Thomas Straubhaar wollte sich nicht mit dem Aus für das HWWA abfinden. Er suchte Partner und fand sie.

Hamburg. Was für eine Bescherung. Kurz vor Weihnachten im Jahr 2003 flatterte Thomas Straubhaar die Hiobsbotschaft auf den Tisch. Dem HamburgischenWeltWirtschaftsArchiv (HWWA), das der Schweizer Professor als Präsident leitete, wurde die staatliche Förderung für die Forschung gestrichen. Ab 2007 sollte nur noch die Bibliothek des renommierten Instituts fortgeführt werden - und zwar als Teil der Kieler Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften. So hatten es die Inspektoren der Leibniz-Gemeinschaft empfohlen, die in regelmäßigen Abständen alle Staatsinstitute auf ihre Förderungswürdigkeit überprüfen.

"Der Bescheid traf mich mitten ins Herz. Ich fand es einfach ungerecht, dass unsere gute Forschung aufgelöst werden sollte und 25 Wissenschaftler ihre Arbeit verlieren sollten", erinnert sich Straubhaar. Dabei hatten die Prüfer der HWWA-Forschung sogar sehr gute Noten ausgestellt. Nur passte dieser Sektor eben nicht zur Bibliothek. "Wir sollten auf Basis des HWWA-Archivs Forschung betreiben. Doch die Bibliothek umfasste nur betriebswirtschaftliche Bücher. Unsere Forschung war aber immer volkswirtschaftlich orientiert. Das konnte nicht gut gehen." Und nun drohte also das Aus für eine Hamburger Traditionseinrichtung mit internationalem Ruf.

Hektische Monate begannen. "Ich überlegte Tag und Nacht, wie ich die Forschung retten konnte. Ich war überzeugt: Wir sind gut. Wir dürfen nicht untergehen." Wie kann aber ein wissenschaftliches Institut aufrechterhalten werden, wenn es keine Staatsgelder mehr bekommt? Lässt sich ein solches Projekt auch privat tragen? Und wenn ja, wie? Vorbilder für eine private und unabhängige Wirtschaftsforschung gab es bis dahin nicht.

Straubhaar sprach mit vielen Freunden, Politikern, Wissenschaftlern, Bankern in der Stadt. Bis ihm der Vorsitzende des Fördervereins des HWWA und Chef der Bundesbank Hamburg, Rolf Eggert, auf einer Sitzung einen simplen, aber entscheidenden Impuls gab: "Schauen Sie nicht zurück, sondern nach vorne." Und alle Anwesenden, darunter der ehemalige Wissenschaftssenator Jörg Dräger, Ex-Wirtschaftssenator Gunnar Uldall, der frühere Handelskammerpräses Nikolaus Schües und Unipräsident Jürgen Lüthje ermunterten Straubhaar in seiner Vision für ein privates Forschungsinstitut. "Wenn Sie ein gutes Geschäftsmodell vorlegen, unterstützen wir Sie", hieß es unisono.

Straubhaars Ehrgeiz und seine nimmermüde Energie ließen den Familienvater zur Hochform auflaufen. In kurzer Zeit erstellte er seinen ersten Businessplan für ein "HWWI - Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut" - dessen Name er bewusst eng an den Vorgänger HWWA anlehnte. "Man braucht drei Millionen Euro, um ein Institut mit 25 Forschern auf die Beine zu stellen", so seine Eckpunkte. Zum Vergleich: Der Staatszuschuss war zuvor dreimal so hoch gewesen. Die Suche nach Sponsoren, Förderern und Auftraggebern für Forschungsprojekte begann. Straubhaar stieß dabei auf großes Wohlwollen in der Stadt. Die Universität, Banken, Politiker und Handelskammer zeigten größtes Interesse, dass Hamburg weiter über ein Wirtschaftsforschungsinstitut mit Renommee verfügt. Im April 2005 war die Finanzierung gesichert, aus einem Traum wurde Wirklichkeit. Das HWWI wurde mit drei Mitarbeitern und einem Jahresetat von einer Million Euro ins Leben gerufen. Das HWWI forschte zwei Jahre lang parallel, bis das HWWA Ende 2006 seine Forschung endgültig aufgab.

In der Wissenschaftslandschaft ist das HWWI heute längst nicht mehr wegzudenken. Straubhaar ist nicht nur in Wissenschaftskreisen, sondern auch in den Medien ein gern gesehener Gast. Stets kommentiert er die wirtschaftliche Lage, gibt Anregung für die Lösung von Krisen in der Weltwirtschaft. Auf sein Institut, das heute in der Villa eines Förderers in der Heimhuder Straße 71 residert, ist er besonders stolz: "Wir sind ein junges, internationales Team mit 30 fest angestellten Mitarbeitern und 15 Doktoranden." Damit ist der Forschungsbereich schon heute größer als beim HWWA. Schwerpunkte sind die Forschungen zur Konjunktur, Weltwirtschaft, Metropolregion Hamburg, Migration und zu langfristigen Trends. "Klar, der Kampf ums Geld ist schwieriger als zu Zeiten der automatischen Staatsförderung." Jeder Euro müsse durch gute Ideen eingeworben werden. "Dies spornt gute Arbeit umso mehr an. Ich habe mittlerweile viel Freude am Unternehmertum", so Straubhaar. Das HWWI stehe jedenfalls gut da und sei durch Projekte schon jetzt bis ins Jahr 2010 abgesichert, sagt er zufrieden. Sein Lebensmotto ist aufgegangen: "Mich interessiert nicht primär wie Probleme entstehen, sondern wie man sie lösen kann." Weihnachten 2008 könne kommen. Das werde diesmal eine schöne Bescherung.


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