, automatisch in die Haushaltsberatung für den Haushalt 2023 verwiesen.

Sparmaßnahmen als Voraussetzung einer CDU-Zustimmung zum Haushalt 2022

Wenngleich auch schmerzlich, sind die beantragten Maßnahmen aktuell unverzichtbar, denn aus unserer Sicht kann nicht gewartet werden, bis die AG Haushalt ihre Arbeit zur Mitte des kommenden Jahres 2022 vorstellt. Es besteht akuter Handlungsbedarf!

Die CDU-Fraktion hat ihre Sorgen und ihren Unmut zum Ausdruck gebracht und die großen Herausforderungen unserer Stadt benannt. Trotz der aufgezeigten Kritikpunkte werden wir dem Haushalt schweren Herzens zustimmen, da wir die Ablehnung des Haushaltes im Sinne einer Generalabrechnung für den falschen Weg halten, sofern unsere Konsolidierungsmaßnahmen eine Mehrheit finden.

Abschließend möchte mich insbesondere bei der neuen Kämmerin Frau Büker und ihrem Team und der gesamten Verwaltung für die geleistete Arbeit bedanken und stelle den Antrag, nach Vorlage samt aller Änderungsanträge zu beschließen.“

>> Manfred Mölder, SPD-Fraktionsvorsitzender:

Manfred Mölder ist der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat Emmerich.
Manfred Mölder ist der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat Emmerich. © SPD

„Anders als von uns allen erhofft, hat die Pandemie uns auch im Jahr 2021 belastet und vor immer neue Herausforderungen gestellt. Und es zeichnet sich ab, dass auch das Jahr 2022 nicht einfacher werden wird.

Wir hatten noch nie einen so früh aufgestellten Haushaltsplanentwurf zu beraten, mit den Unsicherheiten von Zahlen, die auf Prognosen und Schätzungen basieren. Die Belastungen im Haushalt und in der Verwaltung sind nicht geringer geworden, sondern haben sich durch Marktentwicklungen eher noch verschärft.

Erst zuletzt wieder Bereitschaft zu Abstimmungsgesprächen

Die SPD-Fraktion teilt an vielen Stellen die Bedenken der Kämmerin um die finanzielle Situation der Stadt mit Blick auf den Schuldenstand und die schwindende Ausgleichsrücklage. Bei den Beratungen in den Fachausschüssen haben wir den Fachbereichen und Budgetverantwortlichen bereits für ihre Haushaltsdisziplin gedankt, einen Dank, den wir an dieser Stelle gerne noch einmal wiederholen. Dieser Dank gilt ebenso den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Eigenbetriebe und der mit der Stadt verbundenen Unternehmen.

Unsere Hoffnung, dass nach der Kommunalwahl 2020 der Rat der Stadt Emmerich den Wahlkampfmodus verlassen würde, wurde leider enttäuscht, ich möchte hier keine Beispiele nennen, in den letzten Wochen zeichnet sich allerdings erfreulicherweise die Bereitschaft zu Abstimmungsgesprächen ab, das merke ich hier erfreut an.

SPD dankt Vereinen, Einrichtungen und Organisationen in schweren Zeiten

Der Haushalt selbst bietet keinen Spielraum für Wünsche und Extravaganzen, die AG-Haushalt hat ein hartes Stück Arbeit vor sich. Mit Blick auf die angelaufenen Projekte und die im Moment auftretenden Hiobsbotschaften bei der Kostenentwicklung und der gesteckten Zeiträume werden wir harten Realitäten ins Auge sehen müssen, die unsere Handlungsräume eng beschneiden.

