Warstein. Bei Catharina Cramer im Sauerland wechseln Chefs schneller als bei Mitbewerbern in schrumpfender Branche. Wo Warsteiner dennoch glänzt.
Der Biermarkt in Deutschland schrumpft anscheinend unaufhaltsam weiter. Ein Trend, der bereits seit Jahren anhält und mit dem selbst große Brauereien zu kämpfen haben. Die traditionsreiche Warsteiner Brauerei ist da keine Ausnahme. Im Gegenteil, auf den seit den 1990er Jahren anhaltenden Abwärtstrend der einst absatzstärksten Marke aus dem Sauerland wird oftmals genauer geschaut als bei anderen.
Vielleicht auch, weil es unter Inhaberin der Catharina Cramer eine ungewöhnlich hohe Fluktuation im Management gibt und weil sich die Sauerländer viel stärker bedeckt halten als andere, wenn es um harte Zahlen beim Absatz, Umsatz und vor allem dem Gewinn geht. Das dürfte auch zu Beginn den neuen Jahres so sein, wenn Mitbewerber aus der Nachbarschaft wie Veltins und Krombacher ihre Bilanzen veröffentlichen.
Wenig preisgeben, wenn es unangenehm wird - eine Strategie, die sich bei der Brauereigruppe unter Catharina Cramer zu einer gewissen, aber gewiss nicht guten Tradition entwickelt hat. Als Ende November der von Cramer lange hochgelobte Chef Helmut Hörz überraschend vor die Brauerei-Tore gesetzt wurde, war dies dem Unternehmen gerade einmal knappe zehn Zeilen wert. Auf Pils-blumige Worte, übliche Floskeln für angeblich großartige Leistungen in der Vergangenheit und gute Wünsche für die Zukunft wurde dabei nüchtern verzichtet. „Die Zusammenarbeit der Haus Cramer Gruppe mit Helmut Hörz endet. Der 64-Jährige, der seit Juli 2021 als Interim-Manager die Position des CEO und CFO (Vorstandsvorsitzender und Finanzchef/d. Red.) innehatte, wird das Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung verlassen“, heißt es in der – erst auf Nachfrage dieser Zeitung – versendeten Mitteilung aus Warstein.
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Dafür, dass Hörz die Brauereigruppe wieder in ertragreiche Höhen wie zu besten Montgolfiade-Zeiten steuern sollte und mit vielen Ideen die Warsteiner Brauerei zur Haus Cramer Gruppe formen wollte, kam der Abgang Knall auf Fall und selbst für vertraute Beobachter des Hauses überraschend. Diese Entscheidung habe sich durch nichts abgezeichnet, sagt die Gewerkschafterin Isabell Mura, die das Unternehmen seit Jahren kennt, eng begleitet und selbst bei der Belegschaftsversammlung wenige Tage vor dem Personalknall dabei war.
Wieder einmal Schweigen im Warsteiner Wald
Über die genauen Gründe für den Abgang von Hörz herrscht Schweigen im Warsteiner Wald. Es lässt sich nur spekulieren. Schon der Ende August verfrühte Abschied von Uwe Albershardt, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, ließ in der Branche aufhorchen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Managementberater von RSM Ebner Stolz bei Warsteiner bereits Einzug gehalten. Möglicherweise, weil der Fahrplan von Hörz, in diesem Geschäftsjahr wieder in den Steigflug zu kommen, nicht wie erwartet aufgegangen ist. Hörz war der vierte Warsteiner-Chef innerhalb von zehn Jahren nach Martin Hötzel (bis 2018), Alessandra Cama (bis 2019) und Christian Gieselmann (bis 2021). Im Herbst dieses Jahres sollten erste Ergebnisse der Restrukturierungsexperten von Ebner Stolz vorliegen. Veröffentlichung? Fehlanzeige. Was auch die rund 1000 Beschäftigten unter dem Dach von Haus Cramer kaum beruhigen dürfte. Bereits 2018 waren Berater von Roland Berger im Haus. Damals hatte es personelle Einschnitte gegeben – und mit Christian Gieselmann einen Berater, der vom Berater zum Chef aufstieg.
Auch 2024 scheint es bei einer Gratwanderung der 2023 in Haus Cramer Gruppe umfirmierten Warsteiner Brauerei zu bleiben. Es gilt weiter, den zwischenzeitlich deutlichen Absatzeinbruch wie im vergangenen Jahr umzukehren, neue Geschäftsmodelle auch abseits von Hopfen und Malz zu entwickeln und gleichzeitig eine neue, jüngere Kundschaft für die eigenen Marken Warsteiner, Herforder, Paderborner und die bayerischen Biere wie König-Ludwig zu gewinnen.
Landwirtschaftsministerin lobt das Unternehmen
Kaum eine andere Marke auf dem deutschen Markt ist bei angesagten Musikfestivals so gut vertreten wie Warsteiner. Parookaville und San Hejmo in Weeze sind Treffpunkt für die junge Generation, die dort mit Gebrautem aus dem Sauerland versorgt wird. Das Sponsoring bei den namhaften Festivals Rock am Ring und Rock im Park hat die Brauerei zwar für kommendes Jahr verloren, aber mit „Big Day Out“ in Anröchte kommt ein Event hinzu, bei dem bekannte Bands und Künstler wie Fury in The Slaugtherhouse, Jan Delay, Alice Merton und Roy Bianco auftreten sollen.
Nicht jeden Trend hat die Brauerei aus dem Sauerland nach Ansicht von Experten rechtzeitig erkannt. Mit dem Oberbräu Hell und dem Paderborner Hell war Haus Cramer spät dran. Aber nicht immer haben die Konkurrenten, ob vor der Haustür oder auch bundesweit, die Nase vorn. Das Warsteiner Alkoholfrei wurde 2024 als bestes seiner Art von der Stiftung Warentest und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) ausgezeichnet. Und kurz vor Weihnachten erhielt die Warsteiner Brauerei von der NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen den Landesehrenpreis für Lebensmittel für herausragende Qualität der Produkte, kontinuierliches Engagement in der Ausbildung von Fachkräften, der Umwelt und tarifgerechte Bezahlung. Letzteres verwundert, nachdem Warsteiner sich 2021 aus dem Tarif verabschiedet hatte. Mittlerweile gibt es laut NGG-Südwestfalen-Chefin Isabell Mura aber wieder tarifliche Vereinbarungen und einen Aufwärtstrend bei den Gehältern. Immerhin.
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