Die EZB-Strategie wird besonders von Bundesbank-Chef Weidmann kritisiert. Wird EZB-Chef Draghi sich dennoch durchsetzen?
Berlin. „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank“, hat der Expräsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, einst gestöhnt. Jetzt soll ausgerechnet der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, mit seinem Rücktritt gedroht haben , weil er den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Eurokrise für grundfalsch hält.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FD) hat sich im Streit um Staatsanleihenkäufe der EZB unterdessen hinter Weidmann gestellt. „Anleihenkäufe können keine dauerhafte Lösung bleiben, weil sie die Inflationsgefahr befördern“, sagte der FDP-Politiker der „Rheinischen Post“ laut Vorabbericht (Montagsausgabe). EZB-Präsident Mario Draghi habe selbst darauf hingewiesen, dass nur mit strukturellen Reformen in den einzelnen Ländern die Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilität des Euro gesichert werden könne, und nicht durch Anleihenkäufe. „Das muss der Kurs sein“, forderte Rösler. „Es ist deshalb genau richtig von der Bundesbank und Jens Weidmann, immer wieder darauf hinzuweisen.“
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Die EZB trifft sich am Donnerstag (6. September) zu ihrer turnusmäßigen Zinssitzung. Es wird erwartet, dass sie sich dann zu Anleihekäufen äußern wird. Weidmann, der auch im EZB-Rat sitzt, hat sich klar gegen einen solchen Kurs ausgesprochen. Wo verlaufen die Fronten? Kommt es zum Showdown zwischen Weidmann und EZB-Präsident Mario Drahgi? Einige Antworten auf zentrale Fragen:
Was will Mario Draghi?
Der EZB-Chef wirbt für den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten, um deren Zinslast zu drücken. Die von einer Pleite bedrohten Länder sollen nach seinen Vorstellungen im Gegenzug einen Antrag auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM stellen und Reformauflagen erfüllen.
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Beim ESM hätte Deutschland ein Mitsprache- und Vetorecht. Die Umsetzung der Vorgaben von EZB und EU – soweit sie bisher bekannt wurden – soll unter anderem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) überprüft werden. Offenbar steht die große Mehrheit des EZB-Rats hinter diesem Konzept.
Welche Bedenken hat Weidmann?
Der Bundesbankchef lehnt einen Anleihenkauf von Krisenländern als Schritt zur „Staatsfinanzierung durch die Notenpresse“ ab . Eine Finanzierung durch die Notenbank könne traditionell hoch verschuldete Länder „süchtig machen wie eine Droge“.
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Weidmann, dessen Bundesbank zur Geldwertstabilität und damit zu Inflationsbekämpfung verpflichtet ist, befürchtet, dass mit dem Draghi-Modell die Schulden der hoch defizitären Südstaaten letztlich beim Steuerzahler landen. Als größtes Euro-Land steht Deutschland mit knapp 27 Prozent für die Schulden der EZB gerade.
Wie reagiert Angela Merkel?
Auf die offenbar gezielt gestreuten Gerüchte über Rücktrittsgedanken des Notenbankchefs ließ die Kanzlerin am Freitag zunächst wissen, dass sie „natürlich Jens Weidmann als unserem Bundesbanker den Rücken stärk“.In manchen Ohren klang das eher wie eine Pflichtübung, zumal sie genau das schon vor einer Woche im ARD-Sommerinterview erklärt hatte. Am Samstag meldete dann die „Bild“-Zeitung, Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) hätten Weidmann persönlich von einem möglichen Rücktritt abgebracht und ihn ermutigt, seine Position weiter zu vertreten.
Welche Beweggründe hat Merkel?
Das ist schwer zu sagen. Die eine Lesart ist, die Kanzlerin habe zwar ebenfalls Bedenken gegen den Ankauf der Staatsanleihen von Krisenländern, sehe sich nicht mehr in der Lage, die Phalanx der Unterstützer des Draghi-Modells zu stoppen.
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Die andere Lesart lautet, Merkel stehe hinter den Plänen Draghis, könne aber nicht offen dafür eintreten, weil sie unter den Euro-Skeptikern von Union und FDP als „rechtswidrige Schuldenvergemeinschaftung zu Lasten Deutschlands“ angesehen werden.
Welches Gewicht hat Weidmann im EZB-Rat?
Der Bundesbankchef hat eine von 23 Stimmen. Damit hat Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU in dem Gremium genauso viel Einfluss wie zum Beispiel Malta. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat deshalb bereits gefordert, das Stimmgewicht Deutschland mittelfristig zu stärken. Kurzfristig jedoch wird sich daran nichts ändern.
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Da sich inzwischen sogar das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hinter den Kurs von Draghi gestellt hat, steht Weidmann ziemlich allein da.
Mit Material von dpa/Reuters