Im Herbst hat meine Klasse an dem Projekt "Schüler machen Zeitung" des Hamburger Abendblatts teilgenommen. Dieses Projekt hat uns geprägt und vor allem unser Verhalten geändert. Es geht hierbei nicht nur darum, dass wir alle jetzt eine Zeitung wieder zusammenfalten können, sondern um etwas ganz anderes, viel Bedeutenderes.

Das erste Abendblatt - ich erinnere mich noch genau daran. Auf der Titelseite war die Mumie von Tutanchamun. Wir haben wirklich alles darüber gelesen, den Inhalt wie Schwämme aufgesogen. Überall in der Klasse lagen Seiten, geknüllt und gefaltet. Selbst die Werbung wurde bestaunt, es gab Diskussionen über die Models und ihre Outfits.

Was sich bei uns geändert hat, ist unser Leseverhalten. Man merkt, dass alle vertrauter mit dem Abendblatt waren und vor allem mit den verschiedenen Ressorts. Wir haben festgestellt, welches Ressort uns am besten gefällt und wo man unbedingt als Erstes einmal nachsehen musste, um mitreden zu können. Es wurde in unserer Klasse praktisch ein neuer Trend, Bescheid zu wissen. Nach einigen Tagen bemerkte man die Unruhe, wenn die Zeitungen einmal zu spät von Klassenkameraden geholt wurden. "Holt doch mal das Abendblatt, ich will jetzt lesen!", schallte es dann durch die Klasse.

Es war wie in einem seltsamen Traum, denn es hat sich so vieles geändert. Wir redeten viel mehr über aktuelle und brisante gesellschaftliche oder wirtschaftliche Themen, bei denen wir wohl sonst im Unterricht die Augen verdreht hätten.

Es kam häufiger vor, dass Schülern in den Sinn kam, dass einer der Zeitungsartikel wohl doch interessanter als der Unterrichtsstoff sei. So hieß es immer wieder wütend vonseiten der Lehrer: "Zeitungen vom Tisch!"

Ganz kurios wurde es schließlich, als unsere Lehrerin an einem Tag die Zeitung an die Parallelklasse abgegeben hatte, damit diese sie im Unterricht benutzen konnte. Den ganzen Tag klagten meine Mitschüler und ich darüber, dass wir nun die "Tagesthemen" gucken müssten, da wir sonst überhaupt nichts über das Weltgeschehen erfahren würden.

Mir graute es vor dem Ende des Projekts. Eine Mitschülerin sagte: "Zum Glück haben wir die Weihnachtsferien, um uns die Zeitungen wieder abzugewöhnen." Da wusste ich, dass sie dieses Projekt - ähnlich wie ich - als eine moderne Sucht ansah, von der man Entzugserscheinungen bekommt. Meiner Meinung nach wird genau dies bei uns geschehen. Vielleicht wird noch einige Male auf www.abendblatt.de geschnuppert, doch auch das wird sich wohl schon bald wieder legen, doch was sich wohl nie wieder legen wird, ist das Verständnis gegenüber den Erwachsenen, die ständig eine Zeitung dabeihaben müssen.

Joana Thinius, 9c

Alexander-von-Humboldt- Gymnasium