Politik und Wirtschaft halten sich offiziell zurück, das NOK denkt an die internationalen Chancen
Hamburg. In einem frühen Stadium der Olympiabewerbung hat Gerhard Schröder seine Sympathie für Leipzig bekundet, als hoch willkommenen Beitrag für den Aufbau Ost. Als NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement dann dem Ruf des Kanzlers nach Berlin folgte, schien sich die Haltung des Regierungschefs zu verändern. Die zusätzliche Bundesgabe von 2,3 Milliarden Euro an Nordrhein-Westfalen für den Bau der Transrapid-Strecke zwischen Düsseldorf und Dortmund wirkte auch als Olympia-Pfund. Nichts da, hat Innenminister Otto Schily gesagt. Die Bundespolitik verhalte sich beim nationalen Fünfkampf zwischen Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Stuttgart um die Spiele 2012 neutral. Schröder hat aber mit Superminister Clement jenen Mann an seiner Seite, der als NRW-Regierungschef die Bewerbung Düsseldorfs zu einem Zeitpunkt anschob, als die Konkurrenten noch zu schlafen schienen. Den Gegenpol im Kabinett bildet Manfred Stolpe, als Verkehrsminister für den Aufbau Ost zuständig. Partei übergreifend haben sich zudem Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sowie Altkanzler Helmut Kohl (CDU) und Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) als Sympathisanten Leipzigs geoutet. Zurückhaltend gibt sich die Wirtschaft. Die Großindustrie wartet das NOK-Votum ab. So sagt DaimlerChrysler-Vertreter Matthias Kleinert: "Mit NOK-Präsident Klaus Steinbach gibt es die Vereinbarung, dass wir der deutschen Bewerberstadt unsere guten Kontakte zum IOC sowie unser Know-how im internationalen Sport zur Verfügung stellen können". Direkten Einfluss auf die Entscheidung von München nehmen ein knappes Dutzend Meinungsbildner und Strippenzieher unter den 73 NOK-Mitgliedern. Dazu gehören Steinbach, sein Vorgänger Walther Tröger, Dieter Graf Landsberg-Velen als Vorsitzender der Prüfungskommission, Manfred von Richthofen, der Sporthilfe-Vorsitzende Hans-Ludwig Grüschow, DSB-Leistungssport-Chef Ulrich Feldhoff, DFB-Boss Gerhard Mayer-Vorfelder sowie IOC-Vizepräsident Thomas Bach und IOC-Ehrenmitglied Berthold Beitz. Steinbach hat als Generalmanager der nationalen Olympia-Bewerbung bisher keine schlechte Figur gemacht. Er möchte dem IOC die Stadt mit den international größten Chancen präsentieren. Andernfalls droht eine Wiederholung des Berlin-Debakels zu den Spielen 2000. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte Steinbach nicht Düsseldorf wählen. Dessen Zwölf-Städte-Bewerbung ist von ihm und seinen NOK-Prüfern unter dem Maßstab der zehn IOC-Kriterien hinter Stuttgart als am ungeeignetsten bewertet worden. Vor einer besonders schwierigen Entscheidung steht NOK-Vize Landsberg-Velen. Als Chef-Prüfer hat er sich gegen Düsseldorfs internationale Wählbarkeit ausgesprochen. Als Vertreter der Deutschen Reiterlichen Vereinigung verfügt er über drei Stimmen, die sein Verband am liebsten bei Düsseldorf und damit beim Pferdesport-Mekka Aachen sähe. Ein solches Dilemma kennt Feldhoff als Präsident des nationalen und internationalen Kanu-Verbandes nicht. Der Oberhausener setzt ganz auf Düsseldorf und dessen Regatta-Zentrum Duisburg. Als DSB-Vize Leistungssport ist Feldhoff oberster Gutachter für die Verteilung der Bundesmittel an die Verbände. Das gibt ihm Einfluss auf die 32 Verbände, die mit 96 Stimmen über die Majorität der 135 NOK-Voten verfügen. "Die Entscheidung fällt am Vorabend, da werden Abstimmungsgespräche geführt, um mit deutlicher Mehrheit zu einem Kandidaten zu kommen", hatte Feldhoff der "Zeit" kundgetan und später geleugnet, dies gesagt zu haben. Eine Tonbandaufnahe der Redaktion belegt jedoch die Authentizität des Zitats. Feldhoffs Rolle wird damit immer zwielichtiger. Richthofen neigt derweil Leipzig und Hamburg zu. In der Hansestadt glaubt man, auch in Steinbach-Vorgänger Tröger einen Anhänger zu haben. Mayer-Vorfelder macht sich für seine Heimatstadt Stuttgart stark, Grüschow für seine Geburtsstadt Hamburg. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss von Ex-Krupp-Chef Beitz, der Fäden für Düsseldorf zu ziehen versuchte. Der Tauberbischhofsheimer Bach, regional Stuttgart am nächsten, hält sich bedeckt. Der IOC-Vize äußert lediglich "die Sorge, dass das NOK den richtigen Kandidaten auswählt".