Düsseldorf. Das Bahnhofsviertel gilt als größter Drogenkiez in Düsseldorf. OB Keller macht das Thema nun zur Chefsache. Welche Maßnahmen geplant sind.

Offener Drogenhandel am Worringer Platz, offener Crack-Konsum im Bahnhofsumfeld - die Situation am Düsseldorfer Drogenkiez in der Innenstadt spitzt sich immer weiter zu. Ein NRZ-Leser, der lieber anonym bleiben möchte, schilderte dieser Redaktion eine Szene, die er vor wenigen Tagen auf dem Weg zur Arbeit gesehen hat. Als er in der Straßenbahn der Linie 709 Richtung Südfriedhof unterwegs war, stieg an der Haltestelle „Worringer Platz“ eine Frau ganz hinten in die Bahn ein. „Dann habe ich gesehen, wie sie ihre Crack-Pfeife rausgeholt und angezündet hat, einen Zug genommen hat und eine Station weiter am Hauptbahnhof wieder ausgestiegen ist. Da wird einem schon anders“, erzählt er.

Auch für Anwohnende sowie Gewerbetreibende und Geschäftsinhaber ist die Situation vor Ort belastend. Viele Menschen fühlen sich rund um den Worringer Platz nicht mehr sicher, auch weil sie oft bedroht werden und viele Suchterkrankte ihre Drogen in Hauseingängen und Tiefgaragen konsumieren. Zwar patrouillieren Kräfte des Ordnungsamtes regelmäßig am Düsseldorfer Drogen-Hotspot Nummer eins, auch die Polizei führt dort regelmäßig Kontrollen und Razzien durch, eine Änderung der Situation war bislang nicht in Sicht. Die Drogen- und Beschaffungskriminalität scheint dort fest etabliert.

Düsseldorfer Drogen-Hotspot: Stadt initiiert neues Sicherheitsprojekt

Doch nun könnte Bewegung in die Sache kommen: Wie die Stadt Düsseldorf ankündigte, wird ein Projekt zur Sicherheit im Bahnhofsumfeld initiiert. Bereits am 6. Juni kamen auf Einladung von Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) Düsseldorfers Polizeipräsidentin Miriam Brauns, Silke Bußkamp, Dienststellenleiterin der Bundespolizei am Hauptbahnhof und Helge Scharfscheer, Vizepräsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin im Rathaus zusammen, um sich über das Thema Sicherheit am und um den Düsseldorfer Hauptbahnhof auszutauschen.

Und der OB räumt ein, dass es sowohl am Worringer Platz als auch im Umfeld des Düsseldorfer Hauptbahnhofs enormen Handlungsbedarf gibt: „Sicherheit genießt in Düsseldorf oberste Priorität. Unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere zahlreichen Gäste sollen sich bei uns wohlfühlen. Dies ist rund um den Hauptbahnhof und am Worringer Platz derzeit nicht gegeben“, erklärte jüngst Stephan Keller in einer städtischen Mitteilung.

OB Keller machte sich am Europawahl-Sonntag ein Bild von der Situation

Vor rund zwei Wochen machte er sich am Wahltag zur Europawahl (9. Juni) selbst ein Bild von der Lage am Worringer Platz. „Die Situation stellt die Verwaltung und die Behörden vor erhebliche Herausforderungen. Offenes Dealen und entsprechend selbstverständlicher Konsum vor Ort sind inakzeptabel.“ Deswegen herrsche „Einigkeit unter den beteiligten Akteuren“, dass nun etwas passieren muss.

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Die Stadt plant daher, dass „wir in Anlehnung an unser sehr erfolgreiches Projekt SIDI (Sicherheit in der Innenstadt) hier eine ähnliche eine Projektstruktur einrichten“ werden, kündigt der Oberbürgermeister an. Neben der Polizei sollen dabei auch die Rheinbahn, die Deutsche Bahn, die Düsseldorfer Drogenhilfe, Streetworker, die Obdachlosenhilfe sowie „weiterer Beteiligte“ ins Boot geholt werden, damit sich die Situation am Drogenkiez langfristig und auch nachhaltig zum Positiven verändert. Nach der Fußball-Europameisterschaft soll es dazu eine gemeinsame Veranstaltung geben, so Keller weiter.