Im Namen der SPD-Fraktion bedanke ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Fachbereiche und der verbundenen Unternehmen. Unser ganz besonderer Dank gilt den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in Vereinen, Einrichtungen und Organisationen, sie alle haben unter den vorherrschenden Bedingungen großartige Arbeit geleistet und jeder trägt mit seiner Arbeit zum Funktionieren dieser Stadt bei. Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushaltsplan mit den Anlagen zu.“

>> Joachim Sigmund, BGE-Fraktionsvorsitzender:

Joachim Sigmund ist Fraktionsvorsitzender der BGE im Rat Emmerich.
Joachim Sigmund ist Fraktionsvorsitzender der BGE im Rat Emmerich. © FUNKE Foto Services | Judith Michaelis

„Am 21. September 2021 lautete eine Überschrift in der lokalen Presse „Finanzlage der Stadt spitzt sich dramatisch zu“. In diesem Pressebericht wird die neue Stadtkämmerin, Frau Ulrike Büker, mit den Worten zitiert „Ein ‘Weiter so’ kann es aus meiner Sicht nicht geben“. Nur ist der heute zu beschließende Haushalt für das Jahr 2022 nichts anderes als eine Fortschreibung bisheriger Haushaltsjahre und verwirft diese Warnung in Gänze.

Die Bürgergemeinschaft Emmerich (BGE) fordert schon lange und jedes Jahr auf ein Neues: „Kein weiter so!“ Die BGE nennt dazu beispielhaft die Stichworte aus einer ewig währenden Defizitliste: Entschuldungskonzept, Fördermittel- und Beteiligungsmanagement, Controlling, Projekttransparenz verbunden mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Großprojekten (z.B. Gesamtschule Emmerich), interkommunale Zusammenarbeit, Digitalisierung von Prozessen, Bürokratieabbau, usw.

BGE sieht falsche Prioritäten bei der Verwaltung

Die BGE stellt fest: Die Verwaltung setzt insgesamt zu wenig Projekte und diese schließlich mit falschen Prioritäten um. Die lange Liste unerledigter Punkte aus der von der BGE beantragten Beschlusskontrolle spricht für sich. Entgegen den klaren Feststellungen der Gemeindeprüfungsanstalt NRW und nur widerwillig werden von der Verwaltung sinnvolle politische Anträge der BGE wie das Zentralcontrolling und zentrale Fördermittelmanagement als unnötig abgetan und letztendlich auf die lange Bank geschoben. Prominente Vorhaben verzögern sich Jahr ums Jahr und binden so mittel- bis langfristig Finanzen.

Die Strukturen und Abläufe in der Kernverwaltung passen trotz erheblichem Personalaufwuchs zur Amtszeit von Bürgermeister Peter Hinze nicht (zusammengefasst ca. 29 Prozent in den letzten fünf Jahren). Ein Aufwuchs im Stellenplan löst im Übrigen zusätzlichen Raum- und Ausstattungsbedarf aus. Er verursacht weitere Folgekosten in den kommenden Jahren. Hier muss im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung neu nachgedacht und zukünftig auch stringent entschieden werden.

Welchen Raumbedarf hat die Verwaltung tatsächlich?

Bis heute ist der Bürgermeister den Nachweis des tatsächlichen Raumbedarfs der Kernverwaltung gegenüber der Politik schuldig geblieben. Die BGE hat in ihren Haushaltsreden der letzten fünf Jahre immer wieder deutlich aufgezeigt, dass der städtische Haushalt weder eine zukunftsorientierte Stadtpolitik noch eine solide Finanzplanung widerspiegelt. Dieses Lagebild setzt sich im heute zu beschließenden Haushalt 2022 fort. Das strukturelle Defizit soll im Haushalt 2022 auf mehr als zwölf Millionen Euro anwachsen (Anm. d. Red: Ohne kurzfristigen CDU-Antrag). Das trägt die BGE in keinem Fall mit.

Der Verlust der Greensill-Kapitalanlagen in Höhe von sechs Millionen Euro aufgrund von systemischen Fehlleistungen innerhalb der Verwaltung belastet den städtischen Haushalt für die Folgejahre zusätzlich. Leider ist Bürgermeister Peter Hinze nicht bereit, die politische Verantwortung für diese finanzielle Katastrophe zu übernehmen und sich bei den Bürgerinnen und Bürgern für diesen hohen Verlust zu entschuldigen.

