Die Krisenstrategie der Währungshüter ist umstritten - auch unter den Notenbankern. Am Donnerstag will der Rat erste Details nennen.

Frankfurt/Main. Die Erwartungen sind hoch an die Europäische Zentralbank: Kauft die Notenbank wieder Staatsanleihen von Euro-Krisenländern, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen? Antworten auf diese Fragen erhoffen sich Beobachter von der Sitzung des EZB-Rates am Donnerstag.

Warum will die EZB wieder Staatsanleihen kaufen ?

EZB-Chef Mario Draghi wirbt für den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten wie Italien und Spanien, um deren Zinslast zu drücken. Denn Rom und Madrid müssen misstrauischen Investoren hohe Zinsen für ihre langfristigen Anleihen zahlen. Nach Draghis Vorstellungen sollen die Länder im Gegenzug einen Antrag auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF/ESM stellen und Reformauflagen erfüllen. Beim ESM hätte Deutschland ein Mitsprache- und Vetorecht. Nach Einschätzung von Volkswirten steckt die EZB allerdings in einem Dilemma . Die Zusagen dürften nicht den Reformeifer der Krisenländer dämpfen , müssten aber glaubhaft sein, um das Vertrauen der Investoren zu stärken, meinen Ökonomen der BayernLB.

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Welche Bedingungen knüpft die Notenbank an Anleihekäufe?

Die genauen Details stehen noch nicht fest. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen beispielsweise will den Internationalen Währungsfonds (IWF) bei möglichen Anleihekäufen mit ins Boot nehmen. Sollte die EZB gemeinsam mit den Rettungsfonds EFSF und ESM einem angeschlagenen Euroland unter die Arme greifen, würde der IWF mit seinen Erfahrungen und Einflussmöglichkeiten die Rolle eines „externen Polizisten“ übernehmen. Asmussens französischer Kollege Benoît Coeuré hält dagegen eine Bitte um Hilfe beim Rettungsfonds für ausreichend.

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Welche Anleihen hat die EZB im Blick?

Draghi bezeichnete Anfang der Woche den Kauf von Bonds mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren als vereinbar mit dem Mandat der Notenbank. Der Erwerb von Anleihen mit längerer Laufzeit birgt das Risiko, dass der Reformeifer der Krisenländer erlahmt.

Welche Details wird Draghi am Donnerstag präsentieren ?

Dass die EZB ihr komplettes Interventionsprogramm vorstellen wird, halten Beobachter für unwahrscheinlich. „Die EZB dürfte in etlichen entscheidenden Details vage bleiben“, erwartet Commerzbank-Devisenexperte Ulrich Leuchtmann. Ein Grund dürfte sein, dass das Bundesverfassungsgericht erst eine Woche nach der EZB-Ratssitzung über den permanenten Rettungsschirm ESM entscheidet. Sollte der ESM dann nicht wie geplant in Kraft treten können, müsste auch die EZB Details ihres Programms neu bestimmen.

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Welche Bedenken gibt es?

Bundesbankchef Jens Weidmann lehnt Anleihenkäufe von Krisenländern als Schritt zur „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“ ab . Eine Finanzierung durch die Notenbank könne traditionell hoch verschuldete Länder „süchtig machen wie eine Droge“. Weidmann befürchtet, dass mit dem Draghi-Modell die Schulden der hoch defizitären Südstaaten letztlich beim Steuerzahler landen. Als größtes Euro-Land steht Deutschland mit knapp 27 Prozent für die Schulden der EZB gerade. Weidmann ist nicht der einzige Kritiker im EZB-Rat. Das belgische Ratsmitglied Luc Coene bemängelt, dass Krisenländer, die die EZB unterstützt, in ihrem Reformeifer nachlassen könnten. Dies sei etwa im Sommer 2011 in Italien nach EZB-Anleihenkäufen der Fall gewesen. „Es besteht die Gefahr, dass weiterhin nur Zeit gekauft wird, und der Reformdruck gemindert wird“, sagt auch Commerzbank-Chef Martin Blessing.

Was sagen die Befürworter?

EZB-Chef Draghi argumentiert, dass die Wirksamkeit der Geldpolitik von den hohen Risikoaufschlägen für Anleihen der Krisenländer untergraben wird. Asmussen zufolge erreicht die EZB-Geldpolitik die Wirtschaft zum Teil nicht mehr. Obwohl der Leitzins im Euro-Raum auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent liegt, zahlen kleine Unternehmen in Spanien der EZB zufolge für einen Kredit bis zu einer Million Euro und einer Laufzeit von mehr als einem und bis zu 5 Jahren derzeit 6,5 Prozent Zinsen – so viel wie nie seit 2008. In Deutschland ist der gleiche Unternehmenskredit für rund 4 Prozent zu haben. „Der Leitzins, der eigentlich „leiten“ soll, tut dies nur noch eingeschränkt“, sagt Asmussen.