Düsseldorf. An Pfingsten 2014 richtete der Gewittersturm „Ela“ in Düsseldorf erhebliche Schäden an. Zehn Jahre später erinnern sich die Düsseldorfer zurück.
Am Pfingstmontag 2014, der damals auf den 9. Juni fiel, erlebte die Stadt Düsseldorf einen „Jahrhundertsturm“: Windböen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 142 Kilometern pro Stunde peitschen ab etwa 21 Uhr über die Straßen und Grünflächen der Rheinmetropole. Vier Menschen verloren in Düsseldorf durch den Sturm „Ela“ ihr Leben. Ganze 30.000 Bäume wurden an diesem Abend zerstört, rund 24.000 weitere konnten nur durch besondere Pflegemaßnahmen gerettet werden. Zahlreiche Spielplätze wurden verwüstet und auch Gebäude und Straßenlaternen beschädigt. Für die Aufräumarbeiten musste sogar die Bundeswehr mit Pionierpanzern anrücken. Viele Düsseldorfer wissen noch ganz genau, was sie taten, als „Ela“ vor zehn Jahren über die Stadt zog.
Karnevalsprinz: „Es hat uns voll erwischt!“
Düsseldorfs bekannter Wagenbauer, Jacques Tilly, erinnert sich gut an den Abend des Sturms: „Ich war gerade mit meiner Frau und meinen Söhnen in unserer Küche, als es losging.“ Vom Fenster aus beobachteten sie, was draußen passierte: „Bei uns wurde ein riesiger Ast von einer alten Pinie gerissen.“ Einmal kurz wagte sich Tilly aus dem Haus – ergriff aber gleich wieder die Flucht in die schützenden vier Wände. Draußen seien Äste und Dachziegel durch die Gegend geflogen, sagt er. „Ich war natürlich froh, dass wir alle zuhause waren – und nicht gerade jemand auf Radtour.“
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Am Morgen nach dem Sturm schaute Tilly bei seiner Wagenbauhalle nach dem Rechten. „Auf dem Weg habe ich Autos gesehen, die unter fetten Ästen begraben waren.“ Schockiert habe er davon auch Fotos gemacht. Die Halle selbst und die Karnevalswagen darin waren unversehrt. Das Thema griff Tilly danach im Karneval 2015 auf: für die Prinzengarde Blau-Weiß gestaltete der Künstler einen Orden, den ein Muster ziert, das Jahresringen gleicht. Die Gestaltung sollte daran erinnern, wie „Ela“ die Bäume der Landeshauptstadt verwüstet hatte.
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Der Vorsitzende der KG Regenbogen und frisch gewählte Düsseldorfer Karnevalsprinz Andreas Mauska erlebte „Ela“ zuhause mit seinem Mann: „Wir wohnen in Ludenberg, direkt am Grafenberger Wald“, erklärt Mauska. Ihr Grundstück und den Wald trennt nur ein schmaler Weg für die Forstwirtschaft. „Die Angst, die wir in der Nacht hatten, war heftig“, erinnert sich der Karnevalist. Am Fenster beobachteten die beiden, wie heftig die gegenüberliegenden Bäume in den Sturmböen schwankten. „Man sah schon das Unheil nahen.“ Dann passierte es: Insgesamt drei Bäume krachten mitten in den Garten. „Es hat uns voll erwischt“, sagt Mauska. Verletzt wurde niemand – doch die schweren Stämme zerstörten einen Pavillon und verwüsteten die Bepflanzung, die noch von den Vorbewohnern stammte.
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Beim Entfernen der Bäume packten die ganze Nachbarschaft mit an: „Wir haben mit unseren Nachbarn zwei Wochen lang rumgewerkelt“, berichtet Mauska. Das Ehepaar machte danach sozusagen das Beste aus der Situation: Die hinterlassenen Zerstörungen nahmen sie zum Anlass, ihren Garten neu zu gestalten – mit dem Ergebnis waren die beiden dann sogar zufriedener als mit dem alten Garten, erzählt Mauska.