Glaushaus am Worringer Platz soll zurückgebaut werden

Erste Maßnahmen schweben der Stadt mit dem neuen Projekt SIBU (Sicherheit im Bahnhofsumfeld) bereits vor: So soll das Glaushaus, der Ausstellungsraum „Librarium“, zurückgebaut werden. Schon länger wurde dort keine Kunst mehr ausgestellt, stattdessen nutzen viele Süchtige das Haus als Konsumraum, Toilette und Müll-Ablagestelle. Hinter dem Ausstellungsraum, an den Glasbaubänken, wird täglich offen gedealt und Crack geraucht.

Das Glaushaus am Worringer Platz soll zurückgebaut werden. Hinter dem Ausstellungsraum wird täglich gedealt und Crack konsumiert.
Das Glaushaus am Worringer Platz soll zurückgebaut werden. Hinter dem Ausstellungsraum wird täglich gedealt und Crack konsumiert. © NRZ Düsseldorf | Christopher Damm

Ein weiterer Schritt, um die Situation vor Ort in den Griff zu bekommen, ist die geplante Installation eines Quartiersmanagement im Bahnhofsumfeld. „Wir müssen dringend die Aufenthaltsqualität am Worringer Platz wiederherstellen“, fordert OB Keller. „Das kann nur der Anfang sein“, meint dazu Anwohner Christian Tilg. Der Mitinitiator der Bürgerinitiative „Worringer Platz“ kämpft bereits seit mehreren Jahren gegen die Drogenkriminalität und für mehr Sicherheit vor seiner Haustür.

Als der OB während der Europawahl am Worringer Platz vorbeischaute, war Tilg auch dabei. Ein überfälliger Besuch, meint der Anwohner: „Endlich hat er sich die Situation dort selber mal angeschaut. Er hat gesagt, dass der Worringer Platz ein Fiasko ist und mir dabei versichert, dass er das Thema nun zur Chefsache machen wird.“ Von Parteivertretern aus der zuständigen Bezirksvertretung 1 gab es in der Vergangenheit hingegen nur selten Resonanz auf seine Anfragen, behauptet Christian Tilg weiter.

Projektgruppe trifft sich erstmals nach der Fußball-EM

Nun müssen nachhaltige Lösungen her, fordert der Mitinitiator der Bürgerinitiative weiter. Zwar gibt es im Bahnhofsviertel viele Substitionskliniken und Praxen. Zudem gibt es bei der Drogenhilfe Konsumräume für Suchterkrankte und seit März an der Moskauer Straße auch eine Einrichtung für wohnungslose Drogenabhängige. Dort läuft der Vertrag jedoch Ende September aus, weil auf dem Gelände das neue Technische Rathaus gebaut werden soll. Deswegen müsse bereits „jetzt nach einer Ersatzlösung für die Moskauer Straße gesucht werden und nicht erst in drei Monaten, wenn der Vertrag zum 1. Oktober ausläuft“, so Tilg weiter.

Wie die Stadt mitteilte, sei sich die neu-formierte Projektgruppe SIBU darüber bewusst, dass die Ursachen und Probleme des seit Jahrzehnten desolaten Bahnhofsumfeld tiefgründiger sind. Daher müsse der Drogenszene vor Ort geeignete Alternativen und Angebote werden. Finanzielle Aspekte seien bei der Umsetzung der Maßnahmen zweitrangig, kündigt die Stadt nun an. Denn die „Probleme im öffentlichen Raum, insbesondere für die Anwohnenden, müssen zeitnah gelöst werden“, heißt es in der Mitteilung.

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Nach der EM wird es das erste Treffen der neuen Projektgruppe geben. Christian Tilg hofft, dass dann auch Vertreter der Rheinbahn und der Deutschen Bahn mit an Bord sein werden. „Denn auch sie tragen Verantwortung, damit die Situation am Bahnhofsvorplatz und an den Haltestellen am Hauptbahnhof und am Worringer Platz endlich besser werden. Es geht nur gemeinschaftlich.“