Greensill: Bis heute gibt es keine Anlagerichtlinie

Die BGE ist überzeugt: Das Fehlen einer Anlagerichtlinie haben nicht die Politiker, sondern hat allein der Bürgermeister zu verantworten. Dass die im März 2021 durch die Politik beauftragte Anlagenrichtlinie so lange auf sich warten lässt, spricht für sich.

Sollte es nicht endlich im Stadtrat und in der Verwaltung zu einem Umdenken und einem tatsächlichen Sparwillen kommen, ist im Jahr 2025 die fiktive Ausgleichsrücklage aufgebraucht und wir müssen für den Haushaltsausgleich dann an die Rücklagen. So auch die Bewertung unserer Kämmerin. Deshalb fordert die BGE: Alle Strukturen, Abläufe, Einnahmen und Ausgaben müssen jetzt auf den Prüfstand. Denkverbote darf es nicht geben.

Kein Sparwille, keine Priorisierung, keine Weitsicht erkennbar

Wieder einmal erkennt die BGE, außer den zurecht mahnenden Eingangsworten der Kämmerin, im vorgelegten Haushaltsentwurf 2022 keinen echten Sparwillen, keine Priorisierung von Projekten, geschweige denn Weitsicht. Um künftige Risiken zu minimieren und Chancen zu nutzen, die die Kämmerin im Vorbericht zum Haushaltsplan 2022 bruchstückartig (auf den Seiten 36 und 37) beschrieben hat, fehlt der BGE heute der gesamtplanerische Ansatz.

Von einer Haushaltskonsolidierung ist die Stadt noch weit entfernt. Steuererhöhungen sind dabei das letzte Mittel der Wahl und werden von der BGE abgelehnt. Richtiges Haushalten ist angesagt.

Projekte erst kleingerechnet, dann teuer

Für die Stadtentwicklung wichtige Projekte, die anfangs kleingerechnet sind, aber in der Folge mit hohen Nachträgen beaufschlagt werden, sprengen jede Planung, was die uns gerade erst vorgelegte Veränderungsliste mit Mehrkosten von fast 1,8 Millionen Euro für die Neugestaltung des Neumarkts zum Haushalt 2022 belegt.

Dieses Vorhaben wurde im Jahr 2017 in der Projektliste zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept 2025 (ISEK) noch mit einer Kostenschätzung von insgesamt 1,323 Millionen Euro hinterlegt und so am 23. November 2017 im Rat beschlossen. Dabei sollten davon rund 553.000 Euro Fördermittel aus der Städtebauförderung in den städtischen Haushalt zurückfließen. Das ISEK wurde am 23. November 2017 als Städtebauliches Entwicklungskonzept durch den Rat mehrheitlich und mit namentlicher Abstimmung mit 18 Ja-Stimmen (Bürgermeister sowie Ratsmitglieder der CDU und SPD) und zehn Nein-Stimmen öffentlich beschlossen.

BGE kritisiert fehlende Kostenplanung beim Gesamtschulumbau

Bei dem wichtigen Schulbauvorhaben Gesamtschule Emmerich wird ein mit erheblichen Risiken behafteter und mit hohen Kosten geplanter „Umbau im Bestand“ am Grollscher Weg“ verfolgt, der die Schülerinnen und Schüler über Jahre in eine Containerlösung zwingen soll. Diese behelfsmäßige Unterbringungsmaßnahme wurde bisher nicht einmal mit Kosten hinterlegt. Hier erwartet die BGE einen weiteren Millionenbetrag, der die kommenden Haushalte zusätzlich belasten wird. Für die BGE bereits heute ein klarer Planungsfehler der Verwaltung, der den Kostenunterschied zu einer Neubaulösung ausmachen wird. Allein das ist schon der Grund, warum die BGE diesen Haushalt ablehnt.

