"Verantwortungslosigkeit", "Heuchelei" und "mangelnde Glaubwürdigkeit" warfen sich die Redner in der gestrigen Bürgerschaftsdebatte über das geplante Kohlekraftwerk Moorburg vor. Zwei inhaltliche Fragen blieben dabei allerdings unbeantwortet. Erstens: Warum hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Vattenfall vor der Wahl so weitreichende Genehmigungen erteilen lassen, dass ein Ausstieg aus den Bauplänen nun so schwierig ist? Und zweitens: Was eigentlich will die SPD in Sachen Moorburg?
Ihr Abgeordneter Peter Tschentscher warf von Beust in der Aktuellen Stunde vor, vor der Wahl weitreichende Zugeständnisse an Vattenfall gemacht zu haben - zulasten Wilhelmsburgs, das in der Hauptwindrichtung der Abgase liegen würde. Die SPD sei gegen das Kraftwerk an dieser Stelle. Allerdings sei ein mögliches Zurück nach festen Zusagen ein "fahrlässiger Umgang" mit Investoren, Wirtschaft und Arbeitsplätzen, so Tschentscher.
GAL-Umweltpolitiker Christian Maaß lästerte, die einzige Konstante der SPD in Sachen Moorburg sei, dass niemand verstehe, was sie eigentlich wolle. Erst habe SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel sich gegen Moorburg ausgesprochen, nach der Bürgerschaftswahl nun dafür. Während die SPD gegen das Kraftwerk Wahlkampf gemacht habe, habe sie nach Aussage von Ex-Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) in den Sondierungen mit der CDU mitgeteilt, die SPD sei in einer Großen Koalition zum Bau des Kraftwerks bereit. Das habe auch SPD-Chef Ingo Egloff in einem Artikel in der "Welt" getan. GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch sagte an die Adresse der SPD: "Mir ist immer noch nicht klar, ob Sie Moorburg verhindern oder bauen wollen." Egloff habe in seinem "beleidigten Artikel" ja mehr oder weniger deutlich gefragt, warum die CDU denn mit der GAL verhandle, wo sie es doch mit der SPD viel leichter haben würde. "Das kann sein", so Goetsch. "Aber leichter ist nicht immer besser."
CDU-Fraktionschef Frank Schira warf der SPD "pure Heuchelei" vor. "Sie haben den Kompass und den roten Faden verloren. Wenn Sie wieder fit sind, sagen Sie Bescheid."
SPD-Landeschef Egloff dagegen wies noch einmal auf die Widersprüche in der CDU-Politik hin. Erst habe Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko (CDU) gesagt, das Kraftwerk sei politisch nicht gewollt. Dann aber habe der CDU-Senat noch vor der Wahl so weitgehende Zusagen gegeben, dass daraus "vielleicht ein Anspruch auf Genehmigung" resultiere. "Da gibt es eine Glaubwürdigkeitslücke beim Bürgermeister", so Egloff. "Und die CDU schlägt sich seitwärts in die Büsche."
Linke-Fraktionschefin Dora Heyenn warf der SPD vor, einen "Eiertanz" zu veranstalten. Vor der Wahl hätten SPD und GAL immer behauptet, eine Stimme für die Linke sei eine Stimme für von Beust. Nach der Wahl aber hätten beide eilig darum gewetteifert, sich der CDU als Koalitionspartner anzubieten. Schon in den vergangenen Wochen hätten die Grünen ihre "zentralen Wahlkampfaussagen beerdigt", so Heyenn. "Die soziale Spaltung der Stadt ist auch nach der Wahl geblieben."