An die Sturmnacht erinnert wird der neue Karnevalsprinz jeden Tag, wenn die Sonne durch sein Fenster scheint, verrät er: „Nach zehn Jahren kann man immer noch genau sehen, wo die Bäume standen.“ Durch die Lücken falle auch heute noch mehr Licht in ihre Wohnung, als durch den Rest des Waldstücks.
„Schwanenmutter“ erlebte komplett verwüsteten Hofgarten
Margarete Bonmariage (87) kümmerte sich jahrzehntelang um die Wasservögel im Hofgarten. Die „Schwanenmutter“ erinnert sich an den Morgen nach dem Sturm: „Das war ganz schlimm. Ich bin durch den Hofgarten gegangen und habe mich nicht mehr zurechtgefunden“, sagt sie. Und das, obwohl sie schon seit den 1960er-Jahren regelmäßig im Hofgarten war. „Die Bäume lagen kreuz und quer. Ich hatte keine Orientierung“, so Bonmariage. An der Maximilian-Weyhe-Allee, die durch den Hofgarten führt, seien die Bäume an einer Seite komplett ausgerissen gewesen. Sie habe das damals schockiert: „Wir brauchen doch unsere ‚grüne Lunge‘ in der Stadt!“
Die Wasservögel waren glücklicherweise unversehrt, erinnert die „Schwanenmutter“ sich. „Die waren natürlich ein Bisschen irritiert. Wie wir auch. Die hatten so etwas auch noch nicht erlebt.“ Derartige Extremwetterereignisse haben im Laufe ihres Lebens deutlich zugenommen, urteilt Bonmariage. Auch Gewitter seien heute oft heftiger, als in ihrer Jugend. „Es ist alles extremer geworden.“ Das sei das Resultat von Umweltzerstörung durch den Menschen, mahnt die 87-Jährige.
Düsseldorfer DGB-Chefin Sigrid Wolf erlebte den Sturm nicht vor Ort: „Ich war damals gerade im Urlaub in Frankreich“. Von dem Sturm erfuhr sie zunächst nur über die Nachrichten. Fünf Tage später war die Gewerkschafterin dann zurück in Düsseldorf. „Ich bin mit dem Auto durch die Stadt gefahren und habe mir ein Bild gemacht.“ Das Ausmaß der Verwüstungen an den Bäumen der Stadt habe sie betroffen gemacht. „Ich fühlte mich auch an den Orkan Kyrill erinnert, der einige Jahre zuvor war“, erzählt sie. Die Bäume seien für die Stadt wichtig, erklärt Wolf – deswegen habe sie sich über die Wiederbegrünungsmaßnahmen, die im Nachgang unter dem damals neuen Oberbürgermeister Thomas Geisel passierten, sehr gefreut. Auch der DGB Düsseldorf und die DGB Jugend beteiligten sich mit jeweils einem Baum an der Wiederbegrünung.
„Großes Risiko“, noch mit dem Fahrrad loszufahren
Lerke Tyra, Düsseldorfer Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) hatte am Abend des Sturms in ihrer Wohnung in Oberbilk noch Besuch von Freunden aus Erkrath. Kurz, bevor der Sturm losging, traten sie die Heimfahrt an. Die ganze Zeit habe sie danach Sorge gehabt, sagt Tyra. „Im Nachhinein war es ein großes Risiko, noch loszufahren!“ urteilt sie heute. Doch glücklicherweise passierte den beiden nichts.
Am nächsten Tag radelte die Fahrradaktivistin dann durch Oberbilk. „Es war wie eine kleine Apokalypse“, so sei ihr Eindruck gewesen. Überall lagen Äste, und auch Dachziegel hatte es von den Dächern geweht. „So viel Zerstörung hatte ich noch nicht gesehen!“ Mit dem Rad waren viele Wege unmöglich zu passieren, sagt sie.
