Hintergrund ist ein Zerwürfnis mit der EZB über die Einführung von Euro-Bonds. Nachfolger soll Sozialdemokrat Jörg Asmussen werden.

Brüssel. EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark wird zum Ende des Jahres von seinem Amt zurücktreten. Hintergrund: Stark hat sich mit der europäischen Zentralbank über die, vor allem in Deutschland umstrittenen, Staatsanleihenkäufe überworfen. Offiziell heißt es allerdings nur, Stark tritt aus "persönlichen Gründen" zurück. Sein Nachfolger soll der Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen werden.

Stark ist einer der heftigsten Kritiker der Staatsanleihenkäufe, mit denen die EZB seit Mai 2010 Problemländer wie Griechenland stützt. Stark wäre der zweite deutsche Notenbanker, der deshalb das Handtuch wirft. Bereits im Februar hatte der damalige Bundesbankchef Axel Weber die Flinte ins Korn geworfen. „Euro-Bonds sind nicht nur der Einstieg in die Transferunion, sie sind die Transferunion“, sagte er letzte Woche dem „Handelsblatt“ (Freitagausgabe). Für ihn sind gemeinsame Anleihen der Euro-Länder kein Königsweg aus der Staatsschuldenkrise, sondern lediglich ein Kurieren an Symptomen.

+++ Jürgen Stark warnt vor Euro-Bonds +++

In den vergangenen Tagen warnte Stark vehement vor der Einführung von Euro-Bonds. Stark hat sich dafür ausgesprochen, dass alle Euro-Länder ihre Ausgabenstruktur überprüfen. Die Aufnahme einer Schuldenobergrenze in die Verfassung der Mitgliedstaaten hält er für unabdingbar. Verständnis zeigte Stark für die Menschen in Deutschland, die über die wachsenden Rettungsschirme in Europa besorgt sind. Es führe zu nichts, wenn immer mehr Geld in den Kreislauf gepumpt würde. Erforderlich seien strukturelle Korrekturen, um das Wachstumspotenzial zu stärken. Der Euro fiel nach der Reuters-Meldung auf ein neues Sechs-Monats-Tief.

Der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet würdigte Starks Engagement für die Währungsunion in den vergangenen Jahren. Insbesondere in seiner Zeit im Direktorium seit 2006 habe er sich „mit ganzem Herzen“ für den Euro stark gemacht. Die EZB und die Euro-Zone trifft der Rückzug des promovierten Ökonomen Stark in einer sehr labilen Phase. Ende Oktober muss Präsident Trichet nach acht Jahren an der Spitze der Zentralbank turnusmäßig gehen. Nachfolger des Franzosen wird der Italiener Mario Draghi. Der aktuelle Chef der Banca d'Italia ist vor allem in Deutschland umstritten, lange Zeit galt zudem Weber als Favorit für die Trichet-Nachfolge. Aus deutscher Sicht geht mit Stark der zweite geldpolitische „Falke“ nach Weber.

Asmussen wird dagegen zu den „Tauben“ gezählt, die eine weichere geldpolitische Linie verfolgen. Er steht der SPD nahe, wurde aber wegen seiner im In- und Ausland hoch geachteten Expertise vom CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble nach dem Machtwechsel in Berlin im Amt gelassen. Er hat gemeinsam mit Weber und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann – damals noch Berater der Kanzlerin – bei mehreren Bankenrettungen eine wichtige Rolle gespielt.

Der Dax reagiert auf Rücktritt

Die Kurse am deutschen und US-Aktienmarkt sind am Freitagnachmittag ins Rutschen geraten, der Euro verlor binnen kurzer Zeit fast einen Cent an Wert. Auslöser war der angekündigte Rückzug des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark. Außerdem sorgte die Aussage von US-Finanzminister Timothy Geithner für Verkaufssignale, wonach das G-7-Finanzministertreffen in Marseille kein koordiniertes Einschreiten gegen die Krise zur Folge haben werde. Der DAX verlor binnen weniger Minuten rund zwei Prozent. Gegen 15.45 Uhr stand der Leitindex mit einem Minus von 3,5 Prozent bei 5.217 Punkten. Der MDAX gab 2,6 Prozent auf 8.561 Zähler nach. Der TecDAX verlor 2,3 Prozent auf 705 Zähler.

Nachfolger schon gefunden?

Dem CDU-Mann folgt ein Sozialdemokrat: Jörg Asmussen soll in das Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) einziehen, als Nachfolger für den im Streit gehenden Christdemokraten Jürgen Stark.

Der 1966 in Flensburg geborene Ökonom arbeitet seit 2008 als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, für das er zuvor unter anderem als Chef der Abteilung für internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik zuständig war. Diese Erfahrung dürfte ihm nun gelegen kommen. Der damalige Minister Peer Steinbrück (SPD) berief Asmussen 2008 zum Staatssekretär. Sein Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) behielt ihn trotz des „falschen“ Parteibuchs. (abendblatt.de/Reuters/dapd)