Vorfreude auf Draghi-Plan lässt die Märkte jubeln. Doch EZB ist mit der Retter-Rolle überfordert, Hardliner fallen ihr in den Rücken.
Frankfurt/Main. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen warnt deutlich wie nie vor dem Euro-Zerfall: „Die Märkte preisen ein Auseinanderbrechen des Euroraums ein“, hatte der deutsche EZB-Direktor am Montagabend in Hamburg gesagt. Solche systemischen Zweifel seien „dramatisch“ – und für die Europäische Zentralbank (EZB) nicht akzeptabel. „Nur eine Währung, an deren Bestand es keinen Zweifel gibt, ist eine stabile Währung.“
Wenn das eigene Spitzenpersonal offen eingesteht, dass der Euro ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, setzt die Notenbank alles auf eine Karte. Der Druck ist riesig: Die Finanzmärkte verlassen sich voll auf die EZB – die Erwartung des neuen Anleihekaufprogramms hält die Risikofreude hoch: Der Euro hat Auftrieb, die Zinskrise in Spanien und Italien entspannt sich. Die beiden großen Krisenländer konnten am Dienstag zu deutlich günstigeren Bedingungen Geld bei Investoren einsammeln als vor der Ankündigung der Notenbank, wieder in großem Stil Anleihen aufzukaufen. Doch die Wette auf die Kräfte der Währungshüter scheint gewagt. Ob der geplante Befreiungsschlag gelingt, ist ungewiss.
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„Die Ausgestaltung, Bedingungen und auch der Zeitrahmen etwaiger EZB-Unterstützung sind nach wie vor unsicher“, warnt Commerzbank-Expertin Peggy Jäger. Ohnehin könnte die Notenbank nur Zeit kaufen und nichts an den Ursachen der Krise im Euroraum ändern. Damit die EZB überhaupt wieder Anleihen kauft, müssten Spanien oder Italien zudem den Rettungsfonds EFSF oder seinen Nachfolger ESM aktivieren – eine Entscheidung, die die Regierungen aufgrund von drohenden Reformauflagen und Gesichtsverlust bis zum Äußersten aufschieben dürften.
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Darüber hinaus bedrohen Konfrontationen mit der Bundesbank die Erfolgsaussichten des Programms. Deren Chef Jens Weidmann lehnt Anleihekäufe wegen der Nähe zur verbotenen Staatsfinanzierung offen ab . Auch politische Stammtischparolen aus Deutschland untergraben den Plan. Während EZB-Chef Mario Draghi Investoren von der Gemeinschaftswährung überzeugen will, wird aus Reihen der deutschen Regierungskoalition quergeschossen. „Wesentliche Teile der CSU begeben sich fortgesetzt in die untersten Gefilde des Provinzialismus und der Stammtische“, kommentiert Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank.
Die Hardliner nehmen sich vor allem das pleitebedrohte Griechenland vor, dem sie die Zukunft im Euro absprechen. Ein Spiel mit dem Feuer: „Alle Wortmeldungen, die den Eindruck erwecken, Griechenland könne aus dem Euro herausgesetzt werden, selbst wenn es eine Reformpolitik betreibt, sind gefährlich“, warnt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. Sie könnten die Kapitalflucht aus Italien und Spanien anheizen und die Bemühungen, das Vertrauen in den Euro zu stärken, damit endgültig ad absurdum führen.
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Denn wenn die Gemeinschaftswährung überleben soll, muss es den Top-Entscheidern aus Politik und Notenbankkreisen gelingen, die Finanzmärkte von der „Unumkehrbarkeit“ des Euro zu überzeugen. Als „Wechselkursrisiko, das es theoretisch in der Währungsunion nicht geben dürfte“, beschreibt der deutsche EZB-Direktor Asmussen das Problem. Im Klartext: Spanien oder Italien müssen höhere Zinsen bieten, als ihre Bonität rechtfertigt. Anleger fürchten, dass sie ihr Geld nicht in Euro wiedersehen, sondern etwa in wiedereingeführten Lira oder Peseta.
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Vor diesem Hintergrund könnte sich ein griechisches Euro-Aus, das auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) immer wieder ins Gespräch bringt, als Bumerang erweisen. Selbst wenn die Ansteckungsgefahren für den Finanzsektor so abgeschirmt wären, wie Rösler und Landespolitiker wie Alexander Dobrindt oder Markus Söder (CSU) meinen: Der psychologische Effekt könnte fatal sein. Bislang wurde die Eurozone als untrennbare Schicksalsgemeinschaft betrieben. Bricht diese Einheit, könnten Anleger auf die auf die nächsten Aussteiger spekulieren, fürchtet beispielsweise Ökonom Lars Feld aus dem Rat der Wirtschaftsweisen.