Für Radfahrer sollte die Situation auch noch eine ganze Weile schwierig bleiben, erinnert sich die ADFC-Vorsitzende: Straßen und Hauptwege seien bei der Räumung erst einmal priorisiert worden. Manche Radwege seien sogar noch mehrere Wochen teils versperrt geblieben. Und: auch heute noch kenne sie gewisse Stellen auf Düsseldorfer Radwegen, die deutliche Eindellungen haben. Dort seien während des Pfingststurms Baumteile eingeschlagen. „Ich bin mir sicher: Das sind noch Spätfolgen von Ela“, urteilt Tyra.
Bürgermeisterin Gerlach: „Das war total irre“
„Das war total irre“, sagt Bürgermeisterin und Ratsfrau Clara Gerlach (Grüne) über die Nacht im Juni 2014. „Ich war in unserer Wohnung in Pempelfort. Man hat richtig gehört, dass ein großer Sturm aufzieht.“ Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt bei einem Konzert (Motorpsycho) im Zakk, erinnert sie sich, und bekam vom Sturm nicht viel mit. Wie seine Frau und die gemeinsamen Kinder blieb er zum Glück unversehrt.
Am nächsten Tag habe sie dann wirklich sehen können, wie immens die verursachten Schäden waren, erzählt Gerlach. Dass die Wiederaufbaumaßnahmen in Düsseldorf viele Jahre in Anspruch nehmen würden, ahnte die Grünenpolitikerin damals schon, sagt sie. Letztlich dauerten die Arbeiten bis ins Jahr 2022. „Das war eine grandiose Leistung“, findet die Bürgermeisterin: Zusätzlich zu den Maßnahmen der Stadt hatten sich auch viele Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern Düsseldorfs daran beteiligt, die Landeshauptstadt nach dem Sturm wieder grüner zu machen – ein Engagement, das Gerlach besonders lobt.
„Ela“ passierte kurz vor der Oberbürgermeisterwahl
Auch Düsseldorfs früherer Oberbürgermeister (2014 bis 2020) Thomas Geisel erinnert sich genau an den Abend: „Das war sechs Tage vor der Stichwahl.“ Geisel, heute beim „Bündnis Sahra Wagenknecht“, trat damals als OB-Kandidat der SPD gegen den langjährigen Amtsinhaber Dirk Elbers (CDU) an. „Wir hatten an dem Tag eine Radtour mit allen Unterstützern, ich kam ganz geschwitzt nach Hause.“ Dort traf er sich am Abend mit weiteren Befürwortern. Während sie die verbliebenen Wahlkampftage berieten, ging der Sturm los. Zunächst bemerkte die Gruppe davon nichts, berichtet Geisel: „Dann klingelte es plötzlich an der Tür. Es war unser Nachbar, der sagte: ‚Auf euer Schiebedach ist ein Dachziegel gefallen!‘“
Das Dach von Geisels Auto hatte ein Loch, durch das der Wagen mit Wasser volllief. Vor der Haustür habe er auch zum ersten Mal an diesem Abend bemerkt, wie heftig der Sturm draußen wütete, erinnert der Ex-OB sich. Am nächsten Morgen sichtete er die Zerstörungen im Stadtgebiet – und sprach darüber in einem seiner damals täglichen Videoblogs. „Ich war erschüttert“, sagt Geisel
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Der Sturm könnte die Wahl entscheiden, dachten der Politiker und seine Unterstützer damals: „Elbers hätte sich in Gummistiefeln hinstellen können und sagen: Der Wahlkampf ist vorbei, jetzt geht es um wichtigere Dinge“. Geisel verweist vergleichend auf das Auftreten des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder während des Hochwassers 2002, das mitten in den damaligen Wahlkampf fiel. „Das ist die Stunde der Exekutive. Als Oppositionskandidat ist es schwierig, da nicht dazustehen wie ein Katastrophentourist.“ Doch diese „Chance“, den Wahlkampf zu entscheiden, habe Elbers nicht genutzt, sagt Geisel. Nicht einmal eine Woche später unterlag der Amtsinhaber in der Stichwahl seinem Herausforderer.