Jens Weidmann ist strikt dagegen, dass die Europäische Zentralbank wieder in großem Stil Staatspapiere von Krisenländern kauft.

Berlin. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat mit scharfen Worten vor den Folgen weiterer EZB-Anleihekäufe im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise gewarnt. „Eine solche Politik ist für mich zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“, sagte Weidmann dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und fügte hinzu: „Der Geldsegen der Zentralbanken würde anhaltende Begehrlichkeiten wecken.“ Damit würden die grundlegenden Probleme nicht gelöst. „Wir sollten die Gefahr nicht unterschätzen, dass Notenbankfinanzierung süchtig machen kann wie eine Droge.“

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Im Mai 2010 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) gegen deutschen Widerstand ein Kaufprogramm für Staatsanleihen aufgelegt. Das Programm ruht seit Mitte März. Die Bundesbank kritisiert die Ankäufe als unzulässigen Versuch, mit Mitteln der Geldpolitik Staaten zu finanzieren. Die EZB hatte Anfang August schließlich signalisiert, unter bestimmten Bedingungen wieder Bonds von Euro-Krisenländern zu kaufen, um die Risikoprämien zu drücken. Als wichtige Voraussetzung nannten die Währungshüter einen Hilfsantrag der Länder beim EU-Rettungsfonds. Bundesbank-Präsident Weidmann hatte im EZB-Rat gegen den Plan von EZB-Chef Mario Draghi gestimmt.

Nach Auffassung Weidmanns sollten in Demokratien „über eine so umfassende Vergemeinschaftung von Risiken die Parlamente entscheiden und nicht die Zentralbanken“. Der Bundesbank-Präsident sieht auch die Unabhängigkeit der EZB in Gefahr: Auf den zweiten Blick falle auf, dass es bei den Plänen „auf abgestimmte Aktionen der staatlichen Rettungsschirme und der Notenbank hinausläuft. Dadurch entsteht eine Verknüpfung von Fiskal-und Geldpolitik“, sagte er dem „Spiegel“ weiter. Er wolle „vermeiden, dass die Geldpolitik unter die Dominanz der Fiskalpolitik gerät“.

Eine unmittelbare Inflationsgefahr, deren Bekämpfung die Kernaufgabe der EZB ist, sieht Weidmann nicht. „Aber wenn sich die Geldpolitik als umfassender politischer Problemlöser einspannen lässt, droht ihr eigentliches Ziel mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken.“ Weidmann warnt deshalb davor, die EZB zu verpflichten, „den Verbleib von Mitgliedsländern in der Euro-Zone um jeden Preis zu garantieren“. Bei der Entscheidung über einen möglichen Austritt Griechenlands müsse „sicherlich auch eine Rolle spielen, dass kein weiterer Vertrauensschaden am Rahmenwerk der Währungsunion entsteht und die wirtschaftspolitischen Auflagen der Hilfsprogramme ihre Glaubwürdigkeit behalten“.

Gegen Kritik an seiner offensiven Kommunikationspolitik in den vergangenen Monaten wehrt sich Weidmann: „Wir Notenbanker agieren derzeit in einem Grenzbereich, und dabei treten immer mehr grundlegende Fragen auf. Deshalb müssen wir auch bereit sein, unsere Überzeugungen, die wir im Rat vertreten, öffentlich zu erläutern“, so der Bundesbank-Chef. „Der EZB-Rat ist kein Politbüro.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte den Bundesbank-Präsidenten: Sie finde es gut, wie er immer wieder auch die Politik mahne, sagte sie am Sonntag im ARD-Sommerinterview. Dass es in der EZB Diskussionen um die Einsetzung von Kriseninstrumenten gebe, sei nicht ungewöhnlich, dies geschehe auf EU-Gipfeln auch. Merkel sagte, dass sie Weidmann ungeachtet der Unabhängigkeit der EZB „den Rücken stärke, dass er auch möglichst viel Einfluss in der EZB hat“.

Auch der frühere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark kritisierte die in Aussicht gestellten Staatsanleihenkäufe scharf: „Damit subventioniert die EZB die nationalen Haushalte einiger Staaten, und es findet eine Umverteilung statt“, sagte Stark der „Welt am Sonntag“.

In jedem Fall erwarten Anleger bald Klarheit darüber, auf welche Art die Notenbank Krisenländer am Anleihemarkt unterstützen könnte. Der EZB-Rat will in seiner Sitzung Anfang September darüber entscheiden, wie die in Aussicht gestellten Interventionen bei spanischen oder italienischen Staatsanleihen aussehen könnten.

(dpa)