Seit Monaten streiten Europas Währungshüter um die Strategie. Der Ton zwischen der EZB und dem Bundesbank-Chef ist rauer geworden.

Frankfurt/Main. Jens Weidmann scheint isoliert . Seit Monaten fragt sich mancher, wie lange der Bundesbank-Präsident als einsamer Kämpfer im EZB-Rat noch durchhalten wird. Den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen mit Zentralbankgeld wird der Deutsche ebenso wenig verhindern können wie sein Vorgänger Axel Weber. Schon geistert das Gerücht über angebliche Rücktrittsabsichten Weidmanns umher.

Nach außen zeigt sich Weidmann unbeeindruckt. „Ich wusste, welche Situation mich erwartet“, sagt der ehemalige Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der nach Webers überraschendem Rücktritt im Mai 2011 an die Spitze der Bundesbank befördert wurde, im aktuellen „Spiegel“. „Aber ich bin der Überzeugung, dass es sich lohnt, für Geldwertstabilität einzutreten und den langfristigen Erfolg des Euro im Blick zu behalten.“ Weidmann betont: „Ich kann meiner Aufgabe am besten gerecht werden, wenn ich im Amt bleibe.“

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Doch der Ton ist ohne Zweifel rauer geworden. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi , outete Weidmann als einzigen Gegner seiner Pläne im EZB-Rat, weitere Milliarden für Bonds von Krisenstaaten wie Spanien und Italien in die Hand zu nehmen. Weidmann urteilte wenig später im „Spiegel“, Notenbankfinanzierung könne süchtig machen „wie eine Droge“. Die Risiken von Anleihenkäufen tragen letztlich die nationalen Notenbanken und die Steuerzahler.

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Der Italiener Draghi, der noch kurz nach seinem Amtsantritt im November die stabilitätsorientierte Tradition der Bundesbank lobte und vor einer Aushöhlung der Geldpolitik warnte („Glaubwürdigkeit kann man schnell verlieren – und die Geschichte zeigt, dass ihre Wiederherstellung hohe wirtschaftliche und soziale Kosten verursacht“), ließ die Kritik nicht lange auf sich sitzen.

In einem Gastbeitrag auf dem Titel der aktuellen „Zeit“ schreibt Draghi: „Wenn an Kapitalmärkten Angst und Irrationalität vorherrscht, wenn sich der gemeinsame Finanzmarkt wieder entlang der Ländergrenzen aufspaltet, dann erreicht das geldpolitische Signal der EZB nicht alle Bürger der Euro-Zone gleichermaßen.“ Deshalb müsse die Notenbank eingreifen, um Preisstabilität zu gewährleisten. „Dies kann hin und wieder außergewöhnliche Maßnahmen erfordern. Diese, wenn nötig, zu ergreifen ist unsere Verantwortung als Zentralbank für die Euro-Zone als Ganzes“, schreibt Draghi.

Sogar auf EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen , Duz-Freund Weidmanns aus gemeinsamen Zeiten an der Uni und in der Bundesregierung, kann sich Weidmann in der strittigen Frage nicht mehr verlassen. Der Cheflobbyist der EZB rührt derzeit kräftig die Werbetrommel für ein neues, milliardenschweres Programm zum Kauf von Staatsanleihen.

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Schmeißt Weidmann nun hin? „Derlei Gespräche fanden nicht statt. Weidmann ist auch kein Typ für einen Rücktritt“, hieß es dazu am Freitag in hochrangigen Bundesbankkreisen. In Berlin ist zu hören, weder im Bundesbankvorstand, noch gegenüber Regierungsvertretern oder Koalitionsspitzen soll Weidmann einen Rücktritt angedeutet haben.

Weidmann selbst, der sich seit Monaten die Frage stellen lassen muss, wie lange er als Einzelkämpfer im EZB-Rat noch durchsteht, betonte: „Ich bleibe hier und arbeite daran, Schwung zu produzieren.“ Bestimmte Dinge würden ohne seine Position im EZB-Rat gar nicht diskutiert. Er versuche, alles zu erreichen, was möglich ist und seine Position unabhängig von Mehrheitsverhältnissen darzulegen: „Dazu gibt es keine Alternative.“

Der 44 Jahre alte Volkswirt, der als Beamter eine Bilderbuch-Karriere hinlegte, gilt als gewissenhafter Arbeiter, der eine einmal übernommene Aufgabe auch durchzieht. Der jüngste Bundesbankpräsident in der Geschichte der Notenbank ist für acht Jahre bestellt, also bis Frühjahr 2019. Und: Weidmann weiß durchaus, dass er mit seinen Ansichten in einem System mit Mehrheitsentscheidungen auch verlieren kann.

Der Kanzlerin dürfte die harte Haltung ihres ehemaligen Beraters gelegen kommen: Während sich Merkel mit Rücksicht auf die Europartner zurückhalten muss, gibt Weidmann den Hardliner, der Deutschland vor einer durch die Südländer forcierten laxen Geldpolitik zu bewahren versucht. Nächster Showdown: Die Sitzung des EZB-Rates am Donnerstag (6. September) in Frankfurt.