Emmerich am Rhein hatte vor der Corona-Pandemie und dem Greensill-Skandal wirtschaftlich einige gute Jahre. Statt zu sparen und clever zu investieren, wurden nach dem Gießkannen-Prinzip politische Wünsche erfüllt, wenn dann dazu die Mehrheiten stimmten. Weder wurde der städtische Haushalt nachhaltig konsolidiert noch die Stadt Emmerich am Rhein vorausschauend im Einklang von Ökonomie und Ökologie lebenswerter für die Bürgerinnen und Bürger weiterentwickelt – im Gegenteil, wie die Online-Bürgerbefragung zur Identität unserer Stadt unter dem Slogan „Emmerich Next“ belegt hat. Die BGE zitiert hierzu aus dem Artikel einer lokalen Tageszeitung vom 26. September 2021: „Grau, langweilig, hässlich.“

Leitbild aus dem Jahr 1999? #Cringe

Jede Vorlage, genau wie dieser Haushalt, soll im Einklang mit dem Leitbild unserer Stadt stehen. Das Emmericher Leitbild stammt aus dem Jahre 1999 unter einem Bürgermeister Horst Boch mit einer einzigen Novellierung im Jahre 2006, die von Bürgermeister Johannes Diks gezeichnet wurde. Um das kurz in den historischen Kontext zu setzen. Für die älteren Kolleginnen und Kollegen: Da wurde der Haushalt noch in DM präsentiert.

Für die Kolleginnen und Kollegen im mittleren Alter: Als das Emmericher Leitbild erarbeitet wurde, erfolgte die Gründung von Google Inc. Im Jahr 2004 kam Facebook auf den Markt; im März 2006 folgte Twitter. Was die Novellierung des Emmericher Leitbildes im Jahr 2006 betrifft – für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen – das war vier Jahre vor der Einführung von Instagram. Alles in allem ein gelungenes Beispiel für das diesjährige Jugendwort gemünzt auf die Stadt Emmerich am Rhein: #Cringe.

Es fehlt der Klimaschutz und die Digitalisierung im Leitbild

So ist im Emmericher Leitbild noch von einem Jugendparlament und dem Wegfall des Militärstandortes die Rede, doch findet sich dort kein Wort über Digitalisierung und nachhaltigen Klimaschutz im ökologischen wie ökonomischen Ausgleich. Diese wichtigen Punkte befinden sich in unserer Heimatstadt gegenwärtig allenfalls auf einem niedrigen Niveau der Bearbeitung. Dabei müsste besonders der nachhaltige Klimaschutz sowie dessen Finanzierbarkeit zum zentralen Punkt innerhalb des Emmericher Leitbildes gehören und sich letztendlich eine sichtbare Position im städtischen Haushalt wiederfinden lassen.

Emmerich am Rhein hat in den letzten Jahren unter der Führung von Bürgermeister Peter Hinze schlichtweg eine notwendige Trendwende verschlafen und träumt. Die am 9. November 2021 vom Architekten in der gemeinsamen Sitzung von Schulausschuss und Haupt- und Finanzausschuss vorgestellte Entwurfsplanung weist für den Umbau, die Modernisierung und den Ersatzneubau 1998 in der Lebenszykluskostenbetrachtung bereits heute hohe Herstellungskosten von 20 Millionen Euro aus – ohne Baupreissteigerung in den kommenden Jahren. Visionslos im Trott der späten 90er-Jahre beziehungsweise der sogenannten Zeros vor sich hin. Wir arbeiten nach veralteten Maximen und auf eingefahrenen Gleisen, was sich sowohl im Haushalt als auch in unserem alltäglichen Stadtbild widerspiegelt.

