Schüler machen Zeitung

Jeder kennt es: Man geht durch die Stadt, guckt sich in den Läden um, in der Hoffnung, etwas Schönes zu finden, und wenn man nichts Passendes findet, dann geht man halt wieder nach Hause. Aber kennt nicht auch jeder "Frustkäufe", wie nach dem Stress in der Schule zur Selbstbestätigung? Ist man dann gleich schon süchtig?

Bei vielen Jugendlichen ist es so, dass sie aus Zwang Sachen kaufen, obwohl sie ihnen nicht gefallen oder man sie nicht braucht. Das kann klein anfangen, zum Bespiel bei lockenden Angeboten: "Kaufen Sie drei Paar, dann bekommen Sie ein Sockenpaar geschenkt." Man kauft immer mehr Kleidung, und wenn das Geld verbraucht ist, wird meist bei den Eltern gefragt oder auch mal geklaut.

Laut Untersuchungen der Universität Stuttgart-Hohenheim ist Kaufsucht inzwischen weit verbreitet. Leider wird dies nicht immer bemerkt, weder von den Betroffenen noch von deren Umfeld, da Konsum von der Gesellschaft akzeptiert wird. Die jugendlichen Käufer sind nicht nach einem bestimmten Suchtmittel süchtig, sondern nach dem Suchterleben, das dieser Gegenstand oder dieses Produkt verspricht. Das Kaufen verschafft in diesen Fällen der Kaufsucht Befriedigung. Die Käufer sind abhängig vom Konsum und haben sich meist selbst nicht mehr unter Kontrolle. Kaufen wird als Symbol für selbstständiges, kompetentes Entscheiden empfunden, als Symbol für Überfluss und intensives Leben, als emotionale Unterstützung (ein Beispiel: "Einkaufen versetzt mich in Hochstimmung."), als Bestärkung einer unsicheren Identität, als Ersatz für Anerkennung in anderen Lebensbereichen, als Schutz vor einer inneren Leere und Minderwertigkeitsgefühlen, als Belohnung ("Da gönne ich mir etwas, wenn ich es sonst schon so schwer habe!") und Trost, als Bestätigung eigener Fantasievorstellungen als attraktiv, begehrt, stark, mächtig, selbstbewusst.

Grundlage ist meist eine unerfüllte Sehnsucht nach Liebe, Anerkennung, Zuneigung, Respekt und Beachtung. Dies ist auch daran abzulesen, dass Kaufsucht sehr häufig mit Depressionen einhergeht. Dass es keineswegs die Güter selbst sind, nach denen man süchtig wird, kann daraus abgelesen werden, dass wenig mit ihnen umgegangen wird: Meistens werden sie gar nicht oder nur einmal benutzt, dann achtlos weggeräumt, verschenkt oder aus Angst vor Vorwürfen der Familie versteckt.

Alle Einkommens- und Bildungsschichten scheinen gleichmäßig von dieser Sucht betroffen zu sein. Fast alle Kaufsüchtigen spezialisieren sich auf bestimmte Produkte und Kaufumgebungen: Mädchen scheinen sich dabei mehr auf Kleidung, Schuhe, Schmuck, Lebensmittel und Bücher zu verlegen, Jungs kaufen eher technische und modische Accessoires, technische Geräte und Sportgeräte.

Ursachen der Kaufsucht sind eine Selbstwertschwäche durch eine Vielzahl von seelischen Verletzungen und Defiziten, die sich im Laufe eines Lebens ansammeln. Dies beginnt in der Regel schon in der Kindheit. Eine Schlüsselrolle kommt hier dem Einfluss der Eltern zu: Alle Kaufsüchtigen wurden als Kind emotional vernachlässigt, bekamen entweder Ablehnung und Gleichgültigkeit vonseiten der Eltern oder aber Überversorgung zu spüren. Oft wurden Geschwister bevorzugt. Auch sexuell missbrauchte Kinder scheinen besonders anfällig für Suchtverhalten zu sein.

Doch auch bestimmte Lebenssituationen oder Schlüsselereignisse können einen solchen Selbstwertknick hervorrufen. So bei einer Befragten, die bei einem Unfall ihre Mutter verloren hat: "Kaufen ist alles, was mir noch bleibt, wo ich mich noch lebendig fühle. Wenn ich ein Kleidungsstück kaufe, ist das ein Gefühl wie Weihnachten." Konsequenzen der Kaufsucht sind meist sinkende Leistungen in der Schule und Verschuldung bei Freunden, Eltern und Verwandten. Wie man helfen kann, ist fraglich: Meist erkennt man als Elternteil die schlechteren Noten des Kindes und den Kauf neuer Sachen, die aber nicht verwendet werden.

Dann sollte man handeln und zum Beispiel sein Kind in eine Selbsthilfegruppe geben, die sich mit dem Thema Kaufsucht befasst und an die man sich jederzeit wenden kann. Oder in Behandlung zu einem Psychologen schicken.

Vielleicht bist auch du schon kaufsuchtgefährdet.

Ramona Luise Beyer, 10a Johannes-Brahms-Gymnasium