Die Europäische Zentralbank wird entgegen der Kritik aus Deutschland klammen Eurostaaten mit Käufen von Staatsanleihen helfen und so versuchen, die Eurokrise abzuwenden.
Frankfurt/Main. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den unbegrenzten Kauf von Anleihen der Euro-Krisenstaaten beschlossen. Das erklärte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach der Sitzung des Notenbankrats in Frankfurt am Main. Zugleich werde die Inflationsgefahr infolge des angekündigten Staatsanleihenkaufes eingedämmt. Das durch die Käufe neu geschaffene Geld solle an anderer Stelle abgeschöpft werden, sagte Draghi.
Er betonte, dass die Entscheidung nicht einstimmig gefallen sei: Ein Ratsmitglied habe nicht dafür gestimmt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte seine Ablehnung schon zuvor deutlich gemacht.
Der Gefahr, dass Länder wie Spanien oder Italien bei sinkenden Zinsen ihre Reformbemühungen einstellen, wirkt die EZB entgegen: Anleihen würden nur unter strikten Bedingungen gekauft, sagte Draghi. Voraussetzung sei, dass sich die Länder einem Programm der Euro-Rettungsfonds EFSF oder ESM unterwerfen. Allerdings muss kein vollständiges Programm aufgelegt werden. Es bestehe auch die Möglichkeit für ein vorsorgliches Programm. Das sieht nicht ganz so strenge Auflagen vor.
Eine weitere Bedingung Draghis: Es müsse die Möglichkeit bestehen, dass die Rettungsfonds parallel zur EZB am Primärmarkt Anleihen der betroffenen Länder kaufen.
Zuvor hatte die EZB den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent gelassen. Dies beschloss der Rat der EZB am Donnerstag in Frankfurt, wie die Notenbank mitteilte. Obwohl Zentralbankgeld für Banken damit bereits so günstig ist wie nie seit Einführung des Euro 1999, hatten viele Volkswirte mit einer weiteren Absenkung gerechnet. Denn die Konjunktur in vielen Euroländern schwächelt.
Die EZB sieht sich zu dem Kauf der Staatsanleihen gezwungen, weil ihre klassische Geldpolitik die Wirtschaft teilweise nicht mehr erreicht. EZB-Direktor Jörg Asmussen sagte am Dienstag: "Der Leitzins, der eigentlich "leiten“ soll, tut dies nur noch eingeschränkt.“
Kritiker lehnen weitere Anleihenkäufe als Rechtsbruch ab. Im 23-köpfigen EZB-Rat stemmt sich allerdings Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als einziger vehement gegen die Maßnahmen, wie Draghi öffentlich gemacht hatte, was ungewöhnlich ist. Nach Weidmanns Überzeugung verstößt die EZB mit Anleihenkäufen gegen das vertragliche Verbot der Staatsfinanzierung mit Hilfe der Notenpresse.
Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark schreibt in einem Gastbeitrag für die "Welt“ (Donnerstag): "Der politische Druck auf die Notenbank ist massiv. Schlimmer noch: der EZB-Rat scheint mehrheitlich bereit, diesem Druck unter Missachtung seines Kernauftrags und der Unabhängigkeit nachzugeben. Mit einer noch aktiveren Rolle der EZB begibt sich die Zentralbank in die Hände der Politik.“ Stark war Ende 2011 aus Protest gegen damalige Anleihenkäufe von seinem Amt zurückgetreten.
Anlässlich des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Nachmittag in Madrid warb Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy am Donnerstag in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung“ um Zustimmung zum EZB-Kurs: "Es ist jetzt besonders wichtig, dass sich die ganzen Unsicherheiten um den Euro auflösen und wir uns wieder zu vernünftigeren Zinsen finanzieren können.“
Auch Spaniens Außenminister José Manuel García Margallo betonte, allein die EZB könne das spanische Schuldenproblem lösen. Spanien erfülle seine Pflichten und kürze die Staatsausgaben, aber dies werde von den Finanzmärkten nicht honoriert, sagte der Minister dem Radiosender Onda Cero. Was Spanien auf der einen Seite einspare, müsse es auf der anderen Seite für die hohen Zinsen seiner Staatsanleihen wieder ausgeben.
Am Donnerstag konnte sich Spanien aber bereits zu deutlich günstigeren Konditionen am Kapitalmarkt refinanzieren. Ein mögliches Eingreifen der EZB drückte nach Angaben von Händlern die Renditen der ausgegebenen Staatsanleihen.
Draghi sieht auch neue Anleihenkäufe vom Auftrag der Notenbank gedeckt. Die EZB werde "im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten“, hatte der Italiener betont. (abendblatt.de/dpa/rtr/dapd)