Wie Wolfgang Schäuble bekannt gab, bewirbt sich Jörg Asmussen nach Jürgen Starks Rücktritt um die Nachfolge als Chefvolkswirt bei der EZB.
Marseille. Jörg Asmussen, der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, bewirbt sich um die Nachfolge des zurückgetretenen Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark. Das teilte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Sonnabend in Marseille dem luxemburgischen Ministerpräsidenten und Eurogruppen-Vorsitzenden Jean-Claude Juncker mit. Asmussen bedankte sich bei Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel für das Vertrauen. Er wolle die Aufgabe gerne übernehmen, "in einer Phase, in der wir die Währungsunion sichern müssen“, erklärte der Staatssekretär. Asmussen war in den vergangenen Jahren einer der wichtigsten Krisenmanager der Bundesregierung in der Finanzkrise. Er muss nun zunächst durch die Eurogruppe nominiert werden, dann gibt es eine Anhörung vor dem EU-Parlament und durch das EZB-Direktorium, das ebenfalls zustimmen muss. Die Amtsübernahme solle bis zum Jahresende vollzogen werden, sagte Schäuble.
Der Rücktritt von Stark hatte am Freitag an der Börse zu massiven Kurseinbrüchen geführt. Der Euro fiel auf den tiefsten Stand seit Februar. Hintergrund des Rücktritts war ein Streit innerhalb der EZB über den Aufkauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder, wie er von Notenbankpräsident Jean-Claude Trichet befürwortet wird.
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Bis zur Ernennung eines Nachfolgers des EZB-Chefvolkswirts soll Stark laut EZB im Amt bleiben. Der ehemalige Bundesbank-Vizepräsident sitzt seit Juni 2006 im Direktorium der Europäischen Zentralbank, das unter anderem für die Durchführung der Geldpolitik im Euro-Raum zuständig ist. Analysten rechnen nun zwar nicht damit, dass sich die Geldpolitik der EZB ändert. Sie machen aber einen handfesten Streit hinter den Kulissen über den Aufkauf maroder Staatsanleihen aus. Mit Stark gehe der überzeugteste geldpolitische "Falke", sagte ING-Analyst Carsten Brzeski.
Stark ist bereits der zweite prominente deutsche Kritiker des Kurses von Trichet, der in diesem Jahr seinen Hut nimmt. Im Frühjahr hatte schon der damalige Bundesbankpräsident und aussichtsreiche Trichet-Nachfolgekandidat Axel Weber im Streit über die Anleihenkäufe aufgegeben.
Gabriel nennt Rücktritt Starks "dramatisches Signal“
Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel wertet den angekündigten Rücktritt des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, als "dramatisches Signal“. Dies zeige auch, wie falsch die Politik der vergangenen Monate gewesen sei, sagte Gabriel am Sonnabend im Deutschlandfunk. Kritikpunkt sei aber nicht die EZB, sondern zu kritisieren seien die Staats- und Regierungschefs, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Merkel habe "zugeguckt“, anstatt zu handeln und etwa den Bankensektor zu regulieren.
Die EZB sei als "Nothelfer“ eingesprungen und zur Beteiligten der Finanzkrise geworden. Durch den Ankauf von Staatsanleihen sei sie Gläubiger und könne nicht mehr die neutrale Funktion als Währungshüterin einnehmen, "ihre wichtigste Aufgabe“, sagte Gabriel. (Mit Material von dpa/dapd)