Sauerland. Neue Zahlen zeigen: Viel mehr Menschen als bislang gedacht reisen in Sauerland. So denken die Einheimischen über die Touristen.
7,8 Millionen Übernachtungen pro Jahr von 2,5 Millionen Menschen im Sauerland. Das ist schon sehr viel. Doch tatsächlich sind die Zahlen wohl viel höher als es die amtliche Statistik (die nur Betriebe ab zehn Betten erfasst) bislang aussagt: Gut eine Million Gäste mehr kommen wohl pro Jahr in Sauerland und übernachten 13 Millionen Mal im „Land der 1000 Berge“. Hinzu kommen noch mal 7 Millionen Tagesgäste, die im Schnitt mehr als viermal kommen und so 30 Millionen Tagesreisen pro Jahr unternehmen. Das haben neue Auswertungen mit einem speziellen App-Tracking ergeben, die auch Buchungen in kleinere Betrieben oder über Airbnb berücksichtigen. Das sind also Massen an Touristen. Aber ist das auch schon Massentourismus? Und empfinden den die Sauerländer als Belastung? Der Sauerland-Tourismus, die Dachorganisation der Branche in der Region, wollte darauf Antworten in einer Befragung finden – das sind die Ergebnisse.
„Wir sind ein stückweit überrascht, wie positiv die Tourismusakzeptanz bei uns ausfällt.“
Knapp 2000 Sauerländer haben an der Befragung zu ihrer Heimat teilgenommen, die zwischen den Sommer- und Herbstferien stattgefunden hat. Die meisten Teilnehmer kamen vor allem von dort, wo der Tourismus im Sauerland boomt: aus Schmallenberg und Winterberg. Trotz des hohen Andrangs an Urlaubern zeigt die Studie: Gerade einmal 15 Prozent der Teilnehmer sagen, dass zu viele Touristen ins Sauerland kommen.
70 Prozent der Sauerländer sind zufrieden: „Wir sind etwas überrascht“
„Wir sind ein stückweit überrascht, wie positiv die Tourismusakzeptanz bei uns ausfällt“, sagt Dr. Jürgen Fischbach, Geschäftsführer von Sauerland Tourismus. Mit 70 Prozent steht die Mehrheit der Befragten dem Tourismus vor ihrer Haustür positiv gegenüber. Nur wenige lehnen die vielen Touristen ab.
Nicht so rosig sieht es auf den ersten Blick bei den negativen Effekten aus, die die Menschen in ihren Wohnorten durch den Tourismus sehen – vor allem, wenn es um Verkehrsprobleme und die Belastung der Natur geht. Dort sagt rund die Hälfte der Teilnehmer, dass die Menschenmassen über das Jahr hinweg zumindest zeitweise der Region schaden. „Diese Einschnitte beschränken sich jedoch auf saisonale Spitzenzeiten und können somit als relativ geringe Belastung eingeschätzt werden“, sagt Lorenz Starkloff, Leiter der Studie. Weiter klagen die Menschen über mangelnden Wohnraum oder darüber, dass ihr Alltag gestört wird, wenn mal wieder die nächste Kolonne an Motorradfahrern vorbeirast – um nur einige Punkte zu nennen.
Beim Ausfüllen des Online-Fragebogens hatten die Teilnehmer auch die Möglichkeit, in Freitextfeldern ihre Meinung abzugeben. „Es gab natürlich auch den ein oder anderen gefrusteten Kommentar. Daran sieht man, wie notwendig diese Studie ist und dass sie ein Ventil ist, um den Menschen in den Hotspots ein Gehör zu verschaffen“, betont Starkloff. Die Umfrage sei auch eine Reaktion auf Beschwerden, die bei Jürgen Fischbach und seinem Team eingehen. „Früher gab es zum Beispiel mehr Beschwerden über Rad- und Wanderwege. Da ist aber schon viel passiert, sodass es nur noch Nutzungskonflikte an zwei bis drei Hotspots während Feiertagswochenenden gibt“, so der Geschäftsführer.
Bewohner sollen zum touristischen Erfolg im Sauerland beitragen
Als besonders positiv schätzen die Sauerländer die Effekte für die Wirtschaft, das positive Image der Städte und die Freizeitangebote ein. Vor allem die Wander-Möglichkeiten machen die Region als Wohnort, als Freizeitort und sogar als eigenen Urlaubsort in den Zwischensaisons attraktiv.
- So sollen Mallorca-Zustände im Sauerland verhindert werden
- Wie das Sauerland mehr Touristen aus Dänemark anlocken will
- Warum das Sauerland nicht den Alpen-Look kopieren muss
Die Sauerländer halten ihre Region für sehr lebenswert. „Und sie sind essenziell für den touristischen Erfolg. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich als Gastgeber wahrnehmen und in Szene setzen“, betont Fischbach. Die Touristiker haben durch die Umfrage erkannt: Die Menschen im Sauerland wollen mehr beteiligt und besser informiert werden, etwa über Freizeitangebote, die sie selbst nutzen können. Die Umfrage habe dem Sauerländer Tourismus-Team geholfen, die Stimmung der Menschen zu erfassen und Lösungen für die Störfaktoren im Tourismus zu finden.
Einige Maßnahme schon gestartet: KI-Projekt soll Parkplatzstau verhindern
Eine Maßnahme gegen die saisonale Anhäufung von Verkehrsproblemen soll ein Projekt mit Künstlicher Intelligenz (KI) sein. Die Parkplätze der Wintersportgebiete und der Seen werden mit Kameras und Sensoren ausgestattet. „So können wir erkennen, wann wo viel los ist und die Leute frühzeitig warnen. Dann wissen sie, ob sie sich an dem Tag vielleicht lieber eine Alternative suchen sollten“, erklärt Fischbach. Auch sollen in Zukunft der ÖPNV und die Fahrradinfrastruktur weiter ausgebaut werden.
Die Befragung soll nun regelmäßig durchgeführt werden, um längerfristige Entwicklungen in den Einstellungen der Menschen zu erkennen. Den Zeitraum zwischen Sommer- und Herbstferien habe man diesmal bewusst gewählt. „Die Leute sind vor Ort, haben den Sommer noch im Hinterkopf und negativen Erfahrungen in den Wintersportgebieten trotzdem vor Augen“, so Starkloff. Man könne sich dennoch vorstellen, die Umfrage auch mal im Sommer oder Winter während der Hochphasen des Tourismus stattfinden zu lassen und Schwankungen zu erkennen.
Weitere Themen aus der Region
- Wieso die Igel-Mama aus dem Sauerland in großer Sorge ist
- Darum demonstrieren auch Aidshilfen im Sauerland am Mittwoch
- Wahl rund ums Sauerland: Sicherer Merz und Wackelkandidaten
- Versorgung des Sauerlands mit Wasserstoff utopisch teuer
- Laura Kraft tritt wieder für Grüne an - mit geringen Chancen
- A-45-Brücke: „Wir biegen langsam auf die Zielgerade ein“
- Neue Discos: Warum das Sauerland wieder in Feierlaune ist
- Gestohlenes Pferd: Besitzer und Züchter im Sauerland besorgt
- SMS-Chef erwartet von jungen Talenten vor allem Leistung
- Sauerland: Hier kümmern sich Roboter und KI ums liebe Vieh
- Wie dieser Mann Schlösser und Burgen im Sauerland verkauft