Jens Weidmann sieht wachsende Risiken der deutschen Notenbank. Europäische Währungshüter uneins über Geldpolitik.
Frankfurt. Die Kritik von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann an den wachsenden Forderungen von Notenbanken des Euro-Raums hat dem "Spiegel" zufolge die Europäische Zentralbank (EZB) alarmiert. In der EZB-Spitze werde Weidmanns Kehrtwende bei den sogenannten Target-Salden als "verheerendes Signal" gesehen, berichtete das Nachrichtenmagazin vorab ohne Nennung von Quellen. Die Bundesbank räume damit erstmals ein, dass sie "ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone nicht ausschließt", heiße es weiter in der EZB-Spitze.
In einem Brief an EZB-Präsident Mario Draghi hatte Weidmann nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" angeregt, die Ungleichgewichte zwischen den Notenbanken abzusichern. Dahinter steht das Problem, dass die Bundesbank mittlerweile aus dem Euro-Zahlungsverkehrssystem Target Forderungen an andere Euro-Notenbanken von fast 500 Milliarden Euro angehäuft hat. Würde die Euro-Zone zerbrechen, würde die Bundesbank-Bilanz damit belastet - und damit letztlich der deutsche Steuerzahler.
Zudem äußerte sich Weidmann skeptisch über die jüngste Geldflut der EZB. Die Konditionen seien "sehr generös" geraten, sagte Weidmann dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und fügte hinzu: "Das Programm vermittelt kurzfristig Ruhe, aber es ist eine Ruhe, die trügerisch sein könnte." Die EZB hatte den kränkelnden Banken erneut eine Riesengeldspritze verpasst: Am Mittwoch liehen sich 800 zumeist südeuropäische Kreditinstitute die Rekordsumme von exakt 529,5 Milliarden Euro für außergewöhnlich lange drei Jahre. Damit pumpten sich die von der Schuldenkrise gebeutelten Banken bereits zum zweiten Mal binnen gut zwei Monaten billiges Geld von der Notenbank; kurz vor Weihnachten hatten sie sich 489,2 Milliarden Euro besorgt.
+++ Die EZB kauft den Regierungen Zeit +++
Als Sicherheit reicht inzwischen die Verpfändung einzelner Unternehmenskredite. Die EZB will mit der Geldflut und Zinsen auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent ein Austrocknen der Geldmärkte verhindern. Denn eine Kreditklemme würde die ohnehin schwache Konjunktur abwürgen.
Der Chef der französischen Zentralbank, Christian Noyer, sprach sich im "Spiegel" mit Blick auf Weidmanns Kritik gegen eine vorschnelle Änderung der Konditionen aus. "Wir können das tun, wenn die Krise einmal vorbei ist." Noyer verteidigte die Politik der EZB: "In dieser Krise waren die Zentralbanken verpflichtet, neue Instrumente zu erfinden", dem Ziel der Preisstabilität sei man trotzdem verbunden.
In Notenbank-Kreisen hieß es allerdings, Weidmanns Brief spiegele eine breite Debatte unter den Währungshütern wider. (HA)