EZB-Chef Draghi zeigt Stärke – und beruhigt die Märkte. Viele Volkswirte meinen: Im Grunde kann nur die Notenbank die Krise lösen.
Frankfurt/Main. Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), lässt keinen Zweifel: Die EZB-Währungshüter werden den Euro retten. „ Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten “, betonte Europas oberster Währungshüter am Donnerstag in London. „Und glauben Sie mir – es wird ausreichen.“ Welchen Preis wird und kann die Notenbank zahlen?
Kann die EZB als Wunderwaffe fungieren?
Die Notenbank verfügt über eine Feuerkraft, mit der es kein Spekulant aufnehmen kann: Ihr kann das Geld nie ausgehen, weil sie es selber druckt. „Die EZB ist die einzige Institution, die Panik an den Märkten glaubwürdig Einhalt gebieten kann, weil sie schnell handeln kann und im Prinzip unbegrenzte Mittel hat“, erklärte Berenberg-Volkswirt Christian Schulz. Allerdings: Je mehr Geld in Umlauf kommt, umso höher die Gefahr steigender Inflation.
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Was macht die EZB mit dem vielen Geld?
Sie kauft zum Beispiel Staatsanleihen von Krisenstaaten wie Spanien, Italien und Portugal. Im Mai 2010 legte die EZB dazu ein Kaufprogramm auf (SMP), aktuell hat sie Staatspapiere im Wert von 211,5 Milliarden Euro in der Bilanz. Das Programm ruht seit Mitte März. Weil Euro-Schwergewichte wie Spanien und Italien am Markt weiterhin vergleichsweise hohe Zinsen für frisches Geld zahlen müssen, mehrten sich zuletzt Forderungen nach einem erneuten Eingreifen der EZB am Anleihenmarkt. Draghis Äußerungen vom Donnerstag (26. Juli) werten Händlern als Signal, dass die EZB dazu grundsätzlich bereit ist. Die US-Notenbank Fed fährt seit langem einen solchen freigiebigen Kurs.
Löst der Aufkauf von Staatsanleihen die Probleme?
Nein. Er kann den Staaten aber Luft verschaffen, um ihre Finanzen in Ordnung zu bringen und Reformen anzuschieben. Die Lage dauerhaft entspannt haben auch die bisherigen Anleihekäufe der EZB nicht. Die Commerzbank weist auf ein weiteres Problem beim Bond-Kaufprogramm SMP hin: „Nachteil des SMP ist allerdings, dass der Status der Notenbank als bevorrechtigter Gläubiger andere potenzielle Käufer verdrängen könnte, so dass per saldo nichts gewonnen wäre.“ Die Maßnahme ist auch unter Notenbankern umstritten, denn im Grunde finanziert die EZB damit durch die Hintertür Staaten – was sie nicht darf. „Staatsanleihekäufe durch die EZB sind nicht der beste Weg, um die Staatsschuldenkrise zu bewältigen“, bekräftigte ein Sprecher der Deutschen Bundesbank am Freitag.
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Was kann die EZB sonst tun?
Theoretisch könnte die EZB jederzeit beschließen, Geschäftsbanken ein weiteres Mal billiges Geld über einen langen Zeitraum zu leihen. Im Dezember und Februar hatten sich Europas Banken insgesamt mehr als eine Billion Euro mit drei Jahren Laufzeit geborgt. Bei Unternehmen und Verbrauchern ist die Masse davon bisher gar nicht angekommen, viel davon parken die Kreditinstitute kurzfristig bei der EZB. Eine weitere Geldspritze könnte zwar Banken animieren, wieder verstärkt zu Staatsanleihen zu greifen – was dann dort die Lage entspannen könnte. Zugleich jedoch würde die gegenseitige Abhängigkeit von Banken und Staaten enger – und genau dieser Teufelskreis zwischen maroden Banken und wackelnden Staaten soll durchbrochen werden.
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Ist eine weitere Zinssenkung wahrscheinlich?
Seit dem Amtsantritt des Italieners Draghi im November 2011 hat die EZB ihren Leitzins halbiert. Mit aktuell 0,75 Prozent ist Geld im Euroraum so günstig wie nie – zumindest für Banken. Viel Spielraum haben die Währungshüter an der Zinsfront nicht mehr, zumal sie den Zins für kurzfristig bei der EZB geparktes Geld (Übernachteinlagen) bereits auf null Prozent zurückgenommen haben. Weil die Teuerungsraten aktuell moderat sind, wären weitere Zinsschritte nach unten aber durchaus denkbar.
Welches Gewicht haben Draghis Äußerungen?
EZB-Präsident Draghi ist, wie seinen Vorgängern Jean-Claude Trichet und Wim Duisenberg, besondere Aufmerksamkeit gewiss, wann immer er sich äußert. Manchmal reicht schon die Andeutung, dass die Notenbank aktiv werden könnte, um Investoren und Händler zu beruhigen. So sorgten Draghis Aussagen vom Donnerstag beispielsweise an den Aktienmärkten weltweit für Kauflaune. Was genau die EZB nun tun wird, ließ jedoch auch Fachleute zunächst rätseln. Draghis Aussagen deuteten an, dass die EZB Sondermaßnahmen zur Stützung der Bondmärkte aufgeschlossener gegenüber stehe, kommentierte Jürgen Michels von der Citigroup: „Nach unserer Einschätzung sind Sondermaßnahmen aber wahrscheinlich erst zu erwarten, nachdem die Regierungen gehandelt haben.“ Für Aufklärung könnte der 2. August sorgen: Dann tagt der EZB-Rat in Frankfurt.