Anfangen, neue Strukturen aufzubauen

Die BGE lehnt den vorgelegten Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 ab. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr an gleicher Stelle zu einem anderen Ergebnis kommen. Gerne ist die BGE bereit, dazu im Ehrenamt einen politischen Beitrag zu leisten und notwendige Kompromisse mitzutragen. Wenn die BGE zur Ratssitzung am 14. Dezember 2021 wieder einmal eine negative Gesamtbilanz ziehen muss, so möchten wir dennoch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für ihren Einsatz, gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, ausdrücklich danken.

Um den Bogen zu den einleitenden Sätzen zu schließen, möchte ich den Beitrag der BGE zum Haushaltsentwurf 2022 mit einem weiteren Zitat von Frau Stadtkämmerin Büker aus dem zu Beginn genannten Presseartikel beenden: „Ja, die Situation ist schwierig. Ja, es sieht schlecht aus, aber der Zeitfaktor ist auf unserer Seite. Allerdings müssen wir jetzt anfangen, neue Strukturen aufzubauen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.“

>> Sabine Siebers, Grünen-Fraktionsvorsitzende

Sabine Siebers ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat Emmerich.
Sabine Siebers ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat Emmerich. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

„Wir blicken auf ein nicht sehr erfreuliches Jahr zurück. Die Pandemie hat uns weiter fest im Griff und der Schock der Greensill-Krise ist noch nicht verdaut. Wenn sich unsere Haushaltssituation nicht wesentlich verbessert, wird unsere Ausgleichsrücklage in drei Jahren verbraucht sein! Unsere Kämmerin Frau Büker hat bereits kritisch unsere Einnahmesituation angemerkt und darauf hingewiesen, dass wir dringend die Einnahmen steigern müssen.

In diesem Zusammenhang ist auch der Bericht des GPA aufschlussreich. Dieser Bericht lässt den Schluss zu, dass bei der Ausschöpfung von Fördermitteln noch reichlich Luft nach oben besteht. Wir hatten schon des Öfteren angeregt, eine(n) Fördermittelmanager(in) anzustellen, damit uns die möglichen Einnahmequellen aus den Fördertöpfen nicht entgehen. Dafür gab es keine Mehrheit. Vielleicht bringt uns ja auch die Anregung von Frau Büker weiter.

Grüne würden auch über Steuererhöhungen sprechen

Wir finden ihre Idee sehr vielversprechend, dass die einzelnen Fachbereichsleiter(innen) in engmaschiger Zusammenarbeit mit der Kämmerin diesbezüglich intensiver die jeweiligen Fördermöglichkeiten der einzelnen Bereiche prüfen. Außerdem hegen wir die Hoffnung, dass die neue Bundesregierung neue Fördermöglichkeiten anbieten wird, gerade auch in den Bereichen Umweltschutz und Klimaschutz.

Unsere Stadt soll auch in Zukunft ein attraktives Umfeld haben, in der Familien gerne leben. Dies ist gerade im Hinblick auf unsere Bemühungen zur Bindung und Anwerbung von qualifizierten Mitarbeiter(innen) für unserer vitalen Unternehmen wichtig. Deshalb muss gegebenenfalls auch über Steuererhöhungen gesprochen werden.

Hoffen auf die neue Klimaschutzbeauftragte in Emmerich

Erfreulicherweise hat unsere neue Klimaschutzbeauftragte Frau Kirchner ihren Dienst im November angetreten. Wir sind voller Zuversicht, dass mit ihrer Unterstützung die Projekte, die schon länger in den Startlöchern stehen, schneller voran gebracht werden können. Dazu zählen die schnellere und bessere Umsetzung des vorhandenen Klimaschutzkonzeptes, die Verbesserung der Baumschutzsatzung, die Umsetzung des Projekts „Fahrradfreundliche Stadt“, die Förderung der Entsiegelung von Schottergärten und Begrünung von Dachflächen und die Förderung von Photovoltaikanlagen.

