Düsseldorf. Schätzungsweise 3500 bis 4000 Menschen in Düsseldorf sind drogenabhängig. Ein Verein bietet Betroffenen Hilfe vor Ort an. Ein Ortsbesuch.
Sozialarbeiter gehen davon aus, dass in der Landeshauptstadt Düsseldorf etwa 3500 bis 4000 Menschen schwer drogenabhängig sind. In dieser Zahl finden sich Menschen wieder, die nach Heroin oder anderen Opiaten süchtig sind, zunehmend aber auch Crack-Konsumenten. Etwa 40 Prozent dieser Menschen erreicht das Angebot der Düsseldorfer Drogenhilfe. Deren Leiter, Michael Harbaum, beziffert die Zahl der Menschen im Stadtgebiet, denen jährlich geholfen werden kann, auf 1600 bis 1800.
Reibereien mit Anwohnern
„Wir bekommen nicht jeden in die Hilfe“, verrät er. Aber seit der Standort an der Erkrather Straße 1997 eröffnet wurde, habe sich eine Menge getan. Auch was den Kontakt zu Anwohnern angeht. Dennoch komme es auch zu Reibereien, wie Harbaum zugibt. Dafür hat er Verständnis. Wenn Suchterkrankte im Umfeld des Hauses Dreck verursachen, „dann machen wir das auch weg“, stellt der Leiter der Düsseldorfer Drogenhilfe klar. Dafür genüge ein Anruf. Dennoch bringe ein Hilfezentrum auch Probleme mit sich: „Wir haben klare Regeln im Haus. Allerdings müssen die Leute hier irgendwie hin- und wieder wegkommen.“ Was auf den Wegen geschieht, könne man hingegen nicht beeinflussen.
Ein Anwohner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist hingegen sauer. Er weist auf einen Haufen augenscheinlich menschlichen Exkrements. Für ihn ist klar, wer verantwortlich ist: „Diese sogenannten Kranken.“
Dass Menschen mit einer Suchterkrankung teilweise nicht als Kranke wahrgenommen werden, wissen die Sozialarbeiter von der Drogenhilfe. In der Fachwelt ist die Lage jedoch klar: Laut Internationaler Klassifikation von Krankheiten (ICD) ist Sucht als Abhängigkeitssyndrom definiert und damit als „psychische und/oder Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen“ aufzufassen.
Crack ist in Düsseldorf auf dem Vormarsch
Wer an der Erkrather Straße bei der Drogenhilfe lande, sei schon ein schwerer Fall, sagt Michael Harbaum weiter. Doch die Drogenhilfe betreibt auch andere Standorte im Stadtgebiet, etwa die Beratungsstelle Perspektive an der Johannes-Weyer-Straße 1 in Bilk. An der Erkrather Straße steht Überlebenshilfe auf dem Programm. Das Gebäude neben der Bahntrasse hat eine Notschlafstelle mit 20 Plätzen. Außerdem gibt es eine medizinische Ambulanz und eine Station, bei der sich Suchtkranke, die bereits ein Substitut bekommen, dieses auch holen können.
Substitution ist ein großes Thema in der Drogenhilfe. Für Opiate gibt es eine Reihe von Ersatz-Substanzen, für Crack hingegen nicht. Die auf Kokain basierende Droge ist in NRW und auch in Düsseldorf auf dem Vormarsch, wie Harbaum berichtet und sich dabei auch auf Schilderungen der Mitarbeiter aus der Ambulanz stützt. Offene Wunden hätten bei Suchterkrankten dramatisch zugenommen, es sei zudem eine zunehmende Verwahrlosung bei den Betroffenen zu beobachten. Viele Patienten wollten auf keinen Fall in ein Krankenhaus, die Mittel der Ambulanz der Drogenhilfe sind allerdings begrenzt. Bezahlt wird aus Landesmitteln, dafür stehen an die 87.000 Euro jährlich zur Verfügung. Wochenlang offene Wunden könne man hier nur unzureichend behandeln, man betreibe vor Ort lediglich Schadensbegrenzung, betont der Leiter der Drogenhilfe.
Die Überlebenshilfe betreibt auch einen Drogenkonsumraum. Hier lässt sich die Zunahme des Crackkonsums in Zahlen nachvollziehen. 2016 waren es 200 Crack-Vorkommnisse, bis Ende Juli diesen Jahres ist die Zahl auf 19.500 angestiegen. Der Drogenkonsumraum ist täglich zwischen 8.30 und 20.30 Uhr offen. An Wochenenden und Feiertagen können Betroffene zwischen 10.30 und 15.30 Uhr konsumieren. Dazu müssen sie sich zunächst anmelden und die Drogen vorzeigen. Das wird dokumentiert. Beim nächsten Schalter werden Hilfsmittel ausgeteilt. „Wir achten darauf, dass jeder nur sein eigenes Besteck benutzt“, erläutert Michael Harbaum. Bei Spritzen sei das absolut richtig, allein wegen der Ansteckungsgefahr. Dass das Teilen von Pfeifen aber rechtlich als Weitergabe illegaler Substanzen behandelt werde, sei zumindest überdenkenswert.
Jährlich 30 bis 40 Notfälle
Der Drogenkonsumraum hat 17 Plätze, mittlerweile neun Raucherplätze. Da komme es auf eine gute Lüftungsanlage an, auch aus Gründen des Mitarbeiterschutzes, wie Harbaum berichtet. Die Düsseldorfer Lüftung gelte in NRW als vorbildlich. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Crack-Problematik, die es wahrscheinlich macht, dass in Zukunft mehr Raucherplätze benötigt werden.
Auch der Drogenkonsumraum ist mit medizinischem Fachpersonal ausgestattet. Pro Jahr gebe es 30 bis 40 Notfälle, vor allem beim Heroinkonsum. Das Opiat wirke auf die Atmung, bei einer Überdosierung können Betroffene ersticken. Dieses Problem stellt sich beim Rauchen nicht. Überdosierungen kommen hier in der Regel nicht vor, erklärt Harbaum. Konsumräume sind derweil eine recht junge Einrichtung in NRW. Der erste wurde 2001 in Münster eröffnet, nur wenig später der zweite in Wuppertal. Düsseldorf war hier etwas später dran, der Raum besteht erst seit 2006. 2022 wurde das Platzangebot dann von zehn auf siebzehn erweitert.