POPSOUL: Alicia Keys Album “As I Am“ ist überproduziert und entfernt sich von ihren Soul-Vorbildern

Manchmal wünscht man sich, dass Musiker im Studio nur 16 und nicht 128 Spuren zur Verfügung haben. Damit sie sich auf den Kern ihrer Musik konzentrieren können und nicht in Versuchung kommen, all die anderen Spuren mit noch mehr Klängen aus der digitalen Hexenküche zu belegen. Oder sie mit einer Band in ein Studio zu sperren und sie erst wieder rauszulassen, wenn die Aufnahme im Kasten ist.

Solche Strenge hätte man gerne bei Alicia Keys angewendet. Die 27 Jahre alte Sängerin und Pianistin ist eine der begabtesten amerikanischen Pop-Künstlerinnen, mit "Fallin'" hat sie eine der schönsten Nummern dieses Jahrzehnts gesungen, sie ist zu Recht mit Auszeichnungen überschüttet worden. Ein neues Album der afroamerikanischen Musikerin, die Marvin Gaye und Nina Simone als wichtige Einflüsse nennt, ist deshalb immer von hohen Erwartungen begleitet. "As I Am", ihr viertes Werk, reicht allerdings nicht an die Vorgänger heran. Das digital erzeugte Knacken soll dem Hörer zwar vorgaukeln, er höre noch Vinyl, doch "As I Am" ist bereits Lichtjahre von analoger Aufnahmetechnik entfernt. Und leider ist es so überproduziert, dass der Soul, für den Alicia Keys eigentlich steht, auf der Strecke bleibt. Die neuen Songs singt sie mit viel Vibrato in hohen Stimmlagen und klingt dabei wie eine schwächere Ausgabe von Whitney Houston. Warum sagt ihr niemand ihrer Produzenten, Koautoren und Sound-Ingenieure, dass hohe Tonlagen nicht gleichbedeutend mit Ausdruck für Schmerz und Verlust sind?

Kulturclips

Mit "Where Do We Go From Here" und "Go Ahead" gibt es nur zwei wirklich starke Nummern auf diesem Album, der Rest klingt ähnlich und ist mal langsam, mal midtempo. Spannend wäre es zu hören, wie diese Nummern ohne den Produktionsballast klingen würden. Setzen und neu aufnehmen, Alicia!

>> Alicia Keys: As I Am (SonyBMG), www.aliciakeys.de