Zunächst gab es Kritik an den Vereinbarungen zu Elbvertiefung und Kraftwerk Moorburg.

Erleichtert, glücklich und unter dem Jubel der Mitglieder fielen sich Christa Goetsch und Anja Hajduk in die Arme. Um 17.05 Uhr, nach fünfstündiger Debatte im Bürgerhaus Wilhelmsburg, hatten es die GAL-Fraktionsvorsitzende und die Grünen-Landeschefin geschafft - mehr als 80 Prozent der rund 440 anwesenden Mitglieder stimmten für den Koalitionsvertrag mit der CDU und machten damit den Weg frei für die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene.

Doch so einträchtig wie das Ergebnis glauben machen will, war die Stimmung in der vorangegangenen Debatte nicht. Anja Hajduk warb zum Auftakt der Mitgliederversammlung für eine "ehrliche Bewertung" des Koalitionsvertrags. "Es stecken grüne Wege, aber auch Kompromisse und Risiken im Koalitionsvertrag", so Hajduk. Sie bezeichnete die Schulpolitik als größte Reformaufgabe. Neben dem verlängerten gemeinsamen Lernen seien im Vertrag auch Grundlagen für die Verbesserung der Unterrichtsqualität gelegt. In dem Konzept der Primarschule liege "eine Chance für eine ganz große Bildungsreform, die hoffentlich auch über Hamburg hinausstrahlt", sagte Hajduk. Trotzdem sei der Koalitionsvertrag ein Kompromiss. In vielen Dingen habe die GAL im Wahlkampf "viel mehr gefordert". Im Sinne der grünen Prioritäten habe man sich in den Verhandlungen aber "richtig entschieden", so Hajduk.

Ganz anderer Meinung war Ellen Hobrecht aus Wandsbek. Sie sagte: "Wer an Ausgleichsmaßnahmen zur Elbvertiefung glaubt, gehört nicht in die Politik, sondern in die Kirche. Wo sind denn die Ausgleichsmaßnahmen zum Mühlenberger Loch?" Auch Barbara Gretzer aus Wandsbek war von der Idee der schwarz-grünen Koalition wenig begeistert: "Wer im Wahlkampf für die Ablösung des CDU-Senats eintritt und diesen jetzt im Amt hält, hat sich mit der Koalition bei den Wählern und den Mitgliedern höchst unglaubwürdig gemacht."

Trotz der Kritik stand die Mehrheit für den Koalitionsvertrag zu keinem Zeitpunkt infrage. Zu eindeutig verteilt war der Beifall. Ganz findige Parteifüchse hatten eine Abstimmung gleich zu Beginn der Diskussion als Test für das Gesamtergebnis gewertet. Da ging es um die Frage, ob die Redezeit von Parteichefin Hajduk wie die der anderen Redner begrenzt werden sollte. Eine sehr große Mehrheit lehnte den Vorschlag ab, Hajduk sollte ausreichend Zeit erhalten, den Koalitionsvertrag vorzustellen.

Mehrere Mitglieder warfen der Verhandlungskommission vor, sie würden nur mit der CDU koalieren, um Macht und Posten zu bekommen. Ein Vorwurf, den Julia Carmesin aus Harburg nicht verstehen konnte. "Natürlich sind wir machtgeil, und wenn wir das nicht wären, wäre ich nicht in dieser Partei", sagte sie und spielte damit GAL-Urgestein Willfried Maier in die Hände. Der betonte, nur wer Macht habe, könne auch etwas verändern und die Stadt gestalten.

Gudrun Köncke lobte das "ambitionierte Bildungskonzept". Trotzdem müssten die Grünen dafür sorgen, dass der Vertrag jetzt auch ausgefüllt und umgesetzt werde. Für die Koalition warb auch GAL-Fraktionsvize Christian Maaß. Er erinnerte in seiner Rede an die Mitgliederversammlung vor elf Jahren, in der die Partei über den Koalitionsvertrag mit der SPD abstimmen musste. "Da hat jemand gesagt, die Braut ist hässlich, aber geheiratet werden muss sie doch", zitierte Maaß. "Über den Vertrag mit der CDU sage ich in diesem Sinne: Die zweite Braut ist auch nicht hübscher geworden, aber sie behandelt uns mit Respekt, und versucht uns nicht im Keller einzusperren, und das ist ein ziemlicher Fortschritt."

Als sich schon erste Ermüdungserscheinungen zeigten, bewiesen die GALier mit einer Geschäftsordnungsdebatte alten Sponti-Geist. Erst wurde "Schluss der Rednerliste" beschlossen, gleich darauf wurde die Entscheidung wieder aufgehoben, um niemanden zu diskriminieren. Dann kassierte sogar der Landesvorstand in einer Geschäftsordnungs-Frage eine Niederlage. Hajduk wollte eine geheime Abstimmung über den Koalitionsvertrag - gedacht als Entgegenkommen für diejenigen, die mit der Idee einer Urabstimmung gescheitert waren. "Der Landesvorstand macht eine tolle Arbeit, aber hier sind die Nerven mit euch durchgegangen", hielt die Altonaerin Dorothee Freudenberg burschikos dagegen und setzte sich mit ihrer Forderung nach einer offenen Abstimmung durch. Minuten später hatte Hajduk den Flop vergessen - die große Mehrheit hatte den Koalitionsvertrag gebilligt.

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