Es ist an der Zeit, Hitzeinseln in der Innenstadt zu vermeiden und Biodiversität zu fördern. Deshalb müssen wir in Klimaschutz investieren und das Klimaschutzkonzept weiter ausbauen und anpassen. Versiegelte Flächen sind in mehrerlei Hinsicht problematisch. Dort wächst kein Grün, es wird viel Hitze gespeichert und das Wasser aus Starkregenereignissen kann nicht versickern. Auch in unserer Stadt wird viel zu viel Fläche versiegelt. Die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie dürfen nicht zu einem Weniger beim Klimaschutz führen.

Grüne fordern, die Ideen junger Menschen im Klimaschutz zu nutzen

Diejenigen, die am längsten und damit am massivsten mit dem Klimawandel konfrontiert sein werden, nämlich unsere jungen Menschen, müssen mehr in unsere Anstrengungen zur Eindämmung der Klimakrise eingebunden werden. Denkbar wäre zum Beispiel ein Projekttopf für Klimaschutzideen von jungen Menschen. Wir werden erstaunt sein, auf welche Ideen junge Leute kommen und freuen uns jetzt schon darauf, jede Menge davon Wirklichkeit werden zu lassen.

Überhaupt ist es unabdingbar, dass unsere jungen Menschen mehr in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden, damit sie Teil unserer Stadt bleiben und uns auf dem Weg in die Zukunft erhalten bleiben und helfen. Nur so machen wir sie zu einem Teil von Emmerich am Rhein, das sie auch als Erwachsene nicht verlassen wollen.

Zweite Jugendeinrichtung: Skandalöses Blockadeverhalten von CDU und BGE

In diesem Zusammenhang ist das Blockadeverhalten von CDU und BGE bezüglich der 2. Jugendeinrichtung unverständlich und skandalös. Schon vor Jahren wurden unseren Jugendlichen die dringend benötigte 2. Jugendeinrichtung versprochen. Jetzt wird gegen die ausdrückliche Empfehlung des Jugendhilfeausschusses wieder alles auf die lange Bank geschoben und bereits darüber diskutiert, dass die für diese Einrichtung erwarteten Kosten doch besser eingespart werden sollten, um den Haushalt zu konsolidieren. Das ist für uns unakzeptabel!

Kinder und Jugendliche hatten es in den letzten eineinhalb Jahren besonders schwer. Sie mussten zurückstecken und konnten vieles, was Kindheit und Jugend ausmacht, nicht erleben: Freunde treffen, Abi feiern, schwimmen gehen, reisen, Partys etc.

Grüne: Junge Menschen müssen gehört werden

Es gibt bereits Studien, die belegen, dass sich Jugendliche in Folge der Pandemie noch weniger gehört fühlen als vorher. Daraus entsteht bei ihnen das Gefühl von Macht- bzw. Einflusslosigkeit und die Überzeugung, als Minderjährige nichts erreichen zu können. Um diesem Gefühl des Nicht-Gehört und Nicht-Beteiligt-Werdens etwas entgegen zu setzen, ist die schnellstmögliche Umsetzung der 2. Jugendeinrichtung nur folgerichtig und auch nur der Anfang!

Schon Mahatma Gandhi hat gesagt: „Was wir in der Gegenwart tun, bestimmt unsere Zukunft“. So ist es erfreulich, dass wir weiter in unsere Schulen investieren, auch wenn die Kosten höher ausgefallen sind als erwartet.

Ebkes funktioniert, weil es ein niederschwelliges Angebot ist

Erfreulich ist auch, dass mehr Wohnungen gebaut werden, wenn auch leider immer noch zu wenige mit erschwinglichem Mietniveau. Die erfolgreiche Beratung-und Begegnungsstätte Ebkes in der Steinstraße ist ein gutes Beispiel dafür, dass niedrigschwellige Angebote gut angenommen werden. Da sind wir auf dem richtigen Weg.

Ärgerlich ist, dass die Kosten der Marktgestaltung am Neumarkt so in die Höhe gegangen sind. Dies war jedoch zu erwarten nach den jahrelangen Zeitverzögerungen bei der Umsetzung des Neumarkt-Projekts.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dem vorliegenden Haushalt 2022 zustimmen, in der Hoffnung, dass die versprochenen Umweltschutzmaßnahmen umgesetzt werden und die 2. Jugendeinrichtung schnellstmöglich umgesetzt wird.“

>> FDP äußert sich auch zum Haushalt – Luca Kersjes:

Luca Kersjes ist Vorsitzender der FDP in Emmerich.
Luca Kersjes ist Vorsitzender der FDP in Emmerich. © Junge Liberale Kleve-Geldern

Bekanntermaßen ist die FDP nicht mehr im Rat der Stadt Emmerich vertreten, dennoch haben sie es sich nach eigener Aussage zur Aufgabe gemacht, die Politik und die Verwaltung außerhalb des Rates kritischkonstruktiv zu begleiten. „Deshalb positionieren wir uns auch in diesem Jahr wieder zum Emmericher Haushalt“, erklärt der FDP-Vorsitzende Luca Kersjes.

Zunächst sei die FDP allerdings der Stadtverwaltung zu Dank verpflichtet, da diese für Nachfragen der FDP auch nach Verlust des Mandats weiterhin zur Verfügung steht.

Aus Sicht der Freien Demokraten sieht man im städtischen Haushalt „besorgniserregende Entwicklungen“. „Im Jahr 2025 prognostiziert der Haushalt, dass die Ausgleichsrücklage aufgebraucht sein wird. Das würde die Handlungsräume der Stadt Emmerich extrem einengen“, so Kersjes. Die Ausgleichsrücklage stellt einen Puffer dar, um anstehenden Ausgaben zu decken, die nicht aus dem laufenden Einnahmen gedeckt werden können.

FDP: Parkdeck Kleiner Wall kann Emmerich sich im Moment nicht leisten

Ähnlich schlechte Tendenzen sehe man beim Schuldenstand. „Wenn man den Schuldenstand der Stadt Emmerich auf jeden einzelnen Bürger und jede Bürgerin runterrechnet kommt man schon im Jahr 2023 auf prognostiziert über 1000 Euro pro Bürgerin und Bürger. In diesem Jahr 2021 sind ‘lediglich‘ 528 Euro pro Bürgerin und Bürger prognostiziert“, erläutert Kersjes. Man müsse auf eine Entwicklung von deutlich unter 1000 Euro pro Kopf abzielen, so die FDP.

Deshalb sehen die Freien Demokraten eine zeitnahe Errichtung des Parkdecks Kleiner Wall kritisch, da man sich dies zum aktuellen Zeitpunkt nicht leisten könne. „Es gilt manch unbequeme Entscheidung zu treffen, um solide Finanzen zu garantieren“, meint Kersjes weiter. Hier könne man zunächst eine Millionen Euro sparen und es gelte weitere Konsolidierungsmaßnahmen zu prüfen und zu erörtern.

Neue Beigeordnetenstelle macht für Liberale keinen Sinn, wenn Stellen unbesetzt sind

Daneben haben die Freien Demokraten bereits zwei Eingaben an den Rat gestellt und sowohl einen digitalen Hausmeister und das Parken per App gefordert, was die Stadtverwaltung nun beides prüft.

Auch die Debatte um einen zweiten Beigeordneten, die durch die Christdemokraten angestoßen wurde, verfolgen die Freien Demokraten. „Wir teilen das Ziel einer effizienteren Verwaltung“, erklärt Kersjes, „allerdings sind aktuell Stellen in einem höheren Umfang in der Emmericher Verwaltung unbesetzt. Deshalb sind wird nicht davon überzeugt, dass die Schaffung einer weiteren Stelle, die Lösung für das Problem ist“. Zudem habe die Hoheit über die Verwaltungsorganisation der Bürgermeister. Somit könne der Bürgermeister jederzeit die Verwaltungsstruktur auf eigene Initiative